Doktor wirft Professor rausDoping-Opfer-Hilfe läuft aus dem Ruder
Berlin – Der Doktor warf den Professor raus: Ein handfester Streit zwischen zwei gestandenen Männern hat das Pressegespräch der Doping-Opfer-Hilfe (DOH) überschattet. Als sich Anti-Doping-Experte Werner Franke am Donnerstagmittag Zutritt zu dem Konferenzraum in der Bundesstiftung Aufarbeitung SED-Diktatur verschaffen wollte, sprang der DOH-Vorsitzende Michael Lehner auf und drängte den 79-Jährigen aus dem Raum. Es kam zu einem Gerangel der beiden Männer, ein Reporter eilte schlichtend hinzu, manche befürchteten schon eine Eskalation. Der Professor für Molekularbiologie, extra aus Heidelberg nach Berlin gereist, gab schließlich zähneknirschend nach.
Doch bevor sich Franke trollte, rief er noch eine Einladung zur Gegen-Veranstaltung in den Raum: „Wer die Wahrheit hören will, muss ins „Maximilians“ kommen“. Eine Stunde später und 100 Meter weiter sprach der deutsche Dopingfahnder Nummer 1 in dem Restaurant über seine Ansichten zum lange schwelenden Streit der DOH-Kritiker mit dem 1999 gegründeten Hilfe-Verein.
„Für mich war das eine Provokation!“
„Für mich war das eine Provokation! Ich musste ihn raus setzen, denn sonst hätten wir hier nicht in Ruhe zu Ende diskutieren können“, erklärte Lehner sichtlich echauffiert. Schon vor der Pressekonferenz war es am Eingang der Bundesstiftung zu einem Gerangel der beiden gekommen. „Ich bin von Franke mehrfach angegriffen worden - das war streng genommen Hausfriedensbruch und Körperverletzung. Ich konnte nicht anders, als Franke hinauszudrängen“, sagte Lehner. Der 64-Jährige ist seit Dezember 2018 DOH-Chef.
Der promovierte Anwalt hatte Franke früher sogar juristisch vertreten. Bereits am 7. August schickte er dem Wissenschaftler eine E-Mail, die keine Fragen offen ließ: „Soweit das Hausrecht des DOH e.V. reicht, kann Ihnen deshalb ein Zutritt bzw. Teilnahme am Pressegespräch nicht ermöglicht werden.“ Auf mehrere Gesprächsangebote Lehners - zuletzt am 5. August per Mail - zur Verständigung mit den DOH-Kritikern ging der Professor laut Lehner nicht ein.
Kritiker fordern eine Reform des Vereins
„Der Streit ist in meinem Sinne, weil ich als Wissenschaftler zur Wahrheit verpflichtet bin“, postulierte Franke bei seiner Privat-Pk in dem Restaurant an der Friedrichstraße. Die Kritiker fordern eine Reform des Vereins; sie hatten Dopingopfer, die sich um eine Entschädigung bemühten, als „Trittbrettfahrer“ diffamiert.
In seinem Eifer setzt Franke gern noch einen drauf: „Die Trittbrettfahrer sind doch die Leute, die jetzt nach 30 Jahren entdecken, dass da Kohle zu holen ist.“ Zur Einordnung: DDR-Sportler, die Gesundheitsschäden durch staatliches Doping erlitten hatten, können eine einmalige Zahlung in Höhe von 10 500 Euro aus einem staatlichen Fonds beantragen. Allerdings kann darüber nicht der DOH selbst entscheiden - das obliegt dem Bundesinnenministerium.
Positive Neuigkeiten verblassen im Schatten des Eklats
Die positiven Neuigkeiten verblassten im Schatten des Eklats. Allein im ersten Halbjahr 2019 haben sich rund 150 Menschen zum ersten Mal an die Berater der Stiftung gewandt. Seit Gründung gebe es bislang über 1000 anerkannte Dopingopfer. Zum 1. September wird eine neue feste Stelle für professionelle Betreuung und Beratung eingerichtet, verkündete DOH-Schatzmeisterin Petra Westphal stolz.
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„Das ist für uns ein Riesenerfolg!“ Doch zugleich schwante ihr schon, dass der Männerstreit in den Medien weit mehr Aufmerksamkeit bekommt: „Wenn wir morgen mit diesem Scheiß in der Presse sind, dann war die ganze Sache heute für den Arsch.“ (dpa)