Die Berlinerin Jana Pietack geht erst in die zweite Klasse, ist aber schon weltweit Beste im Schlauchbootslalom.
Kuriose SportartSiebenjährige Berlinerin ist Schlauchboot-Weltmeisterin
Der 6-PS-Motor brummt, mit ihrem Schlauchboot jagt die kleine Jana Pietack über die Havel. Gut ein Dutzend Bojen, so groß wie Wasserbälle, schwimmen auf dem Übungsparcours in Berlin-Gatow. Jeweils zwei Bojen bilden Tore, die Jana umfahren und zum Teil auch durchfahren muss. „Dabei muss sie möglichst schnell sein und darf die Bojen nicht berühren, sie braucht also fahrerisches Geschick und Feingefühl“, erklärt Vater Sven Pietack, der seine Tochter von einem Steg aus beobachtet. Nach etwa 90 Sekunden hat sie den Parcours durchfahren.
Es ist eines der letzten Trainings vor der Deutschen Jugendmeisterschaft am kommenden Wochenende auf der Regattastrecke Beetzsee in Brandenburg/Havel. Die Zweitklässlerin will auch dort einen Titel holen. Nach der Weltmeisterschaft im Sommer in Lettland wurde sie in dieser Saison auch Berliner Meisterin. „Und ich will wieder gewinnen“, sagt die selbstbewusste Schülerin aus Neukölln mit Blick auf die Deutsche Meisterschaft.
„Man braucht nur Hände und Augen“
Es ist erst ihre zweite Saison: Im vergangenen Jahr hat sie mit dem Sport begonnen. „Ich wollte ihn probieren, weil mein Bruder Paul auch Schlauchboot fährt“, erzählt das sportliche Mädchen, das in seiner Freizeit auch noch Feldhockey spielt und schwimmt. „Das Tolle am Schlauchbootfahren ist, dass man nur seine Hände und Augen braucht. Es ist nicht so anstrengend und es macht Spaß, wenn ich so richtig Gas geben kann“, sagt Jana. Etwa 25 km/h schafft der Viertakter. Bei internationalen Meisterschaften fahren die Kinder mit 9,9-PS-Motoren und kommen auf etwa 30 km/h.
Allein ist Jana bei keiner Fahrt, auch, wenn es so scheint. Immer liegt eine Begleitperson vorn im Boot, die sogenannte Kielmaus. Diesmal ist es ein 20-Jähriger aus Janas Trainingsgruppe. „Er sorgt mit seinem Gewicht dafür, dass der Kiel im Wasser bleibt und das Boot vorn nicht in die Luft ragt“, sagt Sven Pietack. Außerdem habe der versteckte Beifahrer einen Faden in der Hand, mit dem er im Notfall den Motor sofort ausschalten kann. Doch das sei noch nie nötig gewesen.
Nischensport mit kleinen Teilnehmerfeldern
Schlauchbootslalom ist eine absolute Randsportart: „In Berlin gibt es nur etwa 45 Fahrer im Alter von 6 bis 27 Jahren, die in acht Vereinen trainieren. Viele Menschen kennen den Sport überhaupt nicht“, sagt Landesjugendleiterin Nadine Berger. Um den Sport in Berlin bekannter zu machen, soll es im kommenden Frühjahr voraussichtlich an einem Wochenende ein Schnuppertraining geben, sagt sie. Auch das Teilnehmerfeld bei der Weltmeisterschaft war überschaubar: Jana trat gegen Kinder aus fünf anderen Ländern an. Das Mädchen sieht es positiv: „Das Schöne ist, dass es dann aber auch leichter ist, zu gewinnen“.
Der Sport sei fast in allen Bundesländern präsent, sagt Oliver Villás vom Deutschen Motoryachtverband (DMYV): Zu den Bundesländern mit den meisten Sportlern gehören demnach neben Berlin auch Brandenburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. „Zur Deutschen Jugendmeisterschaft 2024 haben wir 150 Piloten und Pilotinnen aus elf Bundesländern“. Um den Sport auszuüben und an Wettkämpfen teilzunehmen, benötige man eine DMYV-Jugendfahrerlizenz. Insgesamt seien etwa 500 Lizenznehmer registriert, wobei nicht alle aktiv seien.
Laut Sven Pietack, der selbst einst aktiver Fahrer war, dauert es etwa zwei bis drei Wochen, bis die Kinder ihr Boot so weit beherrschen, dass sie auch im Wettkampfmodus fahren können. „Bei Jana war die größte Herausforderung, dass sie im Trainingslager nur eine Woche Zeit hatte, das Fahren mit einem Boot der internationalen Wettkampfklasse „Dolphin“ zu erlernen“, sagt Nadine Berger. Die kleine Fahrerin habe sich nämlich erst kurz zuvor für den Kader qualifiziert. Doch diese Herausforderung habe sie gemeistert.
Den Veranstaltern zufolge ist die Meisterschaft auf dem Beetzsee für alle, die Interesse und Spaß am Wassersport haben, eine gute Möglichkeit, einen Eindruck vom Schlauchbootsport zu bekommen. „Kinder und Jugendliche, die vielleicht selbst Interesse haben, einmal die Pinne oder das Steuer eines motorisierten Schlauchbootes in die Hand zu nehmen, sind herzlich willkommen und haben die Gelegenheit, den zahlreichen ehrenamtlichen Helfern Löcher in den Bauch zu fragen und die Rennen live zu verfolgen“, so die Veranstalter. (dpa)