Der dreifache Weltmeister und einen der prägendsten Fußballer überhaupt ist mit 82 Jahren gestorben. Ein Nachruf.
Der König ist totWelt trauert um Pele
Als Junge spielte er mit Bällen, zusammengeknotet aus Socken oder Spüllappen; manchmal kickten sie auch mit Grapefruits und ihre Straßenmannschaft hieß „Descalsos“ – die Schuhlosen, weil sie barfuß spielten. Schon damals ragte sein Talent heraus, manchmal wollten die anderen ihn nicht mitspielen lassen, weil er so gut war. Er wurde der beste der Welt, er war der Größte aller Zeiten, in Brasilien nannten sie ihn O Rei – König. Der Mann, den alle als Pelé kannten, ist am Donnerstag an den Folgen einer Krebserkrankung im Alter von 82 Jahren gestorben.
Seine Faszination wirkte weit über das Ende einer Laufbahn hinaus, die sich wie ein Märchen liest. Er wurde in Três Corações im Bundesstaat Minas Gerais als Nachfahre afrikanischer Sklaven geboren und wuchs auf in Baurú im Staat Sao Paulo, in ärmlichen Verhältnissen. Sein Vater war unter dem Künstlernamen Dondinho ein Fußballprofi, dessen Karriere wegen einer Knieverletzung früh endete, was die Familie in Not brachte.
Karrierestart mit 15 Jahren
Pelé war 15, als ihn sein Jugendtrainer zu einem Probetraining beim FC Santos brachte und den schmächtigen Burschen vorstellte: „Er wird mal einer der besten Spieler der Welt werden“. Er war noch keine 16, als er am 7. September 1956 – dem brasilianischen Unabhängigkeitstag - sein erstes Ligaspiel für Santos bestritt und sein erstes Tor erzielte. Es war der erste von 1280 Treffern. Als er 1969 sein 1000. Tor schoss, läuteten im ganzen Land die Kirchenglocken. Nicht mal zwei Jahre danach wurde der Junge aus Baurú auf dem Rasen des Stockholmer Rasunda-Stadion von Weinkrämpfen geschüttelt, übermannt von unbändiger Freude. Mit einem 5:2 gegen Schweden hatte Brasilien die Weltmeisterschaft 1958 gewonnen. Als unbekannter Reservist war er angereist, nun kannte ihn die ganze Welt. Vier Tore hatte er erzielt, es waren Kunstwerke darunter, die belegten, über welche Klasse dieser Stürmer verfügte. Er fiel auf wie ein Diamant unter Kieselsteinen, dabei war die brasilianische Mannschaft von Trainer Vicente Feola voll mit Ausnahmekönnern.
Es war der Durchbruch des brasilianischen Fußballs, es war die zweite Geburt des Jungen aus Bauru, der von seinen Eltern auf den Namen Edson getauft wurde. Eigentlich sollte er Edison heißen; in Würdigung des Vaters des elektrischen Lichts, das erst kurz zuvor Einzug gehalten hatte in Baurú. Doch es schlich sich ein Schreibfehler ein, so dass der berühmteste Fußballer der Welt mit vollem Namen Edson Arantes do Nasicimento hieß. Doch alle nannten ihn „Pelé“, so riefen ihn die Jungs auf der Straße, weil er sie an einen Torwart namen „Bilé“ erinnerte.
Perfekter Fußballer
In Stockholm begann des Leben eines Weltstars, der bis in die Stunde seines Todes im Bewusstsein der Menschen auf dem ganzen Globus blieb. Die Nachrichten über seinen Zustand gingen um die Welt. Fußballfeunde, die ihn nie hatten spielen sehen, aber seinem Mythos verfielen, bangten um ihn – so, wie sie jetzt um ihn trauern werden. Er war ein perfekter Fußballer, gesegnet mit einer traumhaft sicheren Ballbehandlung und einem Torinstinkt ohnegleichen. Nur 1,73 Meter groß bewegte er sich mit einer zielstrebigen Eleganz durch die Abwehrreihen, gesegnet mit einer besonders ausgeprägten Fähigkeit zum peripheren Sehen. 1962 verletzte er sich in der WM-Vorrunde und saß bei der erfolgreichen Titelverteidigung auf der Bank, 1966 bei der WM in England nannten seriöse Londoner Zeitungen die Attacken auf ihn „eine widerliche Treibjagd“.
Umso strahlender kam er wieder, führte die Selecao 1970 in Mexiko nach einer Serie grandioser Spiele zum erneuten Titelgewinn, eswar sein dritter. Pelé war auf dem Zenit seines Könnens, und das Bild, das ihn mit bloßem Oberkörper und einem Sombrero auf dem Kopf zeigt, thronend auf den Schultern seiner Jünger, vor der gigantischen Kulisse des mit 120000 Zuschauern besetzten Aztekenstadion ist ein ikonisches Foto der Fußballgeschichte.
Tarcisio Burgnich, knallharter Verteidiger der chancenlosen italienischen Mannschaft, sagte später: „Vor dem Finale habe ich mir eingeredet, dass auch Pelé nur aus Fleisch und Knochen besteht – so wie jeder andere Mensch. Nach dem Spiel wusste ich, dass ich mich geirrt hatte.“ 1971 zog er sich aus der Nationalmannschaft zurück, 180000 Menschen huldigten im Maracana-Stadion ihrem König; 1974 verabschiedete er sich vom Fußball und damit vom FC Santos, den er groß und weltberühmt gemacht hatte. Und reich, denn mit der Attraktion Pelé machte der Club anfangs der sechziger Jahre lukrative Freundschaftsspiel-Tourneen, auch in Deutschland füllte das „weiße Ballett“ die Stadien.
Unfreiwilliges Comeback
Zu seinem Comeback wurde er gezwungen, weil er seine Millionen verloren hatte an unseriöse Geschäftspartner, denen er freie Hand gelassen hatte. Als dann der Unterhaltungskonzern Warner Communicaton den Fußball mit aller Macht und allem Geld in die USA holen wollte, kehrte Pelé 1975 zurück. Im Team von New York Cosmos verlängerte er an der Seite von Weltstars wie Franz Beckenbauer seine Karriere und krönte diese Episode mit dem Gewinn der Meisterschaft. Gefeiert wurde oft im legendär-elitären Club 54 in Mahattan, wo Andy Warhol vor ihm auf die Knie sank, Liza Minelli ihn anhimmelte und Mick Jagger feststellte: „Sagen zu können, man habe mit ihm gefeiert, war die größte Auszeichnung.“ Am 1. Oktober 1977 trat der König in New York endgültig ab, nach dem Spiel von Cosmos gegen seinen FC Santos verabschiedete er sich mit den Worten „Love! Love! Love!“; erstmals seit vielen Jahren war sein Vater Dondinho, sein Lehrmeister aus Kindertagen, wieder im Stadion, Pelé sank ihm tränenüberströmt in die Arme.
Er blieb ähnlich wie sein Freund Muhammad Ali überall auf der Erde eine öffentliche Person, von der jede Neuigkeit höchsten Nachrichtenwert hatte. Pelé machte Werbung (auch für ein Potenzmittel, aber nie für Alkohol, Tabak oder Politik), er war Sportminister in Brasilien und jahrelang als UN-Sonderbotschafter in der Welt unterwegs. Auf einem der vielen Gipfel seines Ruhms sagte er über sich: „Ich war nur ein Junge, der es liebte, Fußball zu spielen.“