Schlecht geschultes Personal: Deutschlands Bademeisterchef fürchtet mehr Unfälle in Freibädern. Wir haben mit ihm gesprochen.
Bademeister über Fachkräftemangel„Wir sind leider Gottes ein Volk von Egoisten geworden“
Der Präsident des „Bundesverbands Deutscher Schwimmmeister“ (BDS), Peter Harzheim, sorgt sich um den Fachkräftemangel und dessen Folgen. Im Interview mit Ankea Janßen spricht er über profitgierige Badbetreiber, den Bruttolohn eines Bademeisters und Flüchtlinge als mögliche Nachwuchskräfte.
Herr Harzheim, immer wieder kommt es in Deutschlands Freibädern auch zu Straftaten. Kann man sie noch ruhigen Gewissens betreten?
Wenn Sie mich fragen: ja. Vor zwei, drei Jahren hätte ich noch das Gegenteil behauptet, aber mittlerweile bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass dort, wo etwas passiert ist, die Betreiber ihre Hausaufgaben gemacht und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen haben. Es ist zwar nicht so schön und auch nicht in unserem Sinne, wenn Security herumläuft, aber in bestimmten Bädern ist das momentan zweckmäßig. Und somit kann ich sagen, dass 98 Prozent der Bäder bundesweit auch besuchbar sind und die Kolleginnen und Kollegen vor Ort in der Lage sind, Probleme selber zu bewältigen. Mit dem guten Wetter gibt es jetzt natürlich einen Run auf die Freibäder und ich hoffe, es bleibt friedvoll.
Das Freibad als Ort, an dem es zu Gewaltausschreitungen kommen kann, ist das eine Thema. Aber wie steht es um die Badeaufsicht?
Dieses Jahr haben wir durch den Fachkräftemangel den Worst Case, dass wir nicht mehr an sieben Tagen, sondern nur noch an fünf Tagen die Woche öffnen können. Und statt zwölf nur noch acht Stunden. Die Öffnungszeiten sind natürlich auch dem Arbeitszeitgesetz geschuldet. Trotzdem haben wir meist gut geschultes Personal in den Bädern. Aber es gibt einige Betreiber, die nur den Profit vor Augen haben und auf Leute von der Straße zurückgreifen.
Was genau meinen Sie damit?
Leute, die nicht so gut geschult sind, wie es die Fachangestellten der Bäderbetriebe, die geprüften Schwimmmeister oder die Rettungsschwimmer der DLRG sind. Es gibt vom Gesetzgeber keine Vorschrift, dass Fachkräfte vor Ort sein müssen. Der Betreiber ist lediglich dazu verpflichtet, im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht dafür zu sorgen, dass den Kunden ein schadenfreier Aufenthalt im Schwimmbad ermöglicht wird. Am Beckenrand können somit auch Personen stehen, die nur einen Erste-Hilfe-Kurs oder das Rettungsschwimmabzeichen Silber sowie eine kombinierte Rettungsübung gemacht haben. Für mich sind das aber nicht die richtigen Leute. Ein Schwimmmeister muss antizipieren, muss vorausschauen, muss über den Tellerrand gucken und sehen, welche Situationen sich entwickeln können. Wenn das gute Wetter jetzt zu volleren Bädern führt, habe ich schon ein bisschen Angst, dass es zu mehr Unfällen kommen könnte.
Was macht den Beruf des Bademeisters so unattraktiv?
Die Arbeitszeiten mit Wochenddiensten gelten als unbequem, allerdings hat sich schon viel getan. Die Dienstplangestaltung ist familienfreundlicher und auch die Bezahlung – die lange schlecht war – ist deutlich besser geworden. Wobei man mit einem Gehalt allein immer noch keine Familie ernähren kann. Außerdem wird versucht, den Nachwuchs mit Vorteilen wie Sportangeboten, einem Dienstrad oder Tankgutscheinen aus seinen Löchern zu locken.
Wie hoch ist das Monatsgehalt eines Schwimmmeisters mittlerweile?
Bis Anfang des Jahres lag es noch zwischen 2500 und 2600 Euro brutto. Mittlerweile aber zwischen 2800 und 3200 Euro für einen Fachangestellten. Das Problem des Fachkräftemangels haben wir auch nicht wegen des Geldes, sondern hauptsächlich, weil viele der jungen Einsteiger sich davor scheuen, einen Beruf zu ergreifen, bei dem die Freizeit verloren geht. Denn die hat mittlerweile Vorrang.
Die junge Generation gilt oft als träge und unmotiviert und will sich nicht verheizen. Teilen Sie diesen Eindruck?
Es ist nicht böse gemeint, aber ich habe den Eindruck, dass viele das Stichwort Work-Life-Balance so interpretieren: Life-Balance: ja. Work: nein. Den jüngeren Leuten wird vorgegaukelt, dass sie alles haben können, dem ist aber nicht so. Man muss auch etwas dafür tun. In meinen Augen haben wir früher mehr Idealismus aufgebracht, Gemeinsinn und Gemeinwohl waren selbstverständlich. Wir sind leider Gottes ein Volk von Egoisten geworden. Jeder gönnt sich selbst am meisten und dem anderen wenig. Dabei kann es auch zufrieden machen, anderen zu helfen. Man muss nicht immer alles auf Heller und Pfennig zurückgezahlt bekommen.
Um die Personalprobleme zu lösen, haben Sie im vergangenen Jahr vorgeschlagen, geflüchtete Menschen als Bademeister auszubilden.
Dazu stehe ich auch weiterhin. Ich finde es gut, wenn sich Flüchtlinge über die Arbeit in unserem Land integrieren. Unser Verband hat viele positive Erfahrungen mit ihnen gesammelt. Sie haben die Ausbildung zum Fachangestellten für Bädergestaltung trotz Sprachbarrieren gemacht und auch bestanden. Und sie sind uns deutschen Kollegen in den Bädern sehr viel wert, weil sie Probleme mit ihren Landsleuten besser aus der Welt schaffen können als wir.
Mit ihrem Vorschlag haben Sie aber auch für Wirbel gesorgt. Unter anderem, weil Sie so verstanden wurden, dass Flüchtlinge als Bademeister gezielt eingesetzt werden sollen, um Konflikte zwischen weiblichen Badegästen und Migranten zu entschärfen.
Manchmal wird das, was ich sage, aus dem Kontext gerissen. Vor einigen Jahren hieß es zum Beispiel: „Der oberste Bademeister geht mit seinen Enkeln nicht mehr schwimmen.“ Wenn mir die Gewalt in einem bestimmten Freibad bekannt ist, dann gehe ich da nicht hin. Ich habe aber nie gesagt, dass ich mit meinen Enkeln nicht mehr ins Freibad gehe. Und jetzt nochmal: 98 Prozent der Bäder in Deutschland sind fast gewaltfrei.