Der 1. FC Köln hat sich ein ultimatives Abstiegs-Finale in Heidenheim erarbeitet. Dennoch gestalten sich die Chancen auf den Sprung in die Relegation überschaubar.
Nach Last-Minute-SiegEkstase und ein wenig Ernüchterung beim 1. FC Köln
Als der Wahnsinn seinen Höhepunkt erreicht hatte, beschlichen Timo Schultz Sorgen um die Stabilität des Tollhauses in Müngersdorf. „Ich bin froh, dass das Dach noch drauf ist. Es war so laut, dass es fast hätte abheben können. Die Hütte ist explodiert“, beschrieb der Trainer des 1. FC Köln jenen Jubelorkan, der in der dritten Minute der Nachspielzeit durch den Westen der Stadt gefegt war. Es war der Moment, in dem sich sämtliche Emotionen entluden, nachdem der siebte Abstieg aus der Fußball-Bundesliga in der Vereinsgeschichte der Geißböcke bereits besiegelt geschienen hatte. „So eine Stimmung wie hier – das ist nicht in vielen Stadien möglich“, sagte Schultz mit einem Staunen. Am Ende einer irrwitzigen Schlussphase hatte das Siegtor des eingewechselten Teenagers Damion Downs zum überlebenswichtigen 3:2 (1:2)-Erfolg im Kellerduell gegen Union Berlin dem Tabellenvorletzten das erhoffte ultimative Endspiel am letzten Spieltag beim 1. FC Heidenheim (Samstag, 15.30 Uhr) verschafft.
Herrschte nach dem Abpfiff noch ausgelassene Freude auf den mit 50.000 Zuschauern voll besetzten Rängen des Rhein-Energie-Stadions, trübte sich die Stimmung wenige Stunden später etwas ein. Der 3:0-Sieg des neuen Tabellen-15. FSV Mainz 05 im Abendspiel gegen den am Rande der Wettbewerbsverzerrung wandelnden Champions-League-Finalisten Borussia Dortmund nahm den Kölnern die Chance, die Klasse sogar noch auf direktem Wege halten zu können. Für den FC geht es somit nur noch um den Sprung in die Relegation, deren Hinspiel am Donnerstag, 23. Mai, beim Tabellen-16. der Bundesliga ausgetragen wird. Das Rückspiel ist für Montag, 27. Mai (jeweils 20.30 Uhr), beim Dritten der Zweiten Liga angesetzt. Als Gegner des Erstligisten steht Fortuna Düsseldorf fest.
Doch selbst der Sprung in die Relegation stellt für den 1. FC Köln ein schwieriges Unterfangen dar. Neben einem eigenen Sieg in Heidenheim sind die Geißböcke darauf angewiesen, dass Union Berlin sein Heimspiel gegen den zum Abschied von Trainer-Legende Christian Streich noch um eine Europapokal-Teilnahme kämpfenden SC Freiburg verliert. Damit nicht genug: Der FC steht unter zusätzlichem Druck, weil er sein um drei Treffer schlechteres Torverhältnis (27:56) gegenüber Union (31:57) wettmachen muss. Wegen der weniger erzielten Tore sind es sogar vier Treffer, die es für die Kölner aufzuholen gilt. Sollte der kuriose Fall eintreten, dass beide Mannschaften nach dem 34. Spieltag dieselbe Punktzahl und auch das exakt gleiche Torverhältnis aufweisen, käme der direkte Vergleich zur Anwendung, den die Köpenicker aufgrund ihres 2:0-Sieges im ersten Duell für sich entschieden haben.
Der FC hatte am Samstag also im Grunde genommen zu knapp gewonnen. Dass er überhaupt gewonnen hatte, grenzte nach einem weiteren fußballerischen Offenbarungseid jedoch an ein Wunder, das verblüffende Parallelen zum ebenso spät errungenen Sieg vor fünf Wochen gegen den VfL Bochum (2:1) aufzeigte. Nach einer desaströsen Anfangsphase, die in einem 0:2-Rückstand durch Robin Knoche (15.) und Kevin Volland (19./Handelfmeter) gipfelte, standen die wie gelähmt wirkenden Kölner schon mit anderthalb Beinen in der Zweiten Liga. Selbst der Anschlusstreffer kurz vor der Pause durch einen von Kapitän Florian Kainz verwandelten Foulelfmeter (45.) konnte die Not im Kölner Spiel nicht lindern. Als das Heimpublikum immer stiller wurde und dem drohenden Abstieg entgegen trauerte, verliehen die eingewechselten Steffen Tigges (87.) und Damion Downs (90.+3) dem FC ohne Vorankündigung ein weiteres neues Leben im Abstiegskampf. Weshalb sich Präsident Werner Wolf für „Tränen in den Augen“ bedankte.
„Vor fünf Minuten noch abgestiegen, jetzt wieder mittendrin, körperlich und mental komplett am Ende“, fasste Timo Hübers die Gefühlslage nach der dramatischen Wende zusammen. Während Florian Kainz „müde“, aber „überglücklich“ war, konnte Dominique Heintz das Erlebte zunächst kaum begreifen. „Eigentlich waren wir weg, tot. Und auf einmal lebst du wieder“, erklärte der Abwehrmann, um mit neuem Optimismus auf den Showdown zu blicken: „Das ist wieder möglich, das spüre ich. Heute hat uns der Fußballgott einen Strohhalm gereicht, und an den haben wir uns noch mal ganz fest geklammert.“
So bleibt vielleicht sogar etwas mehr als ein Fünkchen Hoffnung. „Das kann einer der kuriosesten Klassenerhalte werden, die es seit langer Zeit gegeben hat“, frohlockte Trainer Timo Schultz, der seinen Spielern „ein unfassbares Herz und einen riesigen Willen“ bescheinigte. „Dass das bei uns nicht immer nach Tiki-Taka aussieht, wissen wir selbst.“ Christian Keller hatte zwar ebenfalls „keinen Leckerbissen“ gesehen, doch darum war es dem Kölner Sportchef ohnehin nicht gegangen: „Das Wichtigste ist, dass man gesehen hat, dass wir alle zusammenhalten. Dass jeder gewillt ist, wieder aufzustehen – egal wie viele Rückschläge kommen. Und, dass jeder daran glaubt, dass es immer noch möglich ist.“
Um dem Glauben an das Kölner Rettungswunder weiteren Nachdruck zu verleihen, bemühte sich Timo Schultz einer Fußball-Weisheit des damaligen Dortmunder Machers Michael Meier aus dem Frühjahr 2002. „Wir sind schon seit Wochen in der Rolle des Jägers. Einst hat ein Manager gesagt: ‚Am Ende gewinnt immer der Jäger.‘ Das würde ich mir jetzt wünschen“, formulierte der FC-Coach, der andererseits eine „verlustreiche Schlacht“ einräumen musste. Denis Huseinbasic und Benno Schmitz (beide fünfte Gelbe Karte) werden in Heidenheim gesperrt fehlen; überdies drohen der nach einem Tritt in den Wadenbereich früh ausgewechselte Luca Waldschmidt sowie Max Finkgräfe (Knöchelverletzung) auszufallen. Der aufstrebende Linksverteidiger war nach dem Abpfiff in die Kabine getragen worden. Um ihn herum tobte eine Siegesfeier so wild wie das Spiel.