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Bundesliga-AuftaktLeverkusen zeigt alte Stärken und neue Schwächen

Lesezeit 5 Minuten
Doppelpacker: Florian Wirtz war bei Leverkusens 3:2 bei Borussia Mönchengladbach der entscheidende Spieler.

Doppelpacker: Florian Wirtz war bei Leverkusens 3:2 bei Borussia Mönchengladbach der entscheidende Spieler.

Bayer 04 Leverkusen ist mit dem 3:2-Auftaktsieg in Gladbach zufrieden, übt sich aber auch in Selbstkritik.

Glaube und Überzeugung von Bayer 04 Leverkusen haben eine Stabilität entwickelt, die die Konkurrenz in der Fußball-Bundesliga direkt nach dem ersten Spiel der Saison 2024/25 zum Stauen und Stöhnen bringt. „Nicht schon wieder.“ So oder so ähnlich dürfte es am Freitagabend um 22.30 Uhr in München, Dortmund und Leipzig geklungen haben, als Florian Wirtz in der elften Minute der Nachspielzeit den 3:2 (2:0)-Siegtreffer für die Werkself bei Borussia Mönchengladbach erzielte. Die drei Monate zwischen Ende Mai und Ende August mit Fußball-Europameisterschaft und Sommerpause haben der Mentalität des Doublesiegers ganz offensichtlich keinen Abbruch getan.

„Es ist nicht zu erklären. Das ist etwas, was wir nicht trainieren. Diese unglaubliche Mentalität ist ein Element dieser Mannschaft. Sie haben es wieder gefühlt“, staunte auch Bayer-Coach Xabi Alonso. Sein Taktgeber Granit Xhaka fand bekannte Worte: „Wir haben einmal mehr gezeigt, dass wir nicht aufgeben, sondern bis zum Schluss an uns glauben.“ Leverkusen hatte erst vor einer Woche im Supercup gegen den VfB Stuttgart ihre Monster-Mentalität gezeigt und in der 88. Minute in Unterzahl zum 2:2 ausgeglichen.

Wir haben ein schwieriges Auswärtsderby gewonnen und die ersten drei Punkte der Saison.
Simon Rolfes, Geschäftsführer Bayer Leverkusen

Die Euphorie im Lager des Doublesiegers nach dem schwer erkämpften Auftaktsieg vor 54.042 Zuschauern im ausverkauften BorussiaPark hielt sich allerdings in Grenzen. Aus guten Gründen überwog die Erleichterung, die hohe Auswärtshürde bei stark verbesserten Gladbachern übersprungen zu haben. „Wir haben ein sehr schwieriges Auswärtsderby gewonnen und die ersten drei Punkte der Saison“, freute sich Sportchef Simon Rolfes und schob die wichtigere Erkenntnis hinterher: „Es ist ganz gut für uns zu merken, dass es kein Selbstläufer ist und es nicht einfach nur um Fußballspielen geht, sondern eine Menge mehr.“

Der erste Leverkusener Vortrag der neuen Spielzeit musste in der B-Note einige Abzüge hinnehmen. „Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis und den guten Phasen. Es gab aber auch Phasen, die nicht so gut waren“, monierte Alonso. Der Trainer war beileibe nicht der Einzige, der bei der Suche nach Haaren in der Suppe fündig wurde. „Wir haben das dritte Tor nicht gemacht und die Gegentore zu einfach bekommen“, stellte Simon Rolfes fest.

Xhakas Traumtor an alter Wirkungsstätte

Auch Xhaka, der den Meister an alter Wirkungsstätte (2012-2016) mit einem herrlichen 23-Meter-Kracher früh in Führung gebracht hatte (12.), legte den Finger in die Wunde: „Wir können sehr viele Sachen noch besser machen. Es gibt Luft nach oben für mich selbst, für die ganze Mannschaft. Wir können nicht immer darauf bauen, dass wir kurz vor Schluss oder in der Nachspielzeit Tore machen, sondern müssen probieren, die Spiele vorher zu entscheiden.“

Nach Xhakas 1:0 ließ Bayer 04 mehrfach das 2:0 liegen, das Florian Wirtz dann mitten in eine Drangphase der Borussia hinein per Abstauber erzielte (38.). Es war um die 30. Minute herum, als die Alonso-Elf durch kleine Nachlässigkeiten die Kontrolle verlor und Gladbach das Gefühl gab, etwas ausrichten zu können.

Die in einigen Phasen mangelhafte Kompaktheit und um sich greifende Passivität im Spiel gegen den Ball rächte sich nach der Pause. Bei einem von Robert Andrich verursachten Standard des auffälligen Borussia-Zugangs Kevin Stöger fehlte die Aggressivität, das Tor zu verteidigen. Xhaka verlor das Kopfballduell gegen Kou Itakura und im Zentrum fühlte sich niemand für Torschütze Nico Elvedi zuständig (59.). Kurz zuvor hatte Jeremie Frimpong nach Xhaka-Zuspiel erneut den dritten Treffer liegen gelassen (57.).

Wir waren nicht immer kompakt, auch etwas zu passiv. Das ist nicht unser Standard.
Xabi Alonso, Trainer Bayer Leverkusen

Leverkusen kontrollierte nach dem 1:2 zwar weiter die Partie, fing sich aber trotzdem noch den Ausgleich durch Tim Kleindienst (85.). Ein Tor, das in seiner Entstehung Bayers Schwächen an diesem Abend offenbarte. „Wir waren nicht immer kompakt genug, auch etwas zu passiv. Das ist nicht unser Standard“, sagte Xabi Alonso. Robert Andrich sprach die Einstellung an: „Es hat mit dem Verhalten zu tun, das Tor verteidigen zu wollen. Da fehlen uns schon noch ein paar Prozente.“

Die Werkself kassierte wie gegen Stuttgart zwei Tore und gab erstmals seit eineinhalb Jahren einen Zwei-Tore-Vorsprung aus der Hand. Zu viel für ein Team, dass in der vergangenen Saison mit 24 Gegentreffern die beste Defensive stellte und damit die Grundlage zum ersten Titelgewinn der Clubgeschichte legte. „20 Meter vor dem Tor müssen wir aggressiv dran sein. Das waren wir bei beiden Toren nicht. Wir müssen daran arbeiten, weniger Tore zu kriegen“, forderte Simon Rolfes.

Umstrittene VAR-Entscheidung

Glaube und Überzeugung sorgten in der Nachspielzeit trotzdem für den Sieg und das 35. ungeschlagene Bundesligaspiel hintereinander. Bayer 04 benötigte allerdings eine umstrittene VAR-Entscheidung, um nach einem Zweikampf zwischen Itakura und Amine Adli noch zum Sieg zu kommen. Schiedsrichter Robert Schröder hatte zuerst auf Weiterspielen entschieden, dann aber von Benjamin Cortus ein Signal aus dem Kölner Keller erhalten.

Je nach Kameraeinstellung sah Itakuras Einsatz nach korrektem Ballspielen oder klarem Foul aus. Schröder entschied nach Ansicht der Bilder auf Strafstoß, den Florian Wirtz mit etwas Glück im Nachschuss zum 3:2 nutzte. „Es geht natürlich nicht immer gut, aber diesmal ging es mal wieder gut“, fasste Rolfes zusammen. In dem Wissen, dass der Meister in Gladbach alte Stärken, aber auch neue Schwächen gezeigt hatte.