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Bertelsmann-StudieWie uns Fake-News und Desinformation bedrohen

Lesezeit 3 Minuten
Der Begriff „Fake-News“ für Falschnachrichten ist im neuen Duden zu sehen.

Der Begriff „Fake-News“ für Falschnachrichten ist im neuen Duden zu sehen.

Eine große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland hat Angst vor dem Einfluss von Falschinformationen auf unsere Demokratie. Das zeigt eine aktuelle Studie.

Die Verbreitung von Desinformationen im Internet wird einer aktuellen Studie zufolge von 81 Prozent der Deutschen als Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt angesehen. Eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung befürchtet dadurch Wahlbeeinflussung und eine Spaltung der Gesellschaft, so das Ergebnis einer am Mittwoch von der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh veröffentlichten Studie.

Am deutlichsten nehmen die Befragten Desinformationen dabei im Zusammenhang mit kontroversen Themen wie Einwanderung, Gesundheit, Krieg und Klimakrise wahr. Die sozialen Medien sind der Ort, an denen Befragte Desinformationen am häufigsten wahrnehmen, gefolgt von Blogs und Messenger-Diensten. Zwei Drittel vermuten Protest- und Aktivistengruppen als Quelle der Falschinformationen, gefolgt von Bloggern und Influencern (60 Prozent), ausländischen Regierungen (53 Prozent) und Politikern sowie Parteien aus Deutschland (50 Prozent). Rund ein Drittel der Befragten nannte auch die deutsche Bundesregierung.

Das Bewusstsein für die Risiken absichtlicher Falschinformationen für die Demokratie sei in weiten Teilen der Bevölkerung geschärft, bilanzieren die Autoren. Was jedoch als absichtliche Falschinformation im Netz wahrgenommen wird und welche Urheber und Motive man dahinter vermutet, hängt demnach auch vom Vertrauen in die Medienlandschaft und in die Politik insgesamt ab.

Während Desinformationen etwa nach Ansicht der Befragten mit hohem Medienvertrauen vor allem mit dem Ziel verbreitet werden, das Vertrauen in die Politik und Demokratie zu schwächen (93 Prozent), glauben dies laut Studie Menschen mit niedrigem Medienvertrauen deutlich seltener (68 Prozent). Befragte dieser Gruppe glauben dagegen zu 91 Prozent, dass Falschinformationen verbreitet würden, um von Skandalen und politischer Unfähigkeit abzulenken, was nur 63 Prozent der Menschen mit hohem Medienvertrauen annehmen.

Die Studie sortiert ein knappes Drittel der Befragten zur Gruppe mit niedrigem Medienvertrauen. In dieser sind AfD-Wähler überproportional vertreten, die Unzufriedenheit mit der Demokratie ist hier ebenso verbreitet. Hohes Medienvertrauen ist bei 43 Prozent der Befragten ausgeprägt. Belege für ähnliche Polarisierungen finden sich an mehreren Stellen der Untersuchung. So glauben Grünen-Wähler tendenziell eher, Manipulationen kämen von rechts, AfD-Wähler sehen häufiger das linke Spektrum als Urheber.

„Wachsendes Misstrauen gegenüber Medien und Politik“

„Die Umfrageergebnisse zeigen auch ein wachsendes Misstrauen gegenüber Medien und Politik bei gleichzeitiger Verunsicherung“, so Cathleen Berger, Co-Autorin der Studie und Digitalexpertin bei der Bertelsmann-Stiftung. „Wenn sich immer mehr Menschen aus dem Diskurs zurückziehen, besteht die Gefahr einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft“, fürchtet sie. Trotz Aufmerksamkeit für das Phänomen fehle vielen Menschen die Orientierung, wie sie auf Manipulationen reagieren können.

Der Versuch, durch vorsätzliche Falschinformationen Wahlen zu beeinflussen und Vertrauen in Politik, Parteien und Medien zu untergraben, sei mit Blick auf das laufende Wahljahr „eine Herausforderung, die gelöst werden muss, um unsere liberale Demokratie zu schützen“, sagte die Vorständin der Stiftung, Daniela Schwarzer. Die Studienautoren mahnten, dass Politik, Medien und Zivilgesellschaft hier noch aktiver werden müssten.

Nötig seien auch bessere Vorgaben. „Die sozialen Netzwerke sollten verpflichtet sein, Faktenchecks und Vertrauensbewertungen einzubinden“, erklärte Berger. Außerdem müsse es erleichtert werden, Informationen zu überprüfen und zu melden.

70 Prozent der Befragten in Deutschland meinen laut der Studie, dass Desinformation ein Problem vor allem für andere Menschen darstelle. Nur 16 Prozent sehen darin ein Risiko für sich selbst. In den USA, wo die Umfrage ebenfalls durchgeführt wurde, sorgten sich mit 39 Prozent deutlich mehr Bürger darum, selbst getäuscht zu werden, und prüften deshalb Inhalte häufiger und kritischer.

Für die Studie „Verunsicherte Öffentlichkeit“ ließ die Stiftung im Oktober 2023 in Deutschland rund 5000 und in den USA rund 2000 Personen ab 16 Jahren durch ein Meinungsforschungsinstitut online befragen. (dpa/mit epd)