Im Vereinigten Königreich wird zunehmend bargeldlos bezahlt, was die Anzahl der verschluckten Münzen bei Kindern reduziert und Notaufnahmen entlastet.
Kuriose EntwicklungBargeldloser Zahlungsverkehr entlastet britische Notaufnahmen

Weil Briten gern per Karte zahlen, landen weniger Münzen in Kindermägen.
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Ob im Pub, beim Bäcker, dem Straßenmusiker oder an der Parkuhr – im Vereinigten Königreich wird eigentlich fast immer mit Karte oder Smartphone bezahlt. Das hat Folgen, die bisher kaum im Fokus standen: Weil weniger Münzen im Umlauf sind, werden sie offenbar auch in geringerer Zahl von kleinen Kindern verschluckt. So kommt es seltener zu Unfällen, die lebensbedrohlich und im Extremfall tödlich enden können, wie eine neue Studie belegt. Diese Entwicklung rettet damit nicht nur Kinder, sondern entlastet auch die Notaufnahmen – und damit den stark beanspruchten Gesundheitsdienst NHS.
Zahl der Fremdkörper-Eingriffe zurückgegangen
Tatsächlich ist die Zahl der Kinder, die operiert werden müssen, um einen Fremdkörper aus Nase, Rachen oder Atemwegen zu entfernen, zwischen 2012 und 2022 zurückgegangen, wie eine Studie des Royal College of Surgeons of England (RCSE) zeigt. Mussten sich im Jahr 2012 noch 2405 unter 18-Jährige aus diesem Grund einem Eingriff unterziehen, waren es 2022 nur noch 1716 – ein Rückgang um fast 29 Prozent.
Das RCSE nannte neben der gestärkten Aufmerksamkeit der Eltern sowie besseren Sicherheitsvorkehrungen die zunehmend bargeldlose Gesellschaft als Grund für diese Entwicklung „In der Vergangenheit machten Münzen mehr als 75 Prozent der verschluckten Gegenstände bei Kindern unter sechs Jahren aus, und der Rückgang von Münzen in den Haushalten durch kontaktloses Bezahlen hat wahrscheinlich dazu beigetragen, die Zahl dieser Eingriffe zu verringern“, stellte Ende März der unabhängige chirurgische Fachverband in einer Mitteilung fest.
Tatsächlich gehört im Königreich selbst auf einem britischen „jumble sale“ – also einem Flohmarkt für den guten Zweck – das Kartenlesegerät mittlerweile dazu wie der Klapptisch. In Bussen in London oder in einzelnen Filialen großer Coffeeshop-Ketten wird Bargeld inzwischen gar nicht mehr angenommen – aus Gründen der Effizienz, Kosteneinsparung und Sicherheit. „85 Prozent der Menschen nutzen kontaktloses Bezahlen inzwischen regelmäßig“, sagt Jana Mackintosh, Managing Director von UK Finance, anlässlich einer im Sommer vergangenen Jahres veröffentlichten Studie des Branchenverbandes.
Auch digitale Methoden wie Apple Pay und Google Pay sind weit verbreitet – rund ein Drittel der Erwachsenen nutzt mindestens einmal im Monat bereits das Smartphone zum Bezahlen, Tendenz steigend. Der Abschied vom Cash ist auch in Großbritannien nicht unumstritten. Ältere Menschen, sozial Schwächere und jene, die auf spontane Spenden angewiesen sind, geraten zunehmend ins Hintertreffen, betonen Kritiker. Gleichzeitig bringt der Wandel aber auch positive Effekte mit sich, die inzwischen bis in die Notaufnahmen spürbar sind.
Nicht nur verschluckte Münzen können gefährlich werden
Stephen Powis, medizinischer Direktor des NHS in England, sagte zu dem Rückgang der Operationen infolge von verschluckten Gegenständen: „In einer Zeit, in der die Nachfrage nach Dienstleistungen im Gesundheitssystem hoch ist, sind Trends wie dieser, der die Zahl der Krankenhausaufenthalte reduziert, nicht nur gut für die Kinder, sondern auch für unser unter Druck stehendes Personal.“
Doch auch wenn Münzen mittlerweile ein geringeres Risiko für Kinder darstellen, ist weiter Vorsicht geboten, betonen die Experten. Eltern sollten wachsam bleiben, da auch andere glänzende Kleinteile wie etwa Knopfbatterien verschluckt werden können, so das RCSE. Einmal im Magen können diese innerhalb weniger Stunden zu inneren Komplikationen mit tragischen Folgen führen. „Wenn eine Betreuungsperson glaubt, dass ein Kind etwas verschluckt hat, das es nicht hätte schlucken sollen, sollte man es in die Notaufnahme bringen – auch wenn es keine Symptome zeigt. In solchen Fällen ist es wirklich besser, auf Nummer sicher zu gehen“, sagt Adrian Boyle, Präsident des Royal College of Emergency Medicine.