Der Karnevalstanz ist bereits bei den Jüngsten harter Sport. Die Belohnung sind umjubelte Auftritte auf den größten Bühnen der Stadt. Nur eines fehlt fast überall: die Jungs.
Karneval in KölnKölner Tanz-Nachwuchs lebt den Traum von der großen Bühne
Nachwuchsprobleme? Die gibt es woanders, aber nicht bei den Tanzgruppen für Kinder und Jugendliche im Kölner Karneval. Die meisten von ihnen sind randvoll. Vor allem viele Mädchen wollen während der Session auf den Bühnen der Stadt stehen. Das ganze Jahr trainieren die jecken Pänz für ihr Ziel, die perfekte Choreografie zu präsentieren. Was steckt hinter den ausgeklügelten Auftritten und was fasziniert die Nachwuchstalente an ihrer Leidenschaft?
Schon die Jüngsten zieht es auf die Karnevalsbühne: Bereits ab drei Jahren können Kinder unter anderem bei den Flöhchen der Große Allgemeine KG von 1900 mittanzen. Meistens liegt die untere Altersgrenze aber bei sechs bis acht Jahren. Die ältesten Pänz sind 17 oder 18 Jahre alt - oft geht es danach nahtlos in die Tanzgruppe der Großen über. Die Lust auf Karnevalstanz scheint erblich zu sein: „Wir haben teils Familien, die drei Kinder in der Gruppe haben“, erklärt Simon Seidel, erster Vorsitzender der Höppemötzjer. „Wenn die jüngeren Kinder das Älteste tanzen sehen, wollen sie meistens auch mitmachen.“
Spagat, Räder schlagen, teils sogar Hebefiguren: Karnevalstanz ist anspruchsvoller Sport - und das nicht nur bei den Großen. „Nach zwei Stunden Training sind die Kinder fix und fertig“, sagt Seidel. Manche Gruppen trainieren einmal, andere zweimal die Woche.
Was in so gut wie allen Tanzgruppen fehlt: die Jungs
Monatelange Vorbereitung und zahlreiche Auftritte schweißen die Gruppen eng zusammen. „Unter diesen Umständen ist es einfach, neue Freundschaften zu knüpfen“, erklärt der Leiter der Jugendtanzgruppe Kammerkätzchen, Holger Schumburg. „Bei uns ist es sehr familiär, auch unter den Kindern. Da beschäftigen sich die 18-Jährigen auch mit den Achtjährigen.“
Aber nicht für alle wird der Traum von der Karnevalsbühne wahr. Die rund 30 Plätze pro Gruppe sind begehrt: „Wir mussten letztes Jahr das Probetraining stoppen, weil wir so viele Kinder gar nicht hätten aufnehmen können“, erklärt Olaf Zimmermann, der die Nachwuchsgruppe von Kölsch Hännes’chen leitet. „In diesem Jahr wird es nicht besser sein. Uns verlassen nur vier Kinder und wir haben jetzt schon viel mehr Anfragen.“
Jungs gibt es jedoch in allen Jugendgruppen zu wenig. Dass der Nachwuchs an dieser Stelle fehlt, kann vor allem im Übergang zu den Tanzgruppen der Großen problematisch werden. Hier haben die jungen Männer wortwörtlich eine tragende Rolle.
Rund 35 Auftritte in einer Session für die Höppemötzjer
Die Pänz, die es in die Gruppen schaffen, stehen teils auf den bekanntesten Bühnen Kölns, wie in der Lanxess-Arena, im Tanzbrunnen oder in den Sartory-Sälen. Während der Session haben die Nachwuchsprofis dutzende Auftritte. Bei den Höppemötzjer waren es in der vergangenen Session rund 35. Vor allem an den Karnevalstagen ist der Terminkalender voll, da haben die Kinder oft mehrere Auftritte am Tag. „An Weiberfastnacht können es auch schon mal fünf werden“, sagt Seidel.
Was für andere schlicht nach großer Anstrengung klingt, ist für die Kinder eine Belohnung für ihre harte Arbeit. Christine Flock, Vizepräsidentin des Festkomitees Kölner Karneval und zuständig für den Kinder- und Jugendkarneval, hat unter den jecken Pänz vor allem von einer Motivation gehört: „Die Freude, die sie anderen Menschen mit ihren Auftritten breiten.“
Vier bis fünf Choreografien muss sich der Tanznachwuchs pro Session merken. „Ich habe einen riesigen Respekt davor, wie gut die Kinder das hinkriegen“, lobt Schumburg. „Das ist sehr faszinierend. Auch wie die Acht- oder Neunjährigen das schaffen.“ Hier sind schon die jüngsten takt- und textsicher.
Die Karnevalsmusik ist nicht nur Grundlage der Tänze, sondern auch ein wichtiger Spaßfaktor für die Kinder. „Kölsch Hännes’chen“ nutzt hauptsächlich traditionelle Lieder, auch die kommen gut an: „Es sind Lieder dabei, die lange bevor die Kinder geboren wurden rauskamen. Trotzdem singen sie jedes Mal voller Inbrunst mit“, freut sich Zimmermann.
Die große Frage um die Hebefiguren
An einer Frage scheiden sich in der Welt der Kindertanzgruppen die Geister: Hebefiguren, ja oder nein? Bei manchen besteht Sorge darüber, wie sich die Turneinlagen auf noch nicht ausgewachsene Knochen auswirken. Manche Gruppen entscheiden sich deshalb dagegen. Bei den Kammerkätzchen gehören Hebefiguren seit jeher zum Programm: „Ein Zehn- oder Zwölfjähriger hebt bei uns natürlich nicht. Wir fangen damit ungefähr ab 16 an“, erklärt Schumburg. „Dann kommt es auch immer auf die Statur des Jungen an und wir gestalten die Figuren so rückenschonend wie möglich.“
Im Karnevalsverein zu tanzen, scheint mehr zu sein, als ein einfaches Hobby. Was heißt das für die Eltern der Pänz? Der Traum, als Tänzerin durch die Luft zu fliegen, ist oft nicht annähernd so teuer wie Ballett- oder andere Tanzkurse. Die können schon mal an die 720 Euro im Jahr kosten. Bei „Kölsch Hännes’chen“ zahlen Kinder und Jugendliche einen Jahresbeitrag von 80 Euro. Hinzu kommt eine Kaution für das Bühnenkostüm. Bei den „Höppemötzjer“ ist das ähnlich: „Wir wollen möglichst vielen Kindern ermöglichen, am Karneval teilzunehmen“, betont Seidel.
Für Eltern ist es mit dem bezahlten Jahresbeitrag aber nicht ganz vorbei. Teilweise sollten sie auch bereit sein, Zeit zu investieren. Schließlich müssen die Pänz nicht nur zum Training, sondern auch zu ihren Auftritten kommen - selbst wenn an den Karnevalstagen Ausnahmezustand in der Stadt herrscht. „Die Eltern sind natürlich das Taxiunternehmen der Kinder“, sagt Schumburg schmunzelnd. „Ihr Einsatz ist für die Gruppen generell sehr wichtig. Ohne sie würde das Ganze nicht funktionieren.“
Kölner Kinder- und Jugendtanzgruppen
31 Kinder- und Jugendtanzgruppen, die dem Festkomitee angeschlossen sind, gibt es in Köln. Das sind insgesamt rund 1100 Pänz. Hinzu kommen zahlreiche kleinere Gruppen.