AboAbonnieren

Bayer 04 LeverkusenAlonso moniert zu viel Selbstzufriedenheit

Lesezeit 4 Minuten
Bilder der Enttäuschung: Trainer Xabi Alonso, Granit Xhaka und Alejandro Grimaldo nach dem Spiel gegen Holstein Kiel 2:2.2

Bilder der Enttäuschung: Trainer Xabi Alonso, Granit Xhaka und Alejandro Grimaldo nach dem Spiel gegen Holstein Kiel 2:2.

Der deutsche Fußball-Meister hat sich beim 2:2 gegen Aufsteiger Kiel erneut einen Ausrutscher in der Bundesliga erlaubt.

Selbstzufriedenheit war das Schlagwort, das Xabi Alonso, seinen Profis von Bayer Leverkusen nach dem 2:2 (2:1) gegen Holstein Kiel nicht auf Deutsch, sondern als englisches „Complacency“ mit auf den Weg in die Länderspielpause geben musste. Der Trainer hatte im Vorfeld des sechsten Bundesligaspieltags noch betont, in den eigenen Reihen keine Anzeichen für mentale Schwäche erkennen zu können.

Abgesehen von dem wackeligen 4:3 gegen Wolfsburg hatte die Werkself zwischen den beiden Länderspielpausen nämlich mit starken Leistungen in der Liga (4:1 in Hoffenheim und 1:1 bei Bayern München) und der Champions League (4:0 in Rotterdam und 1:0 gegen die AC Mailand) langsam aber sicher die Vorjahres-Form erkennen lassen.

Kiel mit nur einem Punkt angereist

Ausgerechnet gegen das sieglose Schlusslicht aus Kiel, das aus den bisherigen fünf Partien nur einen Zähler in Bochum ergattert hatte, gab es am Samstag nun den empfindlichsten aller Rückschläge in der Saison nach dem Double. Alonso, den zwei Champions League-Siege zu aktiven Zeiten ebenso wenig zufrieden gestellt hatten, wie ein Welt- und ein Europameistertitel, musste es als persönlichen Affront betrachten, dass sein Team eine 2:0-Führung schon nach acht Minuten, in die größte, negative Überraschung der bisherigen Bundesliga-Saison verwandelt hatte.

„Es war nur unsere Schuld“, polterte der 42-jährige Baske, „wenn wir so agieren, können wir mal ein Spiel gewinnen, aber auch wieder verlieren“. Diese Hochs und Tiefs seien „aber nicht das, was wir wollen“. Dabei hatte er vier Tage nach dem Highlight in der Königsklasse gegen Milan bewusst auf die große Rotation verzichtet. Einzig den zuvor fünfmal nicht berücksichtigten Jonas Hofmann hatte er in den Dreiersturm mit Florian Wirtz und Victor Boniface beordert. Zudem gab Exequiel Palacios an der Seite von Granit Xhaka seine Saisonpremiere nach Knie-OP auf der Doppelsechs.

Letztes Jahr waren wir Meister, weil wir jedes Spiel angegangen sind, wie die Verrückten.
Lukas Hradecky, Kapitän Bayer Leverkusen

„Es lag sicher nicht an den einzelnen Spielern“, kam Lukas Hradecky weg von der Personalsituation und hin zu dem, was in den Köpfen der Bayer 04-Profis schiefgelaufen war. „Letztes Jahr waren wir Meister, weil wir jedes Spiel angegangen sind, wie die Verrückten“, sah der Kapitän einen großen Unterschied zwischen den „deutschen Invincibles“ in 2023/24 und der aktuellen Mannschaft.

Obwohl oder gerade weil Victor Boniface den ersten Umschaltmoment über Jonathan Tah, Wirtz und Palacios früh mit dem 1:0 abgeschlossen (4.) und Hofmann den von Wirtz erzwungenen Torwartfehler Timon Weiners mit dem 2:0 bestraft hatte (8.), ließen die Leverkusener „den Patienten am Leben“ (Hradecky) und verpassten „die Chance das Spiel zu killen“ (Alonso).

Reihenweise individuelle Patzer

In der Folge waren die Ausrutscher von Tah und Interims-Abwehrchef Robert Andrich ebenso Warnzeichen, wie der Fehlpass von Edmond Tapsoba im eigenen 16er. „Das sind Momente, in denen man einsehen muss, dass es nicht geht, einfach locker zu spielen“, stellte Torwart Hradecky klar, „diese Leichtigkeit und Lockerheit haben etwas anderes als Seriosität ausgestrahlt“.

Dass Andrich den nach einer Holtby-Ecke mit der Schulter erfolgreichen Max Geschwill nicht am 2:1 hinderte (45.+5), ließ diese Kritik ebenso berechtigt erscheinen, wie die Elfmeter-Szene vor dem 2:2 (69.). So entschlossen Kiels Armin Gigovic an Tah vorbeizog und das Foul von Jeremie Frimpong provozierte, so passiv wirkten Hradeckys Vorderleute: „Als ob wir uns da heraushalten, uns nicht verletzten wollen“, schimpfte der Kapitän, „das ist inakzeptabel“.

Wir waren in einer Woche nicht für zwei Topspiele bereit.
Xabi Alonso, Trainer Bayer Leverkusen

Anders als beim ebenfalls verspielten 2:0 in Mönchengladbach (3:2) und ähnlich dem kollektiven Kollaps nach 2:0 gegen Leipzig (2:3) konnte der Deutsche Meister die vielen individuellen Defensiv-Aussetzer in der Schlussphase nicht mehr korrigieren.

Also musste Alonso dem neuen Vorletzten aus Holstein einen „verdienten Punkt“ zugestehen und registrieren, dass der Werksclub nach acht Spieltagen bei zwölf Gegentreffern und damit bei halb so viel wie in der gesamten vergangenen Saison steht. „Wir waren in einer Woche nicht für zwei Topspiele bereit“, sagte der Coach.

Um dessen Vorwurf der „Selbstzufriedenheit“ zu entkräften, wären Hradecky und Co. gerne umgehend gegen Eintracht Frankfurt angetreten. Auf das Duell mit den Hessen müssen die Leverkusener aber bis zum 19. Oktober warten. „Das ist bitter, dass wir das vor der Länderspielpause schlucken müssen“, beendete der Bayer 04-Spielführer seine Wutreden, „aber vielleicht hat es das gebraucht, um zu lernen, was in der Bundesliga Spielen von uns fordert“.