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Kommentar zur „One Love“-Binde in KatarWarum nicht in den Kampf ziehen?

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Lesezeit 3 Minuten
Die One Love-Armbinde liegt auf einem Rasenstück.

Die One Love-Armbinde sorgt für Wirbel.

Der Weltfußball-Verband hat mit Sanktionen gedroht, für den Fall, dass die Kapitäne bei der WM mit der „One Love“-Binde aufgelaufen wären. Der DFB und andere europäische Verbände knicken ein - dabei hätten sie viel mehr gewinnen können als einen Titel.

Lange hatte die FIFA sich nicht gerührt. Schon im September hatten die großen europäischen Fußball-Nationen angekündigt die „One Love“-Binde zu tragen. Ein Zeichen, das damals schon von vielen als zu schwach kritisiert wurde. Wo ist sie denn hin, die Regenbogen-Binde von Manuel Neuer, die er bei der Europameisterschaft in München trug? „One Love“ - die Binde erschien vielen als fader Kompromiss. Doch sie sollte nicht nur ein Zeichen für die LGBTQI+-Gesellschaft sein, die in Katar in ständiger Angst vor staatlicher Verfolgung lebt. Sie sollte mehr umfassen.

In der FIFA gibt es keinen Platz für die Liebe

Gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, für Frauen- und Menschenrechte generell steht das Symbol. Eigentlich alles Dinge, für die sich auch der Weltfußball-Verband einsetzt. Doch bei der FIFA gibt es keinen Platz für die Liebe. Sie wolle ihre eigenen Botschaften transportieren. Am Tag vor dem Eröffnungsspiel schien die Zeit reif, diese Botschaften durchzusetzen.

Gemeinsam mit den Vereinten Nationen habe man sich verschiedene Schriftzüge ausgedacht, die die Binden der Kapitäne nun zieren sollen. Ein durchschaubares Manöver und ein vorgeschobener Grund, um die Armbinden zu vereinheitlichen. Denn zeitgleich packte der Weltfußballverband die Drohkeule aus, um mit Sanktionen zu wedeln. Gelbe Karten für die Spieler, Geldstrafen - möglicherweise sogar Punktabzug.

Die Botschaft der FIFA war also eine andere: Wagt es nur nicht, euch zu widersetzen. Das Vorgehen zeigt einmal mehr, wie ignorant der mächtige Verband mit den Anliegen seiner Mitglieder umgeht und wie rigoros Katar seine Interessen durchsetzt. Schon beim Bierverbot kurz vor dem Start des Turniers wurde deutlich, wer hier wem die Richtung diktiert. Die bizarre Rede von FIFA-Präsident Gianni Infantino stand dafür, wie der Weltfußball-Verband mit Kritik umgeht: Gar nicht! Alles perlt ab, alles wird ignoriert. Im Zweifel zieht man es einfach ins Lächerliche. Es ist so derart offensichtlich, dass es geradezu nach Gegenrede schreit.

Was kann denn schon passieren?

Auch bei der Frage nach der Kapitänsbinde missbraucht die FIFA ihre Macht. Dass der DFB und die sechs weiteren Verbände, die sich auf die Binde geeinigt hatte, vor diesem Gebaren einknicken ist ein fatales Signal. Europa, das Zentrum der Fußball-Macht, lässt sich diktieren für welche Werte es einzustehen hat und für welche nicht. Sie scheuen die Konfrontation, statt ein Zeichen zu setzen, dass durch die angedrohten Sanktionen noch deutlich an Strahlkraft gewonnen hätte.

Warum nicht einmal in den Machtkampf ziehen gegen solch verachtenswertes Verhalten? Warum nicht die Sanktionen aushalten - wenn sie rechtlich überhaupt haltbar wären? Wenn sich alle einig sind, was soll schon im schlimmsten Fall passieren? Die Verbände, die doch noch mutig Flagge zeigen, könnten weit mehr gewinnen als einen WM-Titel.