Beim Mailänder Modehaus Versace geht eine Ära zu Ende: Kurz vor ihrem 70. Geburtstag hört Donatella Versace zum Monatsende als Kreativdirektorin auf. Die Tochter einer Schneiderin aus dem süditalienischen Reggio Calabria hatte die anspruchsvolle Aufgabe 1997 übernommen, nachdem der Firmengründer, ihr älterer Bruder Gianni, ermordet worden war. Plötzlich an der Spitze eines Modeimperiums musste Donatella sich durchbeißen und mehrere persönliche und unternehmerische Krisen überwinden.

Als Gianni Versace das Luxus-Modelabel 1978 gründete, diente ihm seine jüngere Schwester, die in Florenz Literaturwissenschaft studiert hatte, zunächst als Muse und Beraterin. Später managte sie Werbekampagnen für Versace und lieferte Entwürfe für die preisgünstigere Untermarke Versus. Von der Leitung eines Modeimperiums, das Stars wie Lady Di, Elizabeth Hurley und Elton John zu seinen Kunden zählte, hatte sie hingegen kaum Ahnung.

Gianni Versace wurde in seiner Luxus-Villa ermordet

Nach Giannis Tod, der in seiner Luxus-Villa in Miami Opfer eines Serienmörders wurde, hatte Donatella Versace allerdings keine Zeit zu trauern und sich in Ruhe auf die Unternehmensführung vorzubereiten. Mit 42 Jahren stand sie vor der Aufgabe, diejenigen zu widerlegen, die glaubten, ohne Gianni könne das Label nicht überleben. Zugleich musste sie als neue Chefdesignerin ihren eigenen Stil finden.

„Ich hatte lange Zeit das Gefühl, dass ich diesen Job wegen einer Tragödie hatte, nicht weil ich ihn verdiente“, sagte die Modemacherin 2008 in einem Interview. „Ich wollte es für Gianni schaffen, weil ihm das Unternehmen so wichtig war, und ich wusste, dass er wollte, dass es fortgeführt wird. Aber ich hatte Angst und kein Selbstvertrauen.“

Donatella hatte mit Unternehmensführung zu kämpfen

Die schmale, kettenrauchende Italienerin, die für ihr platinblondes Haar und ihre Highheels bekannt ist, stürzte deswegen in eine Depression, die Promi-Magazinen ebenso wie Versaces Schönheitsoperationen einigen Stoff bot. Auch mit dem Unternehmen ging es bergab: Die Verkaufszahlen und der Gewinn von Versace gingen bergab.

Nach jahrelangem Kokain-Konsum ließ Versace sich von Freunden wie Elton John 2004 schließlich zu einer Entziehungskur überreden. Im selben Jahr heuerte sie Ex-Fendi-Chef Giancarlo di Risio als CEO für Versace an. Im Zuge von desen Bemühungen, die Kosten zu senken und die Verkaufszahlen und Gewinne zu steigern, fing das Modehaus an, raffiniertere und tragbarere Kleidung anzubieten.

Entwürfe in grellen Farben mit auffälligen Mustern wurden zunehmend durch schlichtere, körperbetonte Mode ersetzt. Versace präsentierte aber auch weiterhin Hingucker wie das extrem tief ausgeschnittene Chiffonkleid mit grasgrünem Dschungelmuster, das Jennifer Lopez 2000 bei der Grammy-Verleihung trug.

Als das Modelabel 2008 unter den Folgen der weltweiten Finanzkrise litt, ersetzte Versace Di Risio durch Gian Giacomo Ferraris. Der neue Unternehmenschef leitete eine Umstrukturierung und Diversifizierung ein, durch die Versace ein Viertel seiner Mitarbeiter verlor, aber 2011 wieder profitabel war.

Versace nutzte Madonna und Prince als Markenbotschafter

Zu Donatella Versaces Verdiensten um das Unternehmen zählen ihr Blick für neue Talente und ihre Fähigkeit, mit Hollywood-Stars und anderen Promis in Kontakt zu kommen. Sie verstand früh die Bedeutung guter Modefotografen und in den 90er Jahren aufkommender Supermodels wie Claudia Schiffer und Cindy Crawford. Und sie war eine der ersten, die Stars wie Madonna und Prince als eine Art Markenbotschafter nutzten.

Schöne Menschen umgaben Versace auch privat. 1983 heiratete sie das Model Paul Beck, mit ihm bekam sie zwei Kinder: Allegra und Daniel. Die Ehe wurde später geschieden.

Modeunternehmen blieb lange im Familienbesitz

Einige Jahrzehnte lang schaffte Donatella Versace es, das Modeunternehmen in Familienbesitz zu halten. Nach Giannis Tod hatte sie davon 20 Prozent geerbt, ihr älterer Bruder Santo 30 Prozent und ihre Tochter Allegra 50 Prozent. 2014 erwarb allerdings die Beteiligungsgesellschaft Blackstone einen Unternehmensanteil von 20 Prozent.

Vier Jahre später kaufte die Michael Kors Holding, die später in Capri Holding umbenannt wurde, das gesamte Unternehmen für 1,83 Milliarden Euro. Donatella Versace blieb jedoch Kreativdirektorin - bis jetzt.

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Jan Gebauer

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Künftig soll sie dem Unternehmen als Chef-Markenbotschafterin und als Leiterin der Wohltätigkeitsprojekte von Versace erhalten bleiben. Derweil gibt es Berichte, dass derzeit über einen Verkauf von Versace an das italiensche Modeunternehmen Prada verhandelt wird.

Die Modemacherin macht sich keine Sorgen um die Zukunft ihres Unternehmens, wie sie der französischen Zeitung „Libération“ sagte: „Versace bleibt immer Versace: glamourös, sexy, schicker Luxus.“ (afp)