Die Norweger geben die Manipulation von Anzügen zu. Die Presse überschlägt sich. Für Ex-Skispringer Hannawald ist klar, was jetzt passieren muss.
Empörung nach Ski-Skandal„Sonst kann man Skispringen beerdigen“ – Sven Hannawald fordert Konsequenzen

Äußerte sich ebenfalls zum Skandal im Skispringen: Ex-Weltklasse-Springer Sven Hannawald.
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Anonym gefilmte und veröffentlichte Videos haben in der Welt des Skispringens seit Samstag für größte Aufregung gesorgt. Die Szenen zeigen, wie das norwegische Team im Beisein von Cheftrainer Magnus Brevig die Wettkampfanzüge auf unzulässige Art und Weise bearbeitet.
Sportdirektor Jan Erik Aalbu hatte am Sonntag bei einer Pressekonferenz eingestanden, dass der Verband bei zwei Anzügen wissentlich betrogen habe. Der Deutsche Skiverband (DSV) zeigte sich von dem Ausmaß des norwegischen Betrugs im Skispringen vollkommen geschockt. „Das macht einen schon sprachlos, wenn man sich vor Augen führt, wie hier offensichtlich ohne jegliche Skrupel manipuliert wurde“, teilte Vorstandsmitglied Stefan Schwarzbach mit.

Der Trainer der Skisprung-Nationalmannschaft, Magnus Brevig (l.), und der Sportdirektor Jan-Erik Aalbu beantworten in Granåsen die Fragen der Presse.
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Der Verband fordert eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse und die damit verbundenen Konsequenzen. Das wahre Ausmaß des Skandals ist bislang nicht absehbar. „Fakt ist, dass die Vorwürfe und Verdachtsmomente, die im Raum stehen, deutlich weiterreichen als das, was von norwegischer Seite nun eingeräumt wurde“, sagte Schwarzbach weiter.
Weltmeister Marius Lindvik weiß angeblich von nichts – Sven Hannawald mahnt
Skisprung-Weltmeister Marius Lindvik will von den betrügerischen Methoden seiner Norweger bei der WM in Trondheim derweil nichts gewusst haben. „Wir sind beide völlig am Boden zerstört. Keiner von uns wäre mit einem Anzug gesprungen, von dem wir gewusst hätten, dass er manipuliert war. Niemals“, wurden Lindvik und sein Kollege Johann André Forfang in einer gemeinsamen Verbandsmitteilung zitiert.

Gold bei der WM: Skisprung-Weltmeister Marius Lindvik will von den betrügerischen Methoden seiner Norweger bei der WM in Trondheim nichts gewusst haben.
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Klar ist aber: Der Imageschaden für das Skispringen ist so oder so riesig. „In meinem schlimmsten Albtraum hätte ich nicht gedacht, dass es so weit kommt“, sagte der deutsche Ex-Skispringer Sven Hannawald der „Bild“: „Ich hoffe, dass alle Entscheidungsträger endlich aufwachen und sich ein rigoroses Reglement überlegen. Ansonsten kann man Skispringen in zwei Jahren beerdigen.“
Pressestimmen zum Manipulationsskandal im Skispringen
Die internationale Presse reagiert auf den Vorfall mit scharfer Kritik und sieht weitreichende Konsequenzen für den Skisprung-Sport. Ein Überblick.
Norwegen
NRK: „Nun besteht wirklich die Gefahr, dass diese WM nicht wegen der magischen Siege von Johannes Hösflot Kläbo oder des besonderen Abschieds von Jarl Magnus Riiber in Erinnerung bleibt, sondern wegen dieses 50 Sekunden langen Video. Das ist Doping, nur mit einer anderen Art Nadel.“
VG: „Wie glaubwürdig ist es, dass der Betrug niemals zuvor stattgefunden hat? Auch Aalbu kann das nicht wissen. Nur wenige Athleten werden beim Doping erwischt, wenn sie es das erste Mal tun.“
DAGBLADET: „Was als peinlicher Regelverstoß begann, entwickelt sich für Norwegen zur ultimativen Demütigung. Wir sind diejenigen, die die Infektion in einer kranken internationalen Springsportumgebung verbreiten. Ausgerechnet in der nach der Fußball-Legende Nils Arne Eggen benannten Stadion-Loge wurde an den Anzügen der Norweger geschneidert. Eggens Maxime war der faire Sport, das faire Miteinander. Bei unseren Springern war es das genaue Gegenteil.“
Österreich
SALZBURGER NACHRICHTEN: „Wenn es um Ruhm, Ehre und viel Geld geht, ist immer auch die Versuchung da, eine Abkürzung zum Erfolg zu probieren. Das Skispringen mit seinen technisch anspruchsvollen Komponenten war zwar immer anfällig für Tricksereien bei Anzügen oder Bindungen. Doch in der Vergangenheit ging es immer um Graubereiche oder gerade noch erlaubte Anpassungen. Nun springt auch auf den Schanzen der Generalverdacht mit. Der Schaden für den Skisprungsport ist immens.“
KRONEN-ZEITUNG: „Das Anzuggate löst in Norwegen eine Empörungswelle aus. Österreich winkt nun zweimal Gold am Grünen Tisch.“
DER STANDARD: „Skispringen am Rande des Abgrunds. Unabdingbar scheint, dass die FIS ihr kompliziertes und doch nicht treffsicheres Kontrollsystem überdenkt. In knapp einem Jahr geht es um olympische Goldmedaillen, und in der Szene herrschen tiefste Verunsicherung und Misstrauen.“
Polen
GAZETA WYBORCZA: „Für die WM-Organisatoren in Trondheim ist das eine schreckliche Situation. Ebenso schlimm ist es für das Skispringen, das an Popularität und Zuschauerzahlen im Fernsehen verliert. Der Welt wird die Botschaft vermittelt, dass es sich beim Skispringen um eine unzuverlässige Disziplin handelt, einen Spielplatz für Betrüger.“
Schweden
AFTONBLADET: „In Trondheim endet es wie in Lahti 2001 und in Seefeld 2019: Mit einem spektakulären Skandal der Gastgeber-Nation. Von Norwegen hätten wir das nicht gedacht, aber jetzt ist es passiert.“ (oke/sid/dpa)