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EM-Viertelfinale Schweiz gegen EnglandLeverkusens Granit Xhaka spielt mit Faserriss

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Dirigierte die Schweiz trotz Verletzung 120 Minuten lang: Kapitän Granit Xhaka.

Der Leverkusener Granit Xhaka hat im EM-Viertelfinale gegen England trotz eines Muskelfaserrisses 120 Minuten lang für die Schweiz gespielt.

Granit Xhaka blieb am Ende nur die Rolle des Zuschauers und Trösters. Nur zu gerne wäre der Kapitän der Schweizer Fußball-Nationalmannschaft aktiver Teil des Elfmeterdramas im EM-Viertelfinale gegen England gewesen. Ein Muskelfaserriss in den Adduktoren verhinderte aber, dass der 31-Jährige zu den Schützen gehörte. So musste er mitansehen, wie Teamkollege Manuel Akanji scheiterte und England trotz einer erneut dürftigen Vorstellung durch ein 5:3 im Elfmeterschießen ins Halbfinale einzog.

Xhaka hat mehr als 60 Spiele in den Beinen

„Ich war am Montag im MRT, dabei ist der Muskelfaserriss diagnostiziert worden“, offenbarte sich der Doublesieger von Bayer 04 Leverkusen. Xhaka konnte erst am Freitag wieder trainieren. Mehr als 60 Spiele hat der Mittelfeldmotor in der Saison 2023/24 mit Leverkusen und der „Nati“ absolviert.

Eine unglaubliche Belastung, die nun ihren Tribut forderte. Angesichts der historischen Chance der Schweizer, erstmals ein EM-Halbfinale zu erreichen, biss er aber auf die Zähne: „Ich hatte das Gefühl, fit genug zu sein. Ich hatte am Tag vor dem Spiel keine Schmerzen. Ich habe gespürt, dass die Mannschaft mich braucht und ich wollte helfen“, sagte Xhaka. „Diese Dinge machen einen stärker.“

Am Ende half es nichts. Xhaka hielt zwar 120 Minuten durch und war Anker des Schweizer Spiels, konnte aber weder lange Bälle spielen noch aufs Tor schießen – auch nicht beim Elfmeterschießen. Wäre er 100-prozentig fit gewesen, hätte er womöglich Bukayo Sakas Schuss geblockt und das englische 1:1 verhindert. So flog der Ball aber durch seine Beinschere und landete mit Hilfe des Innenpfostens zum Ausgleich im Netz (80.).

Wenn man einen Elfmeter verschießt, vor allem als Einziger, hat man das Gefühl alle im Stich gelassen zu haben.
Manuel Akanji, Innenverteidiger der Schweiz

Die Führung der Eidgenossen durch den Ex-Bundesliga-Profi Breel Embolo hatte nur fünf Minuten gehalten. „Es schmerzt gewaltig, wenn man wie wir einen solchen Aufwand betreibt und die Chance aufs Halbfinale gehabt hat. Es stimmt mich sehr traurig und tut mir leid für die Jungs und unsere Nation“, sagte Murat Yakin.

Der Trainer der Schweizer hat bei der EM seine Reputation zurückgewonnen und konnte mit seinem Team in Düsseldorf das Turnier stolz und erhobenen Hauptes verlassen. Manuel Akanji gelang das naturgemäß nicht. Als einzigem Schützen hatten dem Innenverteidiger von Manchester City im Elfmeterschießen vor der Kurve mit den englischen Fans die Nerven versagt. „Wenn man einen Elfmeter verschießt, vor allem als Einziger, hat man das Gefühl alle im Stich gelassen zu haben. Das ganze Land hat uns unglaublich unterstützt. Es tut weh und wird sicherlich dauern, bis ich es verdaut haben“, sagte der Ex-Dortmunder.

Granit Xhaka ist als erster bei Akanji und spielt den Seelenklempner für den Unglücksraben: „Er ist nicht der erste und nicht der letzte, der einen Penalty verschießt. Wenn man den Jungen sieht, was er die letzten Jahre und an diesem Turnier geleistet hat, dann ist dieser Penalty ganz schmerzhaft. Chapeau an den Jungen! Und Kopf hoch. Ich selber war auch in dieser Position. Ich bin stolz auf ihn.“

Pickfords Spickzettel auf der Trinkflasche

Akanjis Fehlschuss ließ am Ende die Engländer jubeln, die sich mit fünf sicher verwandelten Elfmetern von einem ihrer größten Traumata befreiten. Immer wieder waren die Three Lions bei großem Turnieren in entscheidenden Momenten in der Elfmeter-Lotterie gescheitert – zuletzt im EM-Finale 2021 in London gegen Italien.

Gegen die Schweiz war das Team von Trainer Gareth Southgate bestens auf den Shootout vorbereitet. Die Trinkflasche von Torwart Jordan Pickford war mit einem Spickzettel versehen, auf dem die Vorlieben der Schweizer Schützen standen. „Dive left“, stand neben Manuel Akanjis Name. Der Torwart des FC Everton hielt sich an die Vorgabe und wehrte den schwachen Versuch locker ab.

Englands Kapitän Harry Kane, der sich in der Verlängerung nach einem von Southgate noch abgepolsterten Sturz in die eigene Bank auswechseln ließ, fand die traumwandlerische Sicherheit seiner Teamkollegen vom Punkt „fantastisch“. Der Turnierfavorit hatte einmal mehr nicht überzeugt, aber die geeigneten Mittel gefunden, um ins Halbfinale einzuziehen. So war Sakas 1:1 der erste von insgesamt nur zwei Torschüssen der Engländer in 120 Minuten.

Wir sind jetzt im dritten Halbfinale beim vierten großen Turnier, nicht so schlecht, oder?
Gareth Southgate, Trainer England

Gareth Southgate brachte nur ein gequältes „Sorry“ über die Lippen, als er auf die so unattraktive Spielweise seines Teams angesprochen wurde. „Wenn es nicht gefällt, tut es mir leid“, sagte der Trainer und stellte sich vor seine Spieler: „Das sind nicht einfach nur Fußballspiele, sondern nationale Events mit riesigem Druck. Und wir sind jetzt im dritten Halbfinale beim vierten großen Turnier, nicht so schlecht, oder?“

Der Erfolg gibt dem 53-Jährigen recht und stützt seine Ansichten: „Es benötigt weit mehr als fußballerische Klasse, um bei einem Turnier erfolgreich zu sein. Man muss Wege finden, um Spiele zu gewinnen.“ Den nächsten am Mittwoch in Dortmund im Halbfinale gegen die Niederlande.