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VogelsangAls „Adolf-Hitler-Schule“ genutzt – Die Geschichte der einstigen NS-Ordensburg

Lesezeit 5 Minuten
Die Luftaufnahme zeigt den Bereich des Adlerhofs in Vogelsang bis hinunter zum Ueftsee.

Mit dem Bau 1934 begann die wechselvolle Geschichte Vogelsangs.

Mit dem Abzug der belgischen Streitkräfte aus Vogelsang begann mit der Konversion der Anlage die Arbeit an einem der größten und teuersten Projekte der vergangenen Jahrzehnte im Kreis Euskirchen. Oft prallten unterschiedliche Ansichten aufeinander, viele Pläne wurden hitzig diskutiert, um die Kosten entbrannte mehrfach heftiger Streit. 2016 wurde das Forum eröffnet. Eine Rückschau:

1934

Nach Plänen des Architekten Clemens Klotz wird Vogelsang als Schulungsstätte für künftige NSDAP-Kader von den Nationalsozialisten gebaut und ist bis 1939 in Betrieb. Bis 1944 wird sie unter anderem als „Adolf-Hitler-Schule“ genutzt.

1946

Die britische Besatzungsmacht richtet einen Truppenübungsplatz ein. Die Bewohner des Dorfes Wollseifen werden aus ihrer Heimat vertrieben. Heute stehen im einstigen Dorf noch die Kirche und die Schule, wo mit einer Ausstellung an das Leben in Wollseifen erinnert wird.

1950

Die Belgischen Streitkräfte übernehmen das Areal, das fortan „Camp Vogelsang“ heißt und für zahlreiche Nato-Übungen genutzt wird. Sie bauen eigene Gebäude, unter anderem das Kino und die Truppenunterkunft „van Dooren“.

2001

Am 30. März gibt das belgische Verteidigungsministerium den Abzug aller Truppen aus Deutschland bekannt. Es beginnt ein Prozess, in dem über Ideen und Ziele zur zivilen Nutzung Vogelsangs nachgedacht, debattiert und gestritten wird.

2002

In der Eifel wird die Idee zur Einrichtung eines Nationalparks konkret, der Konversionsprozess für das 4500 Hektar große Vogelsang-Areal wird eingeleitet. Im März wird der Förderverein Nationalpark gegründet.

Im April findet eine erste Konversionskonferenz mit 80 Teilnehmern unterschiedlichster Institutionen statt. Im Mai kommen zum letzten Tag der offenen Tür der Militärs im Camp 20000 Besucher.

2004

Am 1. Januar tritt die Nationalparkverordnung in Kraft, das Schutzgebiet ist seitdem offiziell eingerichtet.

2005

Im Dezember übergeben die belgischen Militärs, von der Öffentlichkeit unbeachtet, die Vogelsang-Schlüssel. Das Münchener Büro Müller-Rieger stellt sein Konzept für die Dachmarke Vogelsang vor. Das Gelb als Grundfarbe und der Zusatz „ip“ (internationaler Platz) sind inzwischen etabliert, Ideen wie eine „Schwimmbar“ im Hallenbad und der „Eifelturm“-Schriftzug am Turm spielen schnell keine Rolle mehr.

2006

Am 1. Januar hebt sich der Schlagbaum, Vogelsang ist wieder „zivil“. Im Sommer wird der Schwimm- und Sportverein gegründet, der sich für den Erhalt des Schwimmbads einsetzt. 2009 wird das Bad wiedereröffnet, der Verein – inzwischen rund 2000 Mitglieder stark – betreibt es ehrenamtlich.

2007

Mit der Zweiten Leitentscheidung der Landesregierung ist die zivile Zukunft Vogelsangs und die Umgestaltung des Areals in trockenen Tüchern. Damals ist noch von einem 27-Millionen-Euro-Paket die Rede – und von einer Eröffnung im Jahr 2010.

2008

Eingebettet in die EuRegionale schreibt der Kreis Euskirchen einen mit 15000 Euro dotierten Architektenwettbewerb zum Umbau des Forums aus. Das Rennen machen zwei Berliner Büros. Markant ist der transparente Eingangspavillon am Adlerhof.

2009

Von der ab Gemünd am See entlang führenden K7 aus wird die Brücke über den Urftsee gebaut, der Weg führt von dort steil hinauf nach Vogelsang. Die Brücke wird nach Victor Neels benannt, jenem Kommandanten der belgischen Streitkräfte in Vogelsang, der sich so erfolgreich für den Dialog mit den Eifelern eingesetzt hat.

Mit der Einrichtung des Jugend-, Natur- und Umweltbildungshauses im „Transit 59“ beginnt im Juli das große Engagement des DRK in Vogelsang.

Es folgen das Rotkreuz-Museum im Kameradschaftshaus 10 (2011), das NBC-Trainingshaus als Unterkunft für Ortsverein, Bereitschaft und Bergwacht sowie die Rotkreuz-Akademie Vogelsang (2014/16) und das „Fluchthaus“ (2016).

Im Kameradschaftshaus 7 entsteht das Haus „Nordrhein“ mit Landesarchiv und einer Ausstellung zur 150-jährigen Geschichte des Roten Kreuzes im Rheinland.

2010

Für 20 Millionen Euro soll in der großen, von den Belgiern gebauten Truppenunterkunft „van Dooren“ ein Krimiresort entstehen.

An diesen Plänen wird massive Kritik laut: Ein solches Konzept sei undenkbar für einen Ort wie Vogelsang. Der Plan verschwindet später in der Versenkung.

2011

Im und am von den Militärs gebauten Kino wird ein Übergangs-Besucherzentrum eingerichtet.

Die Pläne für die etwa 15 Millionen Euro teure Jugendbegegnungsstätte mit 200-Betten-Jugendherberge müssen verworfen werden, um die 50-Millionen-Euro-Grenze für das Gesamtprojekt nicht zu überschreiten.

Damit wäre Vogelsang ein EU-Großprojekt geworden, was wegen neu zu fassender Anträge alle Arbeiten rund ein Jahr hätte ruhen lassen.

2012

Im Mai beginnen die Umbauarbeiten zum Ausstellungs- und Besucherzentrum, die Eröffnung des Forums ist für 2014 geplant, die Kosten sind mit 35 Millionen Euro veranschlagt.

Das Konzept und der Titel „Bestimmung: Herrenmensch“ der NS-Dokumentation werden bekanntgegeben.

2013

Die „Baustelle der Überraschungen“: Während der Arbeiten entpuppt sich die alte Substanz an einigen Stellen als unerwartet sanierungsbedürftig. Decken und Stützen müssen erneuert werden, die Dachstühle sind teils marode.

Als Eröffnungstermin wird das Frühjahr 2015 anvisiert. Der wird sich als genauso unhaltbar erweisen wie der Kostenrahmen.

2014

Am Forum wird Richtfest gefeiert. Aus Kostengründen werden die Neugestaltung der Parkplätze und der Bau eines Fahrstuhls im Turm nicht realisiert. Von 3,4 Millionen Euro Mehrkosten ist die Rede.

2015

Die Mehrkosten führen zu heftigen Debatten in der Region. Im November gibt die Vogelsang-ip-Geschäftsführung einen Kostenrahmen von 43,2 Millionen Euro an. Das Forum-Projekt wird über 8 Millionen Euro teurer als geplant. Da das Land nicht mehr Geld gibt, muss dies über Kredite finanziert werden. Auch der neu geplante Eröffnungstermin im Dezember lässt sich nicht halten.

2016

Im Februar eröffnet das Gästehaus von Heidrun und Erich Müllenborn mit 35 Betten im Kameradschaftshaus 13. Das Haus 6 nutzt die Nationalparkseelsorge als Begegnungsstätte, auch eine Biologin ist eingezogen. Ein weiteres Kameradschaftshaus nutzt der Nabu als Naturschutzhaus.

Am 11. September wird das Forum eröffnet. Der Kostenrahmen wird nun mit 45,1 Millionen Euro angegeben. Je nach Rechnung ist das sechs Jahre später und 18 Millionen teurer oder zwei Jahre später und zehn Millionen mehr als geplant. Markant ist der gläserne Kubus, durch den die Gäste zunächst das Besucherzentrum und von dort aus die NS-Dokumentation „Bestimmung: Herrenmensch“ und das Nationalpark-Zentrum mit der Ausstellung „Wildnis(t)räume“ erreichen.