AboAbonnieren

OlympiaNur ein kleiner Patzer: Walijewa zerbricht nicht am Dopingverdacht

Lesezeit 3 Minuten
Walijewa Kurzprogramm

Kamila Walijewa

Peking – Nach ihrem Weltklasse-Kurzprogramm blickte Kamila Walijewa hilfesuchend zur Hallendecke, ihre Tränen hatte die unter Dopingverdacht stehende Russin längst nicht so gut im Griff wie ihre Eislauf-Kunst. Das erst 15 Jahre alte Jahrhundert-Talent, das nach einem aufsehenerregenden Urteilsspruch nur unter Vorbehalt startet, hielt dem immensen öffentlichen Druck stand und beendete das Kurzprogramm im Einzelwettbewerb auf Rang eins.

Trotz eines leicht überdrehten dreifachen Axels geriet die Führung der Europameisterin, die in den vergangenen Tagen die olympischen Schlagzeilen beherrschte, nicht in Gefahr. Mit 82,16 Punkten blieb die Moskauerin allerdings unter ihrem persönlichen Saisonbestwert (90,45). Ihr am nächsten kam Teamkollegin Anna Scherbakowa (80,20). Rang drei im Zwischenklassement ging an die Japanerin Kaori Sakamoto (79,84).Ungeachtet der juristischen Auseinandersetzungen um ihren Start wurde Walijewa mit freundlichem Beifall begrüßt. In ihrem fliederfarbenen Kleid glitt sie in ihrer unnachahmlichen Art über das Eis. Die Kombination aus dreifachem Lutz und dreifachem Flip war perfekt.

Nicole Schott mit persönlicher Saisonbestleistung

Mit einer persönlichen Saisonbestleistung erreichte Nicole Schott mühelos das Kürfinale. Angefeuert von rund 20 Mitgliedern des Team Deutschland kam die sechsmalige deutsche Meisterin aus Essen zu Tangoklängen auf 63,13 Punkte und Rang 14.

Die 25 Jahre alte Sportsoldatin war mit ihrem Auftritt sehr zufrieden: „Ich war zwar aufgeregter als sonst, aber zwei saubere Kurzprogramme bei Olympia sind ein tolles Gefühl.“ Schott, die zu Saisonbeginn mit einer Gürtelrose zu kämpfen hatte, war schon beim Mannschafts-Wettbewerb bei ihrer Kurzkür nahezu fehlerfrei geblieben.

Bereits am Morgen hatte sich der Fall des Eiskunstlauf-Wunderkindes Walijewa weiter zugespitzt. Details der CAS-Anhörung kamen ans Licht, das IOC betrieb verzweifelt Krisenkommunikation und kann den Schatten über seinem Premiumprodukt doch nicht vertreiben.Der 74-jährige Schweizer Denis Oswald war von den Eigentümern der Spiele auserkoren worden, auf die bohrenden Fragen im Nachklapp der umstrittenen Starterlaubnis für die 15-jährige Walijewa im Einzelwettbewerb zu antworten. Dabei gab der Vorsitzende der Disziplinarkommission, der auch für die Untersuchung zum russischen Dopingbetrug bei den Winterspielen 2014 in Sotschi verantwortlich war, einen Einblick in die mögliche Verteidigungsstrategie.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Ich war bei der Anhörung nicht dabei, aber ihr Argument war, dass die Kontamination mit einem Mittel passiert ist, das ihr Großvater nimmt“, sagte Oswald. Walijewa war positiv auf das Herzmedikament Trimetazidin getestet worden. „Es ist wahr, dass dieses Mittel etwas seltsam ist, vor allem für ein Mädchen in ihrem Alter“, sagte Oswald: „Aber solange wir nicht genau wissen, was passiert ist, ist es schwierig, ein Urteil zu fällen.“Dennoch wollte Oswald seinen „Eindruck“ teilen, dass Walijewas Fall in „keinem Zusammenhang“ zum „institutionalisierten Staatsdoping“ in Russland stehe. „Das Staatsdoping war ein großes System, in das viele Athleten involviert waren“, sagte Oswald: „Diese Situation hier scheint anders zu sein.“

Walijewas Fall entscheidet sich erst nach den Spielen

Wie der Fall ausgeht, entscheidet sich aber erst nach den Spielen. Noch steht die Öffnung der B-Probe aus, zudem ermittelt die WADA auch im Umfeld des Teenagers. „Es ist nicht vorstellbar, dass ein 15-jähriges Mädchen so etwas alleine tut“, sagte Oswald. Bei einer Sperre könnten Walijewa und dem russischen Team das Mannschaftsgold aberkannt werden.

Abseits der Eisfläche im Capitol Indoor Stadium richtet sich die Kritik auf das IOC, das die sauberen Athletinnen und Athleten nicht ausreichend schütze - und nun sogar bestrafe. Diese „verdienen“ eine Siegerehrung, forderten die Vertreter der US-Sportler, nachdem das IOC angekündigt hatte, zumindest die Eiskunstlauf-Teammedaillen nicht mehr in Peking zu vergeben. (dpa)