Ehrenmord an SchwesterZehn Jahre später: Brüder von Hatun Sürücü vor Gericht

Blumen und Kränze liegen im Februar 2010 in Berlin neben einem Gedenkstein für die ermordete Hatun Sürücü.
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Berlin – Mehr als zehn Jahre nach dem Mord an der Deutsch-Türkin Hatun Sürücü sind zwei ihrer Brüder in der Türkei wegen Mordes angeklagt worden. Berlins Justizsenator Thomas Heilmann sei vom Bundesamt für Justiz über den Schritt der türkischen Behörden informiert worden, sagte seine Sprecherin Claudia Engfeld am Sonntag. „Dass nun in der Türkei Anklage erhoben wurde, ist ein wichtiges Signal: Man kann sich durch Flucht nicht der Strafverfolgung entziehen“, betonte der CDU-Politiker. Zuerst hatte die „Bild am Sonntag“ über den Fall berichtet.
Familie akzeptiert westlichen Lebensstil nicht
Die 23-jährige Hatun Sürücü wurde am 7. Februar 2005 in Berlin von ihrem jüngsten Bruder erschossen, weil die Familie den westlichen Lebensstil der jungen Frau nicht akzeptierte. Die junge Frau wurde von drei Kopfschüssen getroffen. Der sogenannte Ehrenmord hatte Deutschland erschüttert und eine Debatte über Integration und Parallelgesellschaften ausgelöst.
Der Todesschütze wurde im Sommer 2014 nach verbüßter Haft nach Istanbul abgeschoben. Die jetzt angeklagten Brüder waren seit Jahren international zur Fahndung ausgeschrieben, nachdem sie sich in die Türkei abgesetzt hatten. Beide waren 2006 in einem ersten Prozess in Berlin aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden.
Freisprüche wurden 2007 aufgehoben
Der Bundesgerichtshof hatte die Freisprüche 2007 aufgehoben. Zu einem neuen Verfahren kam es aber wegen ihrer Flucht nicht mehr. Die türkische Seite hatte 2013 ein eigenes Strafverfahren gegen die beiden Männer eingeleitet. Die Türkei liefert ihre Staatsbürger nicht aus. Senator Heilmann begrüßte am Sonntag das Vorgehen der Istanbuler Staatsanwaltschaft. Die Berliner Justiz habe den türkischen Behörden alle Unterlagen zu dem Fall zur Verfügung gestellt.
Hatun Sürücü hatte sich nach einer Zwangsehe von ihrem ersten Mann getrennt, das Kopftuch abgelegt und ihren Sohn in Berlin allein aufgezogen. Sie feierte Partys und machte eine Ausbildung zur Elektroinstallateurin.In einer TV-Dokumentation des RBB vom Jahresbeginn 2015 wurde gezeigt, wie sich der Mörder in der Haft radikalisierte und nach seiner Abschiebung Deutschland verhöhnte. In Istanbul soll er bei einem der jetzt angeklagten Brüder gewohnt haben. Laut „Bild am Sonntag“ erhob die Generalstaatsanwaltschaft Istanbul am 10. März Anklage vor dem 10. Schwurgericht der Stadt wegen Mordes zum Nachteil eines Familienangehörigen. Wann der Prozess beginnt, ist noch unklar. (dpa)