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Champions LeagueHandball Magdeburg setzt sich die Krone auf

Lesezeit 5 Minuten
Die Magdeburger Spieler jubeln nach der Partie. Das Spiel endete 30:29 nach Verlängerung. Foto: Marius Becker/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

 Die Magdeburger Spieler jubeln nach ihrem Sieg in der Champions League.

Der SC Magdeburg hat nach 21 Jahren wieder die Handball-Champions League gewonnen. In Köln besiegte der SCM KS Kielce aus Polen im Finale nach Verlängerung.

Der SC Magdeburg hat seine unglaubliche Cinderella-Story mit dem maximalen Erfolg zu einem vorläufigen Höhepunkt getrieben. Das Team von Trainer Bennet Wiegert setzte sich durch ein hochdramatisches 30:29 (13:15, 26:26) nach Verlängerung im Champions League-Finale gegen KSC Kielce nach 21 Jahren Durststrecke wieder die europäische Handballkrone auf.

Im grenzenlosen Magdeburger Jubel in der Kölner LanxessArena blieb Andreas Wolff wieder Vorjahr enttäuscht als Verlierer zurück. 2022 hatte der deutsche Nationaltorwart gegen den FC Barcelona nach Siebenmeterwerfen verloren.„ Ich bin sauer und enttäuscht. Magdeburg hat wieder seinen unglaublichen Charakter gezeigt und den Sieg verdient“, zeigte sich Wolff als fairer Verlierer. 

Die Magdeburger hatten im Halbfinale am Samstag allen Widerständen getrotzt, den favorisierten Titelverteidiger und Rekordsieger FC Barcelona dramatisch mit 40:39 (16:18, 31:31, 38:38) nach Siebenmeterwerfen niedergerungen – und dabei auch ihr Trauma   aus dem nationalem Pokalfinale verarbeitet. Vor gut zwei Monaten war der Vizemeister an gleicher Stelle gegen die Rhein-Neckar Löwen noch als Verlierer aus dem entscheidenden Shootout aus sieben Metern hervorgegangen.

Kielce besiegt Paris, Magdeburg Barcelona

Vive Kielce trug auch ein Siebenmeter-Trauma mit in die Kölner Arena. 2022 unterlagen die Polen im Champions League-Finale Barcelona mit 35:37. Noch in der Kabine schworen sich die Verlierer angeführt von Trainer Talant Dujshebaev und seinem Sohn Alex als Kapitän darauf ein, den Titelgewinn dann eben 2023 nachzuholen. Im Halbfinale war Andreas Wolff beim 25:24 (16:14) gegen Paris St. Germain der Erfolgsgarant. Der deutsche Nationaltorwart lieferte sich ein ebenso packendes wie hochklassiges Duell mit dem schwedischen PSG-Keeper Andreas Palicka (beide   12 Paraden) und hielt in der Schlussminute gegen Luc Steins den Sieg fest.

Magdeburgs Gisli Thorgeir Kristjansson (M) wirft aufs Tor. Foto: Marius Becker/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Gisli Thorgeir Kristjansson (M) konnte trotz seiner Schulterverletzung für Magdeburg spielen und führte sein Team zum Sieg.

Wolffs Wunsch nach einem „deutschen“ Finale gegen Magdeburg war also in Erfüllung gegangen. Seine Befürchtung, dass sich die neutralen Zuschauer in der mit 20.000 Zuschauern wie am Samstag ausverkauften LanxessArena auf die Seite der Magdeburger schlugen, trat zwar ein, Wolff drückte dem Spiel aber trotzdem seinen Stempel auf. Erhielt gleich einen Siebenmeter von Kay Smits (8.), zeigte gegen den Niederländer dann noch einen tollen Reflex (13.) und bestand im Eins-gegen-Eins die Prüfung gegen Magnus Saugstrup (14.). Ein gewaltiges Raunen ging durch die Arena.

Nach 30 Minuten hatte Wolff 35 Prozent (7 von 20) der Magdeburger Versuche abgewehrt. Seine Gegenüber Nicolas Portner und Mike Jensen konnten zusammen nur 3 von 18 Würfe parieren. Deshalb und weil Alex Dujshebaev (sechs Tore in Hälfte eins) kaum zu stoppen war, lag Kielce zur Pause mit 15:13 vorne.

Andreas Wolff wieder mit starker Leistung

Bei Magdeburg stand überraschend Gisli Kristjansson in der Aufstellung. Der isländische Spielmacher musste gegen Barcelona mit schmerzverzerrtem Gesicht und benommen nach 57 Minuten vom Feld. Coach Bennet Wiegert sprach von einer ausgekugelten Schulter.  Trotz der anstehenden und nötigen Operation, die einen langen Ausfall nach sich ziehen wird, konnte nach einem Belastungstest am Sonntagmorgen Kristjansson für das eine Spiel auflaufen. Nach 18 Minuten betrat er das Parkett und war zur Pause mit drei Treffern gemeinsam mit Michael Darmgaard und Matthias Musche bester Werfer der Grün-Roten. Linksaußen Musche hatte im Halbfinale übrigens keine Sekunde gespielt.

Kielce ließ sich insgesamt aber nicht aus dem Konzept bringen. Die Polen transportierten ihren Pausenvorsprung deshalb erst einmal und bauten ihn zeitweise sogar auf drei oder vier Treffer aus. Wolff hielt weiter ein paar Unmögliche und Dujshebaev entzog sich der   von Wiegert angeordneten,  engeren Bewachung, in dem er seine Nebenleute Dylan Nahi und Arkadiusz Moryto gekonnt einsetzte.

Medizinischer Notfall auf der Pressetribüne

In der 48. Minute versetzte ein medizinischer Notfall auf der Pressetribüne die Arena in Schockstarre. Das Finale musste beim Stand von 22:20 für Kielce unterbrochen werden, die vorher so laute Halle war völlig still. Der polnische Journalist wurde notärztlich versorgt und dann ins Krankenhaus gebracht. Nach 13 Minuten konnte das Spiel fortgesetzt werden.

Finale-MVP Kristjansson führt Magdeburg zum Sieg

Magdeburg steckte die Unterbrechung besser weg und glich durch Musche zum 22:22 aus (53.). Weil nun auch Nikola Portner im Tor ein Faktor war und Smits weiter traf, ging der SCM in der 56. Minute durch Christian O’Sullivan sogar 25:24 in Führung. Kielce konterte zum 26:25, doch Darmgaard brachte Magdeburg 20 Sekunden vor Schluss in die Verlängerung.

Dort legte der SCM angeführt vom nimmermüden Final-MVP Kristjansson (6 Tore insgesamt) zwei Tore vor, musste aber bis zum Schluss zittern. Erst als der letzte Wurf von Symon Sicko in der Magdeburger Abwehrmauer hängen blieb, war der Triumph des Außenseiters perfekt. Ein Erfolg, auf den die Magdeburger lange 21 Jahre warten mussten.

Wir haben auf das Momentum gewartet und sind auch im Finale immer wieder aufgestanden. Ich kann es nicht fassen, was diese Mannschaft leistet und werde es nie begreifen", jubelte Bennet Wiegert. Dann feierte er mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern und sagte die große Party an: „Ich gebe jetzt jede Verantwortung ab. Magdeburg kann sich auf etwas gefasst machen.“

Statistik: Tore Magdeburg: Smits (8/6 Siebenmeter), Darmgaard (6), Kristjansson (6), Musche (4), Saugstrup (3), Bergendahl (1), O'Sullivan (1). - Tore Kielce: A. Dujshebaev (8), Moryto (5/1), Nahl (5), D. Dujshebaev (3), Karalek (3), Kounkoud (2), Tournat (2), Sicko (1).