Kommentar zur EM-QualifikationNationalmannschaft steht auf wackligen Beinen
Als Person des öffentlichen Lebens hatte es Joachim Löw noch nie leicht, seine kleinen Sünden vor der Welt zu verbergen. Hier und da die Zigarette danach (inzwischen hat er ja aufgehört zu rauchen), sein geliebtes Gläschen Rotwein.
Gerade erst verriet der Bundestrainer, dass er das nach einem Spiel der Nationalmannschaft immer trinke. Nicht nur als Belohnung, wenn seine Schützlinge das von ihm und seinem Team entworfene Konzept vortrefflich umgesetzt hatten. Also, einen guten Tropfen gönnt sich der Badener auch aus Gründen des Frustabbaus.
Offensive alleine gewinnt keine Spiele
Man wüsste in diesen Tagen der erfolgreichen EM-Qualifikation nun zu gerne, in welchem Gemütszustand sich Löw denn befindet bei seinem After-Work-Schluck. Denn das Jahr 2019, das für ihn und die Nation das Jahr des Aufbruchs markieren sollte, neigt sich dem Ende – und niemand weiß genau, wo die DFB-Elf denn genau zu verorten sei. Es hatte ja lange gedauert, bis sich der 59-Jährige zu einer Häutung seiner Mannschaft durchgerungen, bis er dem Großteil seiner Rio-Weltmeister den Reisepass in die Hand gedrückt hatte.
Doch der Aufbau einer neuen Generation ist bislang mit einigen Tücken verbunden. Vor allem verfestigte sich der konkrete Eindruck, dass die hoffnungsvolle Offensivabteilung mit ihren Kräften wie Leroy Sané, Serge Gnabry, Timo Werner und Marco Reus Spiele eben nicht alleine gewinnen kann. Zu einem erfolgreichen Gesamtpaket zählt eben auch die Abwehr, die Löw derzeit so gut schmecken dürfte wie ein saurer Wein.
Mangelnde Substanz
Nach seiner Ausmistaktion, der Mats Hummels und Jerome Boateng zum Opfer fielen, sah er in Niklas Süle den neuen Abwehrchef. Mit Antonio Rüdiger an der Seite sollte es was werden mit der geforderten Stabilität in der Defensive. Doch derzeit sind beide verletzt. Da auch der einst so hochgehandelte Jonathan Tah seine internationale Reife noch nicht ausreichend nachweisen konnte, gibt es nun ein Problem: hinten.
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Denn selbst wenn der neue Hoffnungsträger Matthias Ginter in der Partie gegen Weißrussland zu gefallen wusste, Chancen bekamen die biederen Weißrussen mehr als ihnen qua Spielstärke eigentlich zustehen. Insgesamt befindet sich die Mannschaft in einem Zustand der Ungewissheit. Das ganze Konstrukt steht noch auf wackligen Beinen.
Die Spieler selbst wie Joshua Kimmich sprechen von mangelnder Konstanz. Es knarzt und knirscht im Gebälk. Eine 3+ würde der Münchner seinem Team für 2019 geben. Um im Bild zu bleiben: Löw hält da einen guten Jahrgang in der Hand, aber ihm fehlt es an Reife. Bis zu Benennung des EM-Kaders hat der Bundestrainer nur noch drei Spiele Zeit. Und noch weiß keiner so recht, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist.