„Auch nur Menschen“Wie Niederlandes Royals gegen ihren ramponierten Ruf kämpfen
Amsterdam – Da lehnt sich also der König auf die Holztheke und fragt mit schelmischem Grinsen: „Was gibt es für mich?“ Ein Gläschen Kräuterbitter, klar. Es folgen ein kurzer Plausch mit dem ausschenkenden Stand-Herren und natürlich ein Stößchen. Prost. Auf Willem-Alexander, auf seinen 55. Geburtstag. „Lang lebe der König“, rufen einige aus der Menge. Dann ziehen er und seine Frau Máxima weiter. Willkommen beim Koningsdag.
Endlich wieder bekam das Volk anlässlich des Ehrentags ihres Monarchen Ende April wieder einen Tag frei – und die Anordnung zur Ausgelassenheit. Nach zweijähriger Corona-Pause verwandelte sich das ganze Land in eine in Orange getünchte Sause. Während es die Nation auf Straßenfestivals und Flohmärkte zog, besuchten die Royals das herausgeputzte Maastricht. Nahbar, humorvoll, ungezwungen – so präsentierten sich das niederländische Königspaar und die drei Töchter Amalia, Alexia und Ariane.
Es war Balsam für die niederländische Seele. Und auch wenn der Nationalfeiertag stets den Anlass zum kollektiven Wahnsinn geboten hat: So viel Party wie dieses Jahr war vonseiten der Royals selten. Aber die Mitglieder des Hauses Oranien-Nassau hatten nicht nur viel aufzuholen nach der Pandemie, sondern vor allem einiges gutzumachen.
Schlechter Zeitpunkt für einen Urlaub
„Die Covid-Zeit war schlecht für die Monarchie“, sagt Annemarie de Kunder, royale Korrespondentin bei RTL Boulevard. Nicht nur waren Willem-Alexander und Máxima aufgrund der Beschränkungen kaum sichtbar in der Öffentlichkeit. Sie haben auch einige Fehler gemacht, die ihnen die Niederländer keineswegs verziehen haben. Stichwort Griechenland. Während die Untertanen im Oktober 2020 eindringlich aufgefordert waren, wegen der steigenden Infektionszahlen zu Hause zu bleiben, jettete die königliche Familie in den Urlaub zu ihrer Villa auf der Halbinsel Peloponnes. Die Holländer im Lockdown wüteten, ein Kommentator schimpfte, die Familie verhalte sich „wie verwöhnte Jetset-Proleten“.
48,2 Millionen Euro vom Staat
Kritiker der Royals verweisen regelmäßig aufs Geld. Es gibt lediglich Schätzungen, wie hoch das Privatvermögen der Königsfamilie ist. Es heißt, dass sie neben Grundstücken, Kunstwerken und anderen Besitztümern einen erheblichen Aktienanteil an der Ölgesellschaft Royal Dutch Shell hält. Und natürlich wird der Hofstaat vom Staat unterstützt. Die geschätzten Ausgaben für die königliche Familie werden sich laut Haushaltsplan des Palasts im laufenden Jahr auf 48,2 Millionen Euro belaufen. Willem-Alexander allein erhält ein persönliches Gehalt von rund einer Million Euro jährlich. Zudem sind 5,1 Millionen für die Bezahlung seiner Mitarbeiter und für private Ausgaben im Zusammenhang mit seinem Amt bestimmt. (kapri)
„Der König wirkte abgehoben und so, als ob er den Kontakt zu den Menschen verloren hätte“, sagt Adelsexpertin de Kunder. Nach nur wenigen Stunden brachen Willem-Alexander und Máxima die Ferien ab, kehrten reuevoll zurück und entschuldigten sich. Doch der Skandal hat Spuren hinterlassen. Sollten die Royals nicht mit bestem Beispiel vorangehen?
Einer Umfrage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks NOS zufolge haben lediglich noch 47 Prozent der Bürger Vertrauen in den König, vor einem Jahr waren es 57 Prozent, und 2014 standen noch 74 Prozent der Menschen hinter ihm.
Tatsächlich steht der 55-Jährige für das Bild des modernen Regenten. Der akzeptiert, dass die Bedeutung der Monarchie abnimmt – oder sich zumindest wandelt. Statt antiquierten Hofzeremoniells herrscht im Palast seit seiner Krönung 2013 gerne ein hemdsärmeliger Stil vor, für den Glamour sorgt die Frohnatur Máxima. Während Willem-Alexander seine Macht auf politischer Ebene beschnitt, konzentrierte er sich auf eine neue Rolle: jene als Wirtschaftsgesandter, der weltweit das kleine Land promotet und um Investoren wirbt. So versucht er, der Monarchie auch für die Zukunft Relevanz zu verleihen.
„Sie sind sehr gut in diplomatischen Angelegenheiten“, findet Nicoline, die sich für den Königstag mit Freunden in der Innenstadt Amsterdams verabredet hat. Die 35-jährige Niederländerin zieht eine modernisierte Monarchie als Staatsform jener der Republik vor, wo Staatsoberhäupter kommen und gehen. „Der König öffnet uns auf der ganzen Welt Türen und kurbelt die Wirtschaft an“, lobt auch Alexander Janssens. Der 46-Jährige feiert den Geburtstag des Monarchen nahe der Prinsengracht – traditionell mit viel Dosenbier und einem riesigen Hut in Nationalfarben auf dem Kopf. Janssens ist Anhänger der Royals, die Skandale kümmern ihn kaum. „Sie sind auch nur Menschen“, findet er.
Alle Hoffnungen ruhen nun auf Kronprinzessin Amalia
Die Hauptfunktion der Familie sei es, das Land zusammenzubringen, sagt die Königshaus-Expertin Justine Marcella. Dass nun deren Popularität sinke und manche Beobachter bereits über das baldige Ende des Hauses Oranien-Nassau spekulieren? Marcella winkt ab. „Wir lieben unsere Partys, unsere Farbe Orange, all die Ereignisse, die wie aus dem Märchen scheinen wie royale Hochzeiten oder Geburten“, so Marcella. „Seit 200 Jahren ist das Königshaus Teil unserer Identität und unserer Geschichte.“
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Die Hoffnungen vieler Fans des Königshauses ruhen inzwischen auf Kronprinzessin Amalia, die ist seit dem 7. Dezember 2021 volljährig ist. Die Thronfolgerin scheint ein Händchen dafür zu haben, das Richtige zu sagen und zu tun. In einer Biografie, die anlässlich ihres 18. Geburtstags erschienen ist, gab sie sich besonders offen und ehrlich. Da berichtete Amalia nicht nur von ihrem Talent, Cocktails zu mixen, oder ihrem leidenschaftlichen Hobby, dem Reiten. Sie erzählte auch – äußerst überraschend in royalen Zirkeln – von mentalen Problemen, etwa nach dem Selbstmord ihrer Tante vor wenigen Jahren. Sie suche deswegen regelmäßig einen Therapeuten auf, verriet die Thronfolgerin. Bodenständigkeit und Bescheidenheit statt Prunk und Pomp. Die Botschaft ans Volk? „Wir sind Royals, aber auch Menschen.“