Seit Jahren steigt der Zulauf an den Tafelausgabestellen in Köln. Ein Ehrenamtler in Ehrenfeld berichtet von der aktuellen Situation.
„Es wird noch schlimmer“Tafeln in Kölner Veedeln kommen an ihre Grenzen
Jeder vierte Haushalt in Köln ist armutsgefährdet. Das ergab eine kürzlich veröffentlichte Studie der Stadt Köln. Die ansteigenden Preise durch die Inflation erschweren Haushalten zunehmend, alltägliche Ausgaben wie für Lebensmittel zu decken. So spiegelt es sich an den Ausgabestellen der Tafeln wie in Ehrenfeld wider. „Es werden immer mehr Leute, dadurch, dass die Lebensmittelpreise angestiegen sind“, sagt Michael Distelrath vom Bürgerzentrum Ehrenfeld.
Seit 14 Jahren organisiert er ehrenamtlich die Ausgabestellen am Bürgerzentrum Ehrenfeld und an der Auferstehungskirche Bocklemünd-Mengenich mit jeweils einer Kollegin. Es gebe eine Welle an Bedürftigen seit dem Krieg. Darunter seien Einzelpersonen wie Familien, junge wie pensionierte Menschen, erzählt er. Doch die Ausgabestellen in vielen Veedeln kommen an ihre Grenzen: „Die meisten haben Annahmestopps verhängt“, sagt er. Das sei zwar nichts Neues, doch es komme immer häufiger vor.
Ehrenfelder Tafelausgabe strukturiert sich um
Die Ausgabestelle am Bürgerzentrum Ehrenfeld strukturiert sich derzeit um. Bisher kamen rund 80 Familien einmal die Woche. Nun kann das neue Team rund 160 Familien im zweiwöchigen Rhythmus unterstützen. „Mehr geben die Räumlichkeiten nicht her“, so Distelrath.
„Innerhalb von zwei Tagen hatten wir 120 Anmeldungen“, sagt er. „Ich fürchte, es wird noch schlimmer.“ Menschen abzulehnen, sei für ihn eine Herausforderung. „Man muss die Kraft haben, zu sagen, dass es nicht geht. Die Menschen, die sagen, sie können sich das nicht leisten, ohne Lebensmittel nach Hause zu schicken“, sagt Distelrath.
Ein Drittel der Kölner Ausgabestellen haben Aufnahmestopps
Die Situation sei in den Veedeln unterschiedlich, so Geschäftsführerin Karin Fürhaupter der Tafel Köln. Sie beliefern fast 120 Ausgabestellen in den Veedeln. Bei 39 davon sei keine Neuaufnahme mehr möglich. So ist es auf der Webseite gelistet. Darunter Nippes, Braunsfeld und Mülheim. In einigen Stadtteilen wie Neuehrenfeld oder Kalk gebe es noch Kapazitäten.
„Wir versuchen immer dem Bedarf gerecht zu werden. Von unserer Seite sind die Ausgabestellen trotz Zulauf und vermehrter Nachfrage gut mit Lebensmitteln unterstützt“, so Fürhaupter. „Es ist sehr selten, dass Menschen abgewiesen werden. Es bleibt immer noch was übrig und die Ausgabestellen sind sehr flexibel.“ Die Aufnahmestopps gebe es deshalb, weil die Kapazitäten fehlten, die Lebensmittel zu verteilen – auch von den Räumlichkeiten her.
Die Tafel Köln schafft weitere Ausgabestellen: „Wir haben versucht in den letzten Jahren, dort, wo es weiße Punkte gibt, Partner zu finden“, sagt Fürhaupter. So eröffnete im letzten Jahr eine neue Ausgabestelle in Raderthal.
Doch sie stehen auch vor Herausforderungen: „Unsere Situation ist sehr wechselhaft, bei einzelnen Spendern“, sagt sie. Sie würden besser kalkulieren, was die Situation für die Tafel schwieriger mache. „Wir sind an einem organisatorischen Limit mit 16 Fahrzeugen auf dem Hof. Die Logistik ist nicht ganz ohne“, so Fürhaupter.
Nicht nur Lebensmittel benötigen die Menschen
Ähnlich sieht die Situation in ganz Nordrhein-Westfalen aus. Rund ein Drittel der 175 Tafeln hätten Aufnahmestopps eingeführt, so die Vize-Landesvorsitzende des Tafel-Landesverbandes Petra Jung im letzten Jahr. Im Mai verkündete das NRW-Sozialministerium, die Tafeln mit rund 1,4 Millionen Euro zu unterstützen. Jede Tafel in NRW werde eine Grundförderung von je 6000 Euro erhalten. Die Unterstützung sei für Betriebsausgaben oder sparsamere Kühlgeräte.
Michael Distelrath zieht den Staat in die Verantwortung. „Wir sind der Notstöpsel“, sagt er. Das Problem können wir nicht lösen, nur die Menschen unterstützen. Es sei eine staatliche Aufgabe. „Die Menschen brauchen nicht nur Essen“, sagt er. „Was ich mir für die Ausgabestellen wünsche, dass externe Spenden hereinkommen.“ Darunter fallen Hygieneartikel wie Rasierer oder Binden, die sie in größeren Mengen bräuchten.
Die Sozialkoordinatorin des Bürgerzentrums Esther Schurna leitet mit Distelrath die Ausgabestelle und betont auch den sozialen Aspekt. „Seit vielen Jahren sehen wir, dass sich immer mehr Menschen soziale Teilhabe nicht leisten können“, so Schurna. Bei den Ausgaben zeige sich das Bedürfnis: „Es ist auch ein wichtiges soziales Ereignis“, sagt sie.
Die Menschen kämen zusammen, würden sich unterhalten und Zeit miteinander verbringen. „Das ist die schöne Seite“, ergänzt Distelrath. Auch ehrenamtliche Helfende fanden sie in Ehrenfeld schnell. Das Team aus zwölf Personen ist bunt gemischt und mehrsprachig. Die Jüngste im Team ist 17 Jahre alt, die ältesten sind über 70 Jahre.