Joachim Gauck war einst im höchsten politischen Amt. Nun feiert der ehemalige Bundespräsident seinen 85. Geburtstag.
Ein Seelsorger im höchsten StaatsamtJoachim Gauck wird 85 Jahre alt
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Der Bundespräsident a.D., Joachim Gauck, bei der Gedenkveranstaltung anlässlich der Öffnung der Glienicker Brücke in Potsdam im Jahre 1989. (Archivbild)
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Einen solchen Inhaber hatte das höchste Staatsamt der Bundesrepublik noch nicht gesehen. Theologe, Pastor, Mitinitiator der kirchlichen Protestbewegung in der DDR: Fünf Jahre lang, von 2012 bis 2017, stand Joachim Gauck als elfter Bundespräsident an der Spitze des wiedervereinten Deutschland.
Emotional, zugewandt und intellektuell hellwach gab der parteilose Gauck dem Amt seine eigene Prägung - und wurde zum damals populärsten Politiker der Bundesrepublik. Gauck wirkte mit einer Ausstrahlung, die durch ein außergewöhnliches Leben in einer dramatischen Zeit geprägt worden ist.
Gauck feiert am Freitag seinen 85. Geburtstag
Am Freitag wird der Altbundespräsident 85 Jahre alt. Noch immer erhebt Gauck seine Stimme - mit wachsender Sorge angesichts der politischen Entwicklungen, aber immer getragen von seiner Grundüberzeugung, die er einmal so formuliert hat: „Die Gewissheit, dass der Verteidigung wert ist, was allen Menschen zukommt: Würde, Unversehrtheit, Freiheit und Recht.“
Ins Amt des Bundespräsidenten kam der Mecklenburger eher überraschend: Nach dem Rücktritt von Christian Wulff 2012 musste schnell ein konsensfähiger Nachfolger her. Als Bundespräsident ließ Gauck dann rasch aufhorchen. Da stand plötzlich jemand an der Spitze des Staates, der einen neuen Ton in die deutsche Politik brachte.
Gaucks Vergangenheit als Seelsorger hatte Einfluss auf seine Politik
„Er verwendet nicht die übliche, genormte Sprache der Politik, sondern hat seine eigene, authentische Klangfarbe“, schreibt Gaucks Biograf, der Journalist Mario Frank. Gauck formuliert präzise, gerne lässt er seelsorgerisches Vokabular in seine Reden einfließen. Mehr als andere Politiker zeigt er Emotionen und Wärme. Frank urteilt: „Seine intensive Zuwendung zu den Menschen, die ihm begegnen, ist ganz und gar ungewöhnlich.“
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Bundespräsident a.D. Joachim Gauck hält die Festrede beim traditionellen Benefizabend des Dreikönigsvereins Neubrandenburg am 06.01.2025.
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In Erinnerung geblieben ist Gauck mit Positionierungen, die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben. Schon vor mehr als zehn Jahren warnte er als Staatsoberhaupt eindringlich vor der Gefahr des russischen Expansionismus. Er forderte Deutschland auf, mehr für seine militärische Sicherheit zu investieren. Und er wies auf Grenzen bei der Aufnahme von Migranten hin: „Unsere Herzen sind weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich.“ All das brachte ihm damals auch Kritik ein - heute fühlt Gauck sich bestätigt.
Gauck: Erstarken populistischer Kräfte bereiten im Sorgen
Seine Überzeugungen vertritt Gauck immer noch im öffentlichen Diskurs - auch wenn sich inzwischen ein pessimistischer Unterton eingeschlichen hat. „Nun, am Abend meines Lebens, hat sich meine Sicht auf die Demokratie noch einmal verändert“, schreibt Gauck in seinem 2023 erschienenen Buch „Erschütterungen“.
Es sind das Erstarken populistischer Kräfte in Deutschland und die äußere Bedrohung durch Russland, die Gauck Sorge bereiten: „Wovon ich einst träumte und was mich danach beheimatete, ist die ewig festgefügte Ordnung, das unumstößlich Gute, wo die Gerechten in stabiler Sicherheit leben“, schreibt er - und fügt hinzu: „Speziell das Gefühl der Sicherheit hat sich reduziert. Die Demokratie zeigt jetzt deutlich ihre Schwächen.“
Gauck in DDR aufgewachsen
Gaucks große Popularität mag damit zu tun gehabt haben, dass er im höchsten Staatsamt authentisch wirkte - und dieses Authentische lag sicherlich auch an dem hohen Maß an Übereinstimmung zwischen seiner persönlichen Lebenserfahrung und seiner politischen Botschaft. Denn in der DDR hatte Gauck die Erfahrung von Unfreiheit und erzwungener Ohnmacht durchlitten. Die Freiheit nach der Wende empfand er als beglückendes Erlebnis, das zur Triebkraft seines öffentlichen Wirkens wurde.
Gauck war elf Jahre alt, als sein Vater Wilhelm - ein Werfttechniker in Rostock - 1951 wegen fingierter Spionagevorwürfe in die stalinistische Sowjetunion verschleppt und dort vier Jahre im Gulag interniert wurde. Für Gauck war das ein Schlüsselerlebnis - und der Grund für die unerbittliche Ablehnung, mit der er dem DDR-System gegenüberstand.
„Bereits als Kind wusste ich, dass das, was um mich herum geschah, Unrecht und Willkür waren“, schreibt Gauck in seinem 2020 erschienenen Buch „Toleranz“. Gauck wurde Stadtjugendpastor in Rostock - und geriet 1983 als Mitorganisator des Kirchentags ins Visier der Stasi, die eine „Zersetzungsoperation“ gegen ihn startete. Gaucks Wohnung wurde abgehört, sein Umfeld ausgehorcht, seine Kinder schikaniert.
Nach der Wende war Gauck dann von 1990 bis 2000 als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen selbst mit der Erfassung und Aufarbeitung des DDR-Erbes befasst. Ein Kreis schloss sich - und das ehemalige Stasi-Opfer Gauck etablierte sich als öffentlicher Intellektueller, der es schließlich bis ins höchste Staatsamt schaffte.