Dirk Lottner im Interview„Der FC tat mir nicht leid“
- Dirk Lottner bezwang in der 2. Runde des DFB-Pokal mit dem 1. FC Saarbrücken überraschend den 1. FC Köln.
- Trotz eines rekordverdächtigen Hinrunde wurde er von den Saarländern überraschend entlassen.
- Im Interview spricht Lottner über seine Zukunft als Trainer und warum er wieder in Köln ist.
Köln – Es war die kurioseste Trainerentlassung im bezahlten Fußball 2019: Dirk Lottner hat mit dem 1.FC Saarbrücken den 1.FC Köln aus dem Pokal geschmissen und war Regionalliga-Tabellenführer – trotzdem musste er gehen. Jens Meifert sprach mit dem Kölner Ex-Profi über die Leere danach und was nun kommt.
Herr Lottner, Sie sind vermutlich der erfolgreichste entlassene Trainer des vergangenen Jahres. Glückwünsche wollen Sie dafür nicht haben, oder?
Definitiv nicht. Ich habe bis heute keine richtige Erklärung dafür. Wir hatten Ende November gegen Steinbach (Tabellendritter/Anm. d. Red.) 0:1 verloren und wie üblich einen Tag frei, Montag folgte das nächste Training. Nichts deutete darauf hin, dass sich irgendetwas ändern könnte. Danach bat mich der Sportdirektor ins Büro.
Haben Sie zu dem Zeitpunkt etwas geahnt?
Null, gar nichts. Ich dachte es ging darum, vor dem letzten Spiel noch einmal alle Kräfte zu bündeln, Motivation sammeln, so etwas. Es ging im letzten Spiel des Jahres noch gegen den Tabellenletzten. Wenn Du von 19 Spielen 15 gewinnst, wenn Du einen Punkterekord für die Regionalliga Südwest aufstellst und im Pokal einen Bundesligisten ausschaltest, gehst Du nicht davon aus, dass Du entlassen wirst. Es hatte auch zuvor keinerlei Anzeichen gegeben, keine atmosphärischen Störungen. Insofern war ich total unvorbereitet und wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Es war ein Gespräch von zehn Minuten. Groß erklärt wurde nichts. Es war skurril.
Was macht man als Trainer danach? In die Kneipe gehen und ein paar Bier trinken?
Ich habe meinen Berater und meine Frau angerufen. „Du hast mich jetzt wieder an der Backe“, habe ich gesagt. Dreieinhalb Jahre hatte ich in Saarbrücken gearbeitet, das war übrigens Rekordzeit für den Club. Am Abend hatte ich das noch gar nicht realisiert. Ich habe mir eine Flasche Rosé aufgemacht und bin dann in ein Restaurant gegangen, in dem ich häufig zu Gast war. Da habe ich schon Abschied genommen. Am nächsten Tag habe ich mein Büro geräumt, mich von der Mannschaft verabschiedet. Das war’s dann.
Seitdem sind Sie wieder in Köln. Wie ist das?
Saarbrücken war meine erste längere Station außerhalb von Köln, selbst als aktiver Profi habe ich Köln nie verlassen müssen. Also habe ich es recht lange ausgehalten (lacht).Ihr verrücktestes Spiel war das Pokalspiel gegen den FC im Oktober, Saarbrücken siegte 3:2. Wie haben Sie es erlebt?Wir wussten natürlich, dass der FC angeknackst war zu der Zeit. Ich habe der Mannschaft versucht zu vermitteln, dass da was möglich ist. Auch wenn wir in Völklingen vor 6800 Zuschauern spielen mussten, weil das eigene Stadion umgebaut wird.
Wie viel Freunde von Ihnen waren da?
Ich hatte 100 Karten organisieren können (schmunzelt), über ein paar Umwege. Zwei Busse voll.
Der Verlauf des Spiels war eine Sensation für sich. Der FC holt ein 0:2 auf, macht das 2:2 und verliert dann durch ein Tor kurz vor Schluss ...
... wir waren mausetot. Normalerweise gewinnt in so einem Spiel der Erstligist, einfach über die Physis. Für uns war der Sieg umso schöner, das Spiel war etwas ganz Besonderes und wird immer in Erinnerung bleiben. Wir haben anschließend ganz schön die Sau rausgelassen.
Tat Ihnen der FC leid?
Nein, da war ich Egoist genug. Eher schon der Trainerkollege Achim Beierlorzer. Er hatte kräftig rotiert, wollte Spielern aus der zweiten Reihe eine Chance geben, und das ging nach hinten los. Er war selbst überrascht nach dem Spiel, das hat man ihm angemerkt.
Wie geht es bei Ihnen in diesem Jahr weiter?
Ich wäre über Weihnachten ohnehin zuhause gewesen, nun war ich eine Woche früher da. Es war schön, wieder mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können, ich war mit meiner Frau in Österreich, mit meiner Tochter ein Wochenende in Paris. Und wir haben die Zeit genutzt, um das Haus aufzuräumen und auszumisten. Viel Arbeit. Aber wenn der Alltag beginnt und die Teams durchstarten, werde ich die Veränderung schon spüren.
Und auf einen Anruf warten?
Nein, sicher nicht. Ich habe Kontakt aufgenommen zu einigen Clubs und werde hier und da hospitieren. Zu Friedhelm Funkel (Trainer Fortuna Düsseldorf, Anm. d. Red.) gibt es einen guten Draht, da werde ich zu Gast sein, um Impulse zu sammeln. Ich muss die Zeit nutzen und werde mir viele Spiele anschauen.
Was ist das Ziel?
Ich möchte in den bezahlten Fußball, mindestens dritte Liga. Aber die Möglichkeiten sind begrenzt. Wir haben nur 56 Profi-Vereine in Deutschland, und die kommen nicht alle in Frage. Die Erste Liga sicher nicht. Aber vielleicht wird die gute Arbeit auch wahrgenommen: Ein Punkteschnitt von 2,18 in den dreieinhalb Jahren, das ist schon außergewöhnlich. Wir sind zwei Mal nur knapp am Aufstieg gescheitert. Es gehört Glück dazu, dass es irgendwo passt.
Horst Heldt, Sportchef des FC, hat seine Rückkehr als Traum bezeichnet, der wahr geworden ist. Geht es Ihnen auch so?Ich hoffe, dass dieser Tag kommen wird, und ich zum FC zurückkehre, ja. Im Idealfall als Profitrainer. Bevor ich als Spieler zum FC kam, war ich lange bei der Fortuna und nicht gut genug, dann spielte ich bei Bayer Leverkusen und wechselte zum FC. Es braucht manchmal Umwege.
Werden Sie künftig wieder ins Stadion gehen?
Definitiv, da freue ich mich drauf. In den letzten Jahren hatte ich natürlich keine Zeit. Ich war wie viele andere überrascht, dass die Mannschaft zuletzt die Kurve bekommen hat. Das Problem war vermutlich nicht die Qualität der Mannschaft, sondern die Homogenität. Das habe ich als Co-Trainer selbst mit Frank Schaefer erleben müssen, als wir 2012 die Mannschaft für die letzten vier Spiele übernommen haben und abgestiegen sind. Wenn die Mannschaft zerstritten ist und sich Grüppchen bilden, bist Du als Trainer machtlos. Offenbar haben die jungen Spieler nun die Wende mitbeflügelt. Das hat Markus Gisdol als Trainer ein mutiges Zeichen gesetzt, das wird auch die älteren Spieler antreiben.
Sie gelten in Köln als Kultfigur. Weil Sie gerne eine rauchen und ein gutes Brauhaus zu schätzen wissen?
Ich denke, weil ich mich nie verstellt habe und auch unpopuläre Dinge sage. Dazu kam: Es gab zu meiner Zeit kaum andere Spieler aus Köln. Ich wurde oft vorgeschoben, um von anderen Dingen abzulenken. Eine Verbindung zu der Stadt, in der Du spielst, ist aber generell wichtig. Außerdem konnte ich ganz gut kicken (lacht).
Wie halten Sie sich fit?
Laufen war nie meine Stärke. Das hat sich nicht wesentlich geändert. Stunden im Wald verbringe ich nicht, eher schon im Fitnessstudio.
Was macht Dirk Lottner Ende des Jahres?
Ich kann es nicht sagen. Mein Wunsch ist, dass ich als Trainer bei einem Proficlub arbeite. Die Tasche ist noch gepackt und steht im Keller bereit.