Oliver Hochedez ist Leiter der Nothilfeabteilung von Malteser International. Ein vierköpfiges Team der Hilfsorganisation ist im Katastrophengebiet vor Ort. Mit Carolin Raab sprach Hochedez über den Stand der Rettungsarbeiten.
Interview mit Malteser-Leiter„Hilfsmaßnahmen werden durch die extreme Kälte erschwert“
Wie lange kann man hoffen, unter den Trümmern Überlebende zu finden?
In der Regel bis zu 72 Stunden nach einem Unglück. Es gab aber auch schon Fälle, wo nach 150 Stunden jemand lebend gerettet werden konnte. Das ist auch heute noch unsere Hoffnung. Die Hilfsmaßnahmen werden aber durch die extreme Kälte erschwert, nachts haben wir hier Minusgrade. Es ist schwierig, aber so lange noch Hoffnung besteht, sind die internationalen Einsatzkräfte an der Arbeit.
Wo genau sind Sie und Ihr Team im Einsatz?
Wir sind in Kilis, nahe der Grenze zu Syrien, wo wir heute angekommen sind. Die Flughäfen sind zurzeit stark überlastet, weil Flieger mit Hilfsgütern aus aller Welt ankommen. Das ist alles ein großer logistischer Aufwand, weil die ganzen Flugzeuge ja auch entladen werden müssen.
Wie genau helfen Sie vor Ort?
Wir ermitteln Bedarfe, sprechen mit unseren Partnern in der Türkei und Syrien und den lokalen Behörden, um Lücken in der Versorgung zu erkennen: Was wird ganz dringend gebraucht? Dann versuchen wir, diese Hilfsgüter vor Ort oder von außen zu beschaffen und entsprechend zu verteilen. Vor allem brauchen wir Zelte, Decken und Heizgeräte.
Es gibt immer noch Nachbeben. Die sind zwar leicht, aber für die Betroffenen immer ein weiterer Schock. Viele Familien wollen über Nacht im Freien bleiben, aus Angst, dass die Nachbeben auch die heil gebliebenen Häuser zum Einsturz bringen. Wir sehen hier ganz viele Notunterkünfte, die mit Planen auf LKWs eingerichtet wurden. Es ist bei der extremen Kälte eine Herausforderung, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben.
Gibt es außer der Kälte noch etwas, was die Rettungsmaßnahmen behindert?
Vor allem die zerstörte Infrastruktur. Die Straßen werden langsam freigeräumt, man muss schauen, ob etwa Brücken überhaupt befahrbar sind. Auch die Flughäfen waren zwischendurch gesperrt, weil sie überlastet oder von dem Erdbeben beschädigt wurden. All das hat vor allem in den ersten zwei Tagen nach dem Unglück zu Verzögerungen geführt, aber nach und nach wird die Situation besser.
Gibt es trotz aller Schwierigkeiten etwas, das Ihnen Hoffnung macht?
Wir haben jetzt ein etwas klareres Lagebild bekommen, und da wird sich noch einiges tun. Die Hilfe wird dort hingebracht, wo sie gebraucht wird.
Wie lange werden Sie mit Ihrem Team voraussichtlich vor Ort bleiben?
So lange, wie wir gebraucht werden und etwas bewirken können. Wenn die akute Nothilfe-Phase vorbei ist, geht es dann irgendwann hoffentlich in den geordneten Wiederaufbau.