Theater hatte Toni Schumacher in seinem Leben viel - im übertragenen Sinn. Mit 70 spielt er nun selbst in einem Stück mit. Wir blicken zurück auf seine bewegenden Momente.
Torwartlegende des 1. FC KölnToni Schumacher wird 70 – und blickt auf eine bewegte Karriere zurück
Die Lust auf neue Herausforderungen hat Harald „Toni“ Schumacher nicht verloren. Mit 70 Jahren kehrt er in diesem Frühjahr auf die Bühne zurück – nicht auf die große Fußballbühne, aber auf die Theaterbühne. „Fußball ist auch gewisses Theater. Aber ich bin froh, dass ich jetzt beim richtigen Theater mitmachen darf“, sagt die Torwartlegende des 1. FC Köln und der deutschen Nationalmannschaft einige Tage vor dem runden Geburtstag an diesem Mittwoch und lacht.
Im Theaterstück „Die Nacht von Sevilla“ geht es um Schumachers bekanntesten sportlichen Auftritt. Das WM-Halbfinale 1982 zwischen Deutschland und Frankreich hat ihn geprägt wie keine andere Partie. Besonders mit einer Szene des spektakulären Spiels, das Deutschland auch dank Schumacher 5:4 im Elfmeterschießen gewann, wird er auch mehr als 40 Jahre danach noch häufig konfrontiert.
„Noch heute fragt mich jeder: War es ein Foul oder war es kein Foul?“, sagt Toni Schumacher zu seinem heftigen Einsteigen gegen Patrick Battiston. Der Franzose, der von Schumacher gerammt wurde, erlitt unter anderem einen Haarriss in der Halswirbelsäule und verlor mehrere Zähne. Als Foul gewertet wurde die Aktion damals nicht.
In Sorge um den 1. FC Köln
„Danach sind Dinge geschehen wie „Wir entführen deine Kinder“„, berichtet Schumacher. „Und ich bin verglichen worden mit den Wächtern der Konzentrationslager von Dachau und Auschwitz - und die haben hunderttausende Menschen umgebracht.“ In französischen Medien wurde er unter anderem als „SS-Schumacher“ bezeichnet. Bei Battiston hat Schumacher schon kurz nach dem Vorfall um Entschuldigung gebeten. Der heute 66-Jährige nahm die Entschuldigung an und bezeichnete die Sache als „erledigt“.
Die Anfeindungen hinterließen bei Toni Schumacher jedoch tiefe Spuren. In der ZDF-Dokumentation „Jahrhundertspiel“ spricht er offen von Depressionen. „Ich habe sie graue Wölfe genannt, weil das ein besseres Bild ist. Ich war oft traurig, ich habe mich zurückgezogen. Du wirst dann dunkel und lässt die Freude nicht mehr an dich ran. Bist auch sehr nah am Wasser gebaut“, sagt Schumacher. Dass er die Probleme bewältigt hat, verdankt Schumacher nach eigenen Angaben auch seinen Kindern. Zu seinem 70. Geburtstag hat er sich eine Feier im engsten Kreis gewünscht. Den großen Trubel braucht der gebürtige Dürener im Privatleben nicht. Um ihn ist es trotz seiner Rolle als EM-Botschafter der Stadt Köln ruhiger geworden. Theater – im übertragenen Sinne – hatte Schumacher in seinem Leben genug.
Rauswurf beim 1. FC Köln nach Buchveröffentlichung
Nach der Veröffentlichung seines Buchs „Anpfiff“ 1987 wurde der Europameister von 1980 beim 1. FC Köln und aus der Nationalmannschaft rausgeworfen. Schumacher hatte über angebliche Dopingpraktiken, Sex und Spielsucht seiner Kollegen berichtet, galt als Nestbeschmutzer. Seine Karriere setzte „der Tünn“ beim FC Schalke 04 fort. Auch für Fenerbahce Istanbul, den FC Bayern München und einmal als Aushilfe für Borussia Dortmund stand er noch im Tor. Nach der aktiven Karriere arbeitete Schumacher weiter im Fußball. Er hatte mehrere Stationen als Torwarttrainer, war TV-Experte und bildete von 2012 bis 2019 mit Präsident Werner Spinner und Vizepräsident Markus Ritterbach den Vorstand des 1. FC Köln, ehe das Trio auf Vorschlag des Mitgliederrates zugunsten des bis heute amtierenden Präsidiums abgesetzt wurde. Es war das unrühmliche Ende von Schumachers Zeit als Funktionär beim FC – der Meistertitel 1978 sowie die drei DFB-Pokalsiege 1977, 1978 und 1983 bleiben dennoch eng mit ihm verbunden.
Seinen stark abstiegsbedrohten Herzensverein verfolgt er auch heute noch – mit Sorge („Es sieht dramatisch aus“), aber auch mit etwas Abstand. „Man muss immer differenzieren zwischen dem Verein und den jeweils handelnden Personen. Mit dem FC ist es wie mit einer Liebesbeziehung. Es gibt Höhen und Tiefen, doch am Ende bleibt die Liebe“, sagt Schumacher in einem „kicker“-Interview. Mittlerweile gehe er als Fan ins Stadion. „Als ich im Vorstand war, war das noch etwas anderes. Wenn der Torwart da ein Gegentor bekommen hat, haben sich die Leute umgedreht und mich angeschaut, als ob ich selbst im Tor gestanden hätte.“ Wie es sich anfühlt, Torwart zu sein, will Schumacher nun auf der Bühne mit Schauspieler Peter Lohmeyer vermitteln. „Wir wollen das Publikum so begeistern, dass sie das Gefühl haben, mit auf dem Platz zu stehen – und in meinem Fall: mit im Tor zu stehen“, sagt er bei einem Termin im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Am 14. Mai soll das Theaterstück von Autor Manuel Neukirchner im Rahmen der Ruhrfestspiele uraufgeführt werden. „Gute und wichtige Geschichten müssen immer weitererzählt werden“, sagt Lohmeyer zur „Nacht von Sevilla“. Und weil Schumacher das genauso sieht, hat er von einem Plan Abstand genommen. „Ich hatte gedacht, das Theaterstück wäre für mich ein schöner Abschluss des Themas. Aber nachdem, was der Peter gesagt hat, werde ich das nicht sagen, sondern weiterhin die Geschichte erzählen.“ (dpa, mit tca)