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Vor CoronaAls ein Virus die Telekom Baskets schon einmal stoppte

Lesezeit 4 Minuten
Baskets Vizemeisterfeier 1999 Münsterplatz

An die 7500  Fans waren  bei der Vizemeister-Feier am 14. Mai 1999 auf den Bonner Münsterplatz außer Rand und Band und sorgten für drangvolle Enge. 

  1. Die Saison 1998/99 ging unter dem Namen „Vom Virus zum Vize“ in die Vereinsgeschichte ein.

Bonn – Neuzugang Hurl Beechum, ein eher schmächtiger Flügelspieler aus den USA, lag kurz nach dem Start der Saisonvorbereitung im August 1998 mit hohem Fieber im Bett. Weitere Spieler folgten. Schnell war die Diagnose gestellt: Ein Virus namens „Epstein Barr“ hatte die Baskets-Profis flachgelegt. Ein Virus, das Pfeiffersches Drüsenfieber auslösen – und für Profisportler eine Trainingspause von drei bis vier Wochen oder sogar bis zu sechs Monaten nach sich ziehen kann.

Trainer Bruno Socé, eh kein Leisetreter seiner Zunft, haderte oft lautstark mit der Situation, hatte an manchen Tagen nur zwei oder drei Profis beim Training, bezweifelte schon mal die Diagnose. Erste Vorstöße der Baskets bei der Liga-Leitung, Bonns erste Saisonspiele abzusagen, stießen bei einigen Konkurrenten auf Widerstand, die damit argumentierten, wenn sie vier oder fünf verletzte Spieler hätten, würde auch kein Spiel abgesagt.

Hurl Beechum nach seinen zwölf Dreiern gegen Trier im Oktober 1998 (auf den Schultern von Physiotherapeut Engelbert Hoischen).Beechum hatte im August das Virus eingeschleppt.

Die ersten vier Spieltage gehen ohne Baskets über die Bühne

So musste das Bonner Gesundheitsamt ran und die Befunde offiziell bestätigen. Fazit: Anfang September startete die Liga ohne die Baskets, die die ersten vier Spieltage in der Zuschauerrolle blieben – und versuchten, ihre Spieler fit zu bekommen.

Diese Story rückte in ungekannter Weise in den Mittelpunkt eines bundesweiten medialen Interesses. Fast täglich drückten sich Fernsehteams in der Praxis von Dr. Peter Martin Klassen, dem Internisten der Baskets, die Türklinke in die Hand, um Aufnahmen zu machen, wenn einem der Baskets-Riesen Blut abgezapft wurde. So schafften es solche TV-Berichte auch in die Sportschau oder das Mittagsmagazin von ARD oder ZDF – ohne dass die Baskets nur einen Korb erzielt hätten.

Erst am fünften Spieltag – die Bonner lagen mit immer noch 0:0-Punkten auf dem vorletzten Tabellenplatz – folgte endlich der Saisoneinstieg. Obwohl zwei Spieler auch jetzt noch fehlten, überrannte eine entfesselt auftrumpfende Socé-Truppe die Gäste aus Bayreuth mit 88:59: „Meine Spieler hatten nicht mit solch einer Aggressivität der Baskets gerechnet“, gab der beeindruckte Gästecoach Georg Kämpf zu Protokoll.

Beechums Dreier-Rekorde für die Ewigkeit

Diese Premiere sollte schon ein Fingerzeig auf das Leistungspotenzial der „Virus-Truppe“ gewesen sein: Die Baskets nahmen schnell Fahrt auf, rollten das Feld in der Tabelle von hinten auf. Ausgerechnet der vom Virus genesene Beechum setzte neue Maßstäbe: Am 24. Oktober 1998 traf er beim 102:93-Erfolg über Trier traumwandlerisch sicher Dreier auf Dreier, am Ende hatte er zwölf Fernschüsse ins Ziel gebracht – eine bis heute nie übertroffene Liga-Bestmarke für ein Spiel. Ein „Rekord für die Ewigkeit“ sind bislang auch seine 161 Dreier für die gesamte Spielzeit. Zum Vergleich: Vergangene Saison traf Vechtas Austin Hollins die meisten Schüsse von draußen – mit „nur“ 122 Dreiern.

Mit diesen Spektakeln entfachte die Magenta-Truppe eine kaum noch zu steigernde Fan-Begeisterung. Am vorletzten Spieltag im März 1999 begleiteten 1300 Bonner das Team in einem Sonderzug nach Berlin zum Spitzenspiel des Tabellenersten gegen den Zweiten – eigentlich „nur“ ein normales Hauptrundenspiel. Aber was war schon „normal“ in diesem denkwürdigen Jahr?

Videokassette

Die Baskets hatten 1999 diesen märchenhaften Saisonverlauf auf einer VHS-Kassette festgehalten, die unter Fans inzwischen als Rarität gilt. Es gibt das knapp 21 Minuten lange Filmchen aber mittlerweile auch in moderner und digitaler Verpackung: auf Youtube. MK/Foto: MK

Auch weil Bonns Spielmacher Derrick Phelps verletzt fehlte, gab es zwar eine 63:85-Klatsche gegen die Albatrosse – aber beide Teams sollten sich noch fünfmal wiedersehen in dieser Saison. Denn die Play-offs steigerten den Enthusiasmus weiter.

Nach dem glatten 3:0 über Ulm im Viertelfinale folgten mitreißende Halbfinal-Derbys gegen den Nachbarn Rhöndorf. In Spiel vier in Rhöndorf bei einer 2:1-Führung für Bonn machte erneut Beechum den Unterschied. Der „Gunman aus Iowa“ verpasste seinen eigenen Dreier-Rekord mit elf Distanztreffern nur ganz knapp – Bonn beendete mit einem 95:88-Triumph am Menzenberg die großen Ambitionen der Dragons.

Sonderzüge und rauschende Vizemeister-Feier

Es sollte die letzte Erstligapartie der Rhöndorfer gewesen sein: Der umtriebige Mäzen Franz-Ludwig Solzbacher transferierte die Bundesligalizenz an den Main, das Ende für die Dragons war gleichzeitig die Geburtsstunde der Frankfurt Skyliners.

Konnte es für die Baskets eine Steigerung geben? Es gab sie. In der Endspielserie gegen ALBA Berlin forderten sie dem Favoriten alles ab, zwangen ihn in ein fünftes Finale. Wieder in Berlin. Erneut ein Sonderzug. Dazu eine Karawane von 23 Stadtwerke-Bussen, 5000 Fans vor einer Leinwand auf dem Bonner Marktplatz – der Baskets-Hype erreichte seinen Höhepunkt.

Baskets Sonderzug 130399 Berlin    Hauptrundenspiel

Ankunft des Sonderzuges aus Bonn am 13. März 1999 in Berlin: Mehrfach kam es am Ende der Saison 98/99  in der Hauptstadt zu einer regelrechten Invasion von Baskets-Fans zu  Spielen gegen ALBA Berlin. 

Dass es wie zwei Jahre zuvor nach einer 68:91-Schlappe nicht zum Titel reichte, war schnell verdrängt. Denn zwei Tage später feierten 7500 Bonner auf dem Münsterplatz unter dem Motto „Vom Virus zum Vize“ ausgelassen den erneuten zweiten Platz mit einer rauschenden Feier und Feuerwerk.

Längst vergessen war da, dass acht Monate zuvor ein winziger Erreger namens Epstein Barr im Lager der Telekom Baskets für einen Schock gesorgt hatte, der die Erfolgsaussichten für die gesamte Saison zu bedrohen schien.