FC-Präsident Werner Wolf„Der 1. FC Köln steht finanziell extrem unter Druck“
- Dr. Werner Wolf hat es als FC-Präsident nicht leicht.
- Seit September 2019 im Amt erlebt er zum zweiten Mal den Kampf gegen den Abstieg und muss gemeinsam mit Vorstand und Geschäftsführung die Corona-Krise und deren finanzielle Auswirkungen auf den Fußball-Bundesligisten meistern.
- Martin Sauerborn hat sich mit dem 64-Jährigen unterhalten.
Köln – Herr Dr. Wolf, hinter Ihnen und dem 1. FC Köln liegt eine aufregende Woche. Es gab zwei Aufsehen erregende Verpflichtungen. Wie ist es dazu gekommen?Es ist bekannt, dass wir im Angriff ein Problem haben. Gemeinsam mit der Geschäftsführung haben wir deshalb entschieden, etwas zu machen. Und dann haben wir den Rahmen definiert, den wir stemmen können. Das Scouting hat einige attraktive und bezahlbare Kandidaten gefunden. Letztlich ist bei Emmanuel Dennis eine Einigung mit Brügge gelungen.
Und Max Meyer?
Das war eine Chance, die sich kurzfristig - quasi über Nacht - ergeben hat. Wir hatten den Vorteil, dass Sportchef Horst Heldt und Trainer Markus Gisdol ihn aus ihrer Zeit auf Schalke kennen. Dann ist es auch noch finanziell darstellbar, weil Max uns sehr entgegengekommen ist. Er hat starkes Interesse daran, seine Karriere in Köln wieder in Gang zu bringen. Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, ihn zu kriegen und hoffen, dass die beiden helfen, unsere Probleme zu beheben.
Zur Person
Dr. Werner Wolf wurde am 2. August 1956 geboren. Er ist in Euskirchen aufgewachsen und von Kindesbeinen an FC-Fan. Seit mehr als 15 Jahren ist er Mitglied des 1. FC Köln und gehörte seit 2003 dem seinerzeitigen Verwaltungsrat an. Nach dem Rücktritt von Wolfgang Overath 2011 übernahm er den Vorsitz des Verwaltungsrates und organisierte den Übergang zur Präsidentschaft von Werner Spinner. Seit 2012 war Wolf Mitglied des Beirates des FC. Im September 2019 wählten die FC-Mitglieder zum neuen Präsidenten. Der FC-Präsident war als Marketingexperte für das Kölner Unternehmen Intersnack und als Leiter der Bitburger Brauerei tätig. Dr. Werner Wolf lebt weiter in der Eifel. Er hat vier Kinder und drei Enkelkinder – natürlich alle FC-Fans. (sam)
Wie schwer war es, die Verpflichtungen zu finanzieren?
In der aktuellen Situation sehr schwer. Letztendlich ist es ein Abwägen von Chancen und Risiken. Der FC steht finanziell extrem unter Druck. Uns fehlt durch die Pandemie knapp ein Drittel unseres normalen Umsatzes, der bei 120 bis 130 Millionen Euro liegt. Das finanziell schwierigste Szenario wäre aber ein Abstieg. Deshalb haben wir eine Summe für neue Spieler zur Verfügung gestellt.
Kann sich der FC aktuell zwei neue Spieler leisten?
Ja, sonst hätten wir sie nicht geholt. Wir haben uns kein zusätzliches Geld geliehen und wir haben auch nicht auf eine Viertelfinaleinzug im DFB-Pokal gewettet. Das wäre nicht seriös. Wir haben zum Beispiel die Verträge mit Sörensen und Clemens aufgelöst und konnten bei den Punktprämien etwas einsparen. Es gibt in einem Etat immer Stellen, die sich für eine Gegenfinanzierung eignen. Der Vorstand und die Geschäftsführung treffen sich seit Beginn der Krise jede Woche und wir telefonieren ständig miteinander. So ist der Vorstand sehr nah dran an der täglichen Arbeit und nur so konnten wir schnell reagieren.
Wird es bis Montag weitere Transfers geben?
Ich halte es aktuell für unwahrscheinlich, dass wir weitere Spieler holen. Auf der Abgabeseite gibt es noch Gespräche. Aber die haben eher losen Charakter.
Sie haben es angesprochen, der FC steht finanziell mit dem Rücken zur Wand. Wie schafft es der Club durch die Krise?
In aller Deutlichkeit: Corona hat uns finanziell extrem hart getroffen. Deshalb müssen wir mit dem Geld sehr sorgsam umgehen und Finanzierungen so solide wie möglich aufstellen. Das Working Capital ist finanziert. Jetzt geht es darum, mittelfristige Kredite zu beantragen. Auf welche Art haben wir noch nicht entschieden.
Rückzahlung
3,4 Millionen Euro kosten den 1. FC Köln in dieser Saison die Ticketerstattungen an die Dauerkartenbesitzer, wenn bis zum Ende der Saison keine Zuschauer mehr ins Rheinenergiestadion dürfen. 1,8 Millionen Euro davon hat der FC nach Abschluss der Hinrunde mit neun Heimspielen bereits überwiesen. Damit haben 8500 der 22.500 Dauerkarteninhaber im Public-Bereich haben nicht auf eine Rückzahlung verzichtet. Ein Drittel der Dauerkartenbesitzer hat sich dafür entschieden, in dieser Saison auszusetzen. Der Rest hat auf eine Rückzahlung verzichtet und den FC damit großzügig in der Corona-Krise finanziell unterstützt. (sam)
In welche Richtung geht es?
Sehen Sie es mir nach, aber im Bankengeschäft ist Vertraulichkeit das höchste Gut. Ich weiß, dass es viele FC-Fans interessiert. Ich kann Ihnen nur zurufen, dass wir guten Mutes sind, die nächsten zwei Spielzeiten finanzieren zu können.
Auch in dem Fall, dass es dieses Jahr keine Zuschauer mehr in den Stadien geben könnte?
Ja, auch dieses Szenario ist kalkuliert. Ich glaube aber an die Impfstrategie. Die Spiele ohne unsere Fans sind schrecklich. Ich rechne dieses Jahr nicht mit vollen Stadien, aber mit Zuschauern in den Stadien. Wir müssen auch kommende Saison mit Einschränkungen rechnen.
Vor dieser Saison haben Sie den Etat mit Zuschauereinnahmen geplant. Wie sieht die Rechnung inzwischen aus? Es ist immerhin gut möglich, dass auch in der Rückrunde keine Fans zu den Spielen kommen dürfen.
Es stimmt, dass der Etat in Teilen mit Zuschauern geplant war. Wir haben das aber relativ früh korrigiert und planen in der Kalkulation nun erst ab April wieder mit Zuschauern. Sollte es tatsächlich bis Saisonende nur Geisterspiele geben, verlieren wir noch einmal zwei Millionen Euro. Auch das wäre verkraftbar.
Der FC steht nach 18 Spieltagen auf dem Relegationsplatz. Wäre auch ein erneuter Abstieg verkraftbar?
Wir kalkulieren jede Saison für Erste und Zweite Liga. Aus finanzieller und sportlicher Sicht möchte sich keiner einen Abstieg vorstellen. Er wäre aber kein finanzielles Desaster. Wir sind bei den Spielergehältern und bei der Stadionpacht so aufgestellt, dass die Kosten auf Zweitliga-Niveau angepasst werden. Mittelfristig würden wir sicher erhebliche Einbußen bei den TV-Geldern hinnehmen müssen. Wir würden einen Abstieg finanziell aber verkraften.
Könnte der FC im Falle eines Abstiegs den direkten Wiederaufstieg in Angriff nehmen?
Das kann ich heute nicht sagen. Wir würden sicher einige unserer Leistungsträger verlieren. Nach dem Abstieg 2018 ist für das Unternehmen direkter Wiederaufstieg ein zweistelliger Millionenbetrag als Verlust einkalkuliert worden. Unter dieser Belastung leiden wir heute noch. So etwas können wir nicht nochmal machen.
Und wie sehen die finanziellen Möglichkeiten im Falle des Klassenerhalts aus?
Eher bescheiden. Wir müssen in allen Bereichen besser performen. So eine Veränderung ist aber nicht kurzfristig möglich. So etwas muss über Jahre entwickelt und aufgebaut werden. Die wesentlichen Ansätze dazu werden wir auf der nächsten Mitgliederversammlung vorstellen.
Die Versammlung hätte längst stattfinden sollen und muss nun erneut verschoben werden. Wie sehen aktuell die Planungen aus?
Die für März geplante hybride MV kann aus pandemischen Gründen nicht stattfinden. Technisch ist fast alles soweit vorbereitet. Wir planen weiter hybrid und peilen nun Ende April oder Anfang Mai an. Und wenn alle Stricke reißen, wird es eine rein virtuelle MV im Juni geben.
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Bis wann muss die MV über die Bühne gegangen sein?
Bis zum 29. Juni.
Sie bleiben dabei, die Zahlen des abgeschlossenen Geschäftsjahres 2019/20 erst unmittelbar vor der MV zu veröffentlichen?
Ja, der Vorstand ist überzeugt, das muss in zeitliche Nähe zur Mitgliederversammlung erfolgen. Einige Punkte bedürfen der Erörterung und der Diskussion mit den Mitgliedern. Wir halten nichts zurück. Aber einfach nur Zahlen zu übermitteln, ohne eine direkte Reaktion, halten wir für schwierig.
Es gibt auch den Vorwurf, dass der aktuelle FC-Vorstand nichts tut, quasi unsichtbar ist.
Corona ist wie ein Hurrikan, der über uns hinwegfegt. Und im Hurrikan gehört der Kapitän auf die Brücke und nicht vor die Kamera. Wir arbeiten sehr intensiv und ziehen im Geißbockheim alle an einem Strang. Wir bekommen auch viel Zuspruch, wie etwa beim Verzicht unserer Dauerkartenbesitzer. Es ist aber richtig. Durch Corona sehen wir uns nicht genug und können uns nicht anfassen. Das fehlt und gibt den Menschen negative Gefühle. Sie fragen sich, wo der Vorstand eigentlich ist. Wir hatten für dieses Jahr drei weitere Townhall Meetings geplant, wollten viele Fanclubs besuchen. Es gibt auch keine Stammtische. Das jährliche Treffen der Jubilare ist ebenso ausgefallen wie das Essen für Bedürftige. Wir vermissen alle diese Treffen und hoffen auf die Impfstrategie, denn wir wollen uns bald wiedersehen. Ersatzweise haben wir einen regelmäßigen Newsletter des Vorstands an die Mitglieder ins Leben gerufen und wir planen noch weitere neue digitale Formate. Das ist aber kein wirklicher Ersatz für persönliche Treffen.
Ihre Geschäftsführer Horst Heldt und Alexander Wehrle sehen Sie sehr häufig. In der Zusammenarbeit zwischen Vorstand gab es Anlaufschwierigkeiten. Wie läuft es inzwischen?
Es läuft immer besser und ich bin überzeugt, dass wir die aktuell hohe Qualität der Zusammenarbeit halten werden. Die Rollen und Verantwortlichkeiten sind klar und die Missverständnisse ausgeräumt.
Die Meinungsverschiedenheiten haben sich vor allem an Mediendirektor Tobias Kaufmann entzündet, von dem sich der FC im Spätsommer 2019 getrennt hat. Ist inzwischen ein Nachfolger gefunden?
Ja, der Arbeitsvertrag ist unterschrieben. Nur der Zeitpunkt, wann er anfängt, ist noch in der Abstimmung.
Herr Wolf, am Sonntag steht das wichtige Spiel gegen Bielefeld an. Im Falle einer Niederlage wird sicher wieder über die Position von Markus Gisdol diskutiert. Wie geht der Vorstand damit um?
Es ist völlig normal und bei allen Vereinen dasselbe. Wenn eine Mannschaft auf einem der kritischen Plätze am Tabellenende steht, wird immer über den Trainer diskutiert. Horst Heldt begleitet die Mannschaft und unseren Trainer sehr eng. In dieser Frage ist es wichtig, aus Überzeugung zu handeln. Aktuell hoffen wir alle, dass wir es in dieser Konstellation schaffen, unser Ziel zu erreichen.