AboAbonnieren

Paderborns Trainer Lukas Kwasniok im Interview„Der 1. FC Köln bleibt der absolute Topfavorit“

Lesezeit 9 Minuten

Lukas Kwasniok (vorne) trat vor drei Jahren beim SC Paderborn die Nachfolge des heutigen HSV-Trainers Steffen Baumgart (hinten) an.

Lukas Kwasniok hat den einstigen Fahrstuhlclub SC Paderborn zu einem stabilen Zweitligisten geformt. Im Rundschau-Interview spricht er über die Partie am Freitag beim 1. FC Köln, die Arbeit an einem kleineren Standort und seine ungewöhnliche Vita.

Herr Kwasniok, ist es ein Vor- oder ein Nachteil für Ihre Mannschaft, dass der 1. FC Köln in Darmstadt eine 1:5-Klatsche kassiert hat?

Weder noch. Ich habe das Gefühl, dass ein Heimspiel schon nochmal etwas anderes ist für den FC als auswärts. Deshalb glaube ich jetzt nicht, dass das Ergebnis in Darmstadt in irgendeiner Form Vor- oder Nachteile für uns mitbringt. Ich glaube, die Kölner haben ein paar Themen. Wir haben ein paar Themen nach dem letzten Spiel. Gucken wir mal, wer sie besser abgearbeitet hat unter der Woche.

Erwarten Sie eine besonders motivierte Kölner Mannschaft?

Auf jeden Fall mal eine stürmische. Sie haben es in den allermeisten Heimspielen geschafft, den Gegner gerade zu Beginn zu überlaufen. Ich gehe davon aus, dass die Herangehensweise ähnlich sein wird. Das musst du erstmal schon auch ein wenig überstehen. Ich glaube, dass die Mannschaft diese Art des Fußballs grundsätzlich verinnerlicht hat und dass ihr Trainer das auch einfordert.

In Darmstadt wurde der FC ausgekontert. Rechnen Sie daher nicht mit tiefer stehenden Kölnern?

Das glaube ich nicht. Wenn man eine Spielart an den Tag legt, von der man überzeugt ist, dann arbeitet man eher an den Dingen, damit die Konter unterbunden werden können. Also: noch aggressiveres, noch aktiveres Gegenpressing. Dass noch mehr Druck auf den Ball gemacht werden soll, als es in Darmstadt in der ein oder anderen Szene der Fall war. Ich glaube eher, dass es in diese Richtung geht, dass dort die Sinne geschärft werden.

Sind Sie überrascht vom holprigen Kölner Saisonstart?

Ich bin einzig und allein darüber überrascht, dass die Ergebnisse nicht den Leistungen entsprechen. Das ist, glaube ich, auch das Kernproblem der Mannschaft gewesen. Wenn du die ganze Zeit hörst, wie toll du eigentlich bist – weil du ja wirklich gute Spiele machst, aber es nicht finalisierst – dann gibt es vielleicht irgendwann mal ein Spiel so wie in Darmstadt, wo du vielleicht einen halben Meter weniger machst, weil du schon das Gefühl hast: Wir sind ja gut. Es ist ja nicht von der Hand zu weisen: Köln ist mit Abstand die beste Mannschaft der Liga. Mit Abstand!

Bei Traditionsvereinen, wo alles etwas unruhiger ist, reagiert das Stadion etwas sensibler auf nicht ganz so gute Phasen. Das ist natürlich unser Ziel.
Lukas Kwasniok

Zählt der FC für Sie noch zu den Favoriten auf den Aufstieg?

Der FC ist der absolute Topfavorit. Als beispielsweise Schalke und Bremen aufgestiegen sind, haben beide etwas gebraucht, ehe sie die Liga mit sechs, sieben, acht Siegen in Folge von hinten aufgeräumt haben. Und: Köln ist ja gar nicht so weit unten. Mit vier, fünf, sechs Siegen, wozu die Kölner jederzeit in der Lage sind, sind sie wieder oben mit dabei.

Nach dem Debakel in Darmstadt wächst die Unzufriedenheit im FC-Umfeld. Liegt genau darin die Chance für Ihre Mannschaft?

Das liegt in der Natur der Sache und ist keine neue Situation – auch für den FC nicht. Bei Traditionsvereinen, wo alles etwas unruhiger ist, reagiert das Stadion etwas sensibler auf nicht ganz so gute Phasen. Das ist natürlich unser Ziel. Aber ob uns das gelingt? Puh.

Wie hat Ihre Mannschaft die erste Saisonniederlage weggesteckt?

Uns ging es in Lautern so ähnlich wie den Kölnern in vielen Spielen. Wir haben ein Spiel verloren, das wir niemals hätten verlieren dürfen. Unsere Leistung war in Ordnung. Sie wird trotzdem nicht reichen, um in Köln zu bestehen. Wir müssen eine Schippe drauflegen und diese kapitalen Fehler wie beim 0:1 abstellen. Dann ist für uns in jedem Spiel etwas zu holen. Auch wenn wir in Köln der krasse Außenseiter sind.

Wie bewerten Sie den Saisonstart Ihrer Mannschaft?

Ich finde, dass wir insgesamt stabil sind. Unterm Strich ist es gefühlt schwer, aus dem Spiel Tore gegen uns zu erzielen. Wir haben ein paar Probleme bei zweiten Bällen und Standardsituationen. Zudem war unser Keeper in den jüngsten Spielen leider nicht so stabil. Jetzt gilt es, wieder konsequent zu verteidigen in der eigenen Box.

Sie sind bereits in der vierten Saison in Paderborn tätig. Warum passt es so gut?

Das ist Verzweiflung hier in Paderborn (lacht). Ich glaube, in allererster Linie passt ein Trainer, der jetzt noch nicht über so viel Erfahrung verfügt, besser nach Paderborn, als ein erfahrener Trainer. Weil der Verein noch jung ist. Der Verein entwickelt sich, der Trainer entwickelt sich, die Mannschaft entwickelt sich. Der Verein gibt mir die Zeit, immer wieder eine Mannschaft zu entwickeln, mich zu entwickeln, zu reifen. Solange beide Seiten das Gefühl haben, dass sie die Bereitschaft haben, Dinge verbessern zu wollen, und sich gegenseitig die Zeit geben, glaube ich nicht, dass man an dieser Konstellation großartig etwas ändern muss.

In Köln muss man sich auf diese Tradition, auf die Menschen, auf diese Art des Lebens, auf das Stadion, auf die Fans freuen. Da muss man Bock drauf haben. Als Spieler und als Trainer.
Lukas Kwasniok

Welche Philosophie verfolgt der SC Paderborn?

Aktuell sind wir noch darauf angewiesen, Spieler zu entwickeln und sie zu verkaufen. Das ist Teil unserer Identität. Der Grund, warum wir das hier überhaupt dauerhaft so machen können, ist einfach, dass wir junge Spieler einbauen. Die Spieler kommen vermehrt nach Paderborn, weil sie das Gefühl haben, sie werden hier tatsächlich eingesetzt. Das erfolgt bei Vereinen oftmals eher aus der Not heraus. Wir sind Überzeugungstäter diesbezüglich. Wir greifen auf dem Transfermarkt nicht ins Topregal, aber bei vielen U19-, U20-, U21-Nationalspielern haben wir ganz ordentliche Karten. Auch, weil sie bei uns Fehler machen dürfen, das ist ein großer Vorteil. Das ist in Köln, in Hamburg oder auf Schalke natürlich etwas schwierig.

Welche weiteren Vorteile hat ein kleinerer Standort?

Alles hat Vor- und Nachteile. Sieben der 13 Zweitliga-Spieler mit dem höchsten Marktwert kommen aus Köln. Bei uns kannst du so einen hohen Marktwert gar nicht generieren. Aber dafür müssen wir auch weniger Geld bezahlen. Ein Spieler, der nach Köln kommt, spielt nicht für das Geld wie in Paderborn. Dafür hat er einen anderen Marktwert. An großen Standorten werden Spieler schneller gehypt, hier können sie ein bisschen mehr reifen, geduldiger sein. Es gibt kein besser oder schlechter. Ich glaube, die große Kunst ist einfach, die Dinge anzunehmen und sich auf sie zu freuen. Das ist das A und O. In Köln muss man sich auf diese Tradition, auf die Menschen, auf diese Art des Lebens, auf das Stadion, auf die Fans freuen. Da muss man Bock drauf haben. Als Spieler und als Trainer.

Warum gelingt es Paderborn, vor Traditionsclubs zu landen?

Wir haben es mal so genannt, dass wir mit einem Speedboot unterwegs sind und die anderen so ein bisschen mit dem großen Tanker. Das hat ein paar Vorteile, weil wir sehr genau wissen: Mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit werden wir auch nächstes Jahr in der Zweiten Liga spielen. Das heißt, wir können uns jetzt schon mit potenziellen Neuzugängen beschäftigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der HSV, Köln oder Schalke sich schon mit der kommenden Saison beschäftigen – weil der Alltag sie viel zu sehr beansprucht. Aber bei uns kann das parallel laufen. Wir arbeiten in der Gegenwart, aber denken zeitgleich immer an die Zukunft. Weil das Umfeld natürlich nicht ganz so sprunghaft, nicht ganz so hektisch ist. Deshalb können wir auch mithalten. Sonst hätten wir keine Chance.

Baumi hat hier tolle Arbeit geleistet. Ich hoffe, dass die Menschen das eines Tages auch über mich sagen werden.
Lukas Kwasniok

Wo soll es sportlich hingehen?

Wir wollen uns nicht kleiner machen, als wir sind. Aber es ist nun mal so: Solange der SC Paderborn einstellig einläuft, ist das wie eine Meisterschaft. Je kleiner das Tal, desto größer die Freud'.

Ist die Rückkehr in die Bundesliga ein Thema in Paderborn?

Na ja. Ich sag' mal so: Am Tage eines großen Erfolgs wirkt dieser Traum bisweilen realistischer. Und nach jeder Niederlage ist er immer extrem weit weg. Insofern: Immer die Kirche im Dorf lassen. Aber: Natürlich ist es so, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass so etwas wie in Heidenheim und Kiel auch hier passieren kann.

Verfolgen Sie als Trainer einen Karriereplan?

Nein, aber das habe ich auch früher nicht gemacht.

Weil?

Weil ich glaube, dass die Dinge so kommen, wie sie kommen sollen. Als ich meine Laufbahn angefangen habe, hatte ich gar keine Lizenz. Dann bin ich irgendwann hauptamtlich Trainer geworden beim Karlsruher SC in der U17 – und hatte damals nur die C-Lizenz. Das war eigentlich nicht möglich, nur mit einer Ausnahmeregelung. Meine Lizenzen kamen erst durch die Stationen, nicht umgekehrt. Ich würde nicht zwingend Nein sagen, wenn mal ein Verein aus der Bundesliga anklopfen würde. Ich weiß, es ist der Klassiker: Aber um den Job hier in Paderborn aufzugeben, da muss sehr viel passieren. Ich weiß das hier schon sehr zu schätzen.

Sie haben 2021 als Nachfolger des überaus beliebten Steffen Baumgart in Paderborn übernommen. Wie war das damals für Sie?

Relativ normal. Ich habe gar nichts dagegen, wenn meine Vorgänger gute Arbeit geleistet haben, weil man dann normalerweise ja keinen Hühnerhaufen übernimmt. Ich habe die Konstellation nicht als Last wahrgenommen, sondern mich auf die Arbeit gefreut. Zu Steffen habe ich einen kollegialen Austausch. Er ist einfach ein netter Mensch, ein guter Kerl. Das beruht irgendwo auf Gegenseitigkeit. Ich habe das in Jena schon erlebt, dass ich nach einem Volkshelden – Mark Zimmermann (späterer Trainer der U21 des 1. FC Köln; Anm. d. Red.) – gekommen bin. In Saarbrücken bin ich auf Dirk Lottner gefolgt, der auf Platz eins stehend freigestellt wurde. Deswegen war das für mich nichts Neues. Vielleicht bin ich auch deshalb entspannter damit umgegangen.

Hatten Sie das Gefühl, aus Steffen Baumgarts Schatten treten zu müssen?

Als ich hier angefangen habe, hatte ich mit Fabian Wohlgemuth (heutiger Sportvorstand des VfB Stuttgart; d. Red.) die Vision, den Verein in der Zweiten Liga zu stabilisieren. Man darf nicht vergessen: Der Verein war acht Jahre lang entweder auf- oder abgestiegen. Acht Jahre lang! Die Stabilisierung ist uns ganz ordentlich gelungen. Es ist nicht abgeschossen. Mal gucken, wo der Weg uns noch hinführt. Aber ja: Baumi hat hier tolle Arbeit geleistet. Ich hoffe, dass die Menschen das eines Tages auch über mich sagen werden.

LOB FÜR KWASNIOK

Vor dem Heimspiel gegen den SC Paderborn (Freitag, 18.30 Uhr/ Sky) hat FC-Trainer Gerhard Struber die Arbeit seines Kollegen Lukas Kwasniok gelobt: „Paderborn ist eine bärenstarke Mannschaft, die sehr zusammengewachsen und sehr klar in ihren Abläufen ist. Man sieht die Trainer-Handschrift schon über einen längeren Zeitraum.“ Die Erwartungen an seine eigene Mannschaft, die nach dem 1:5-Debakel in Darmstadt unter Druck steht, formulierte der Österreicher wie folgt: „Für uns gilt einmal mehr, Robustheit aufzubauen, stabil zu sein, eine gute Balance zu finden und auf unsere Stärken zu vertrauen. Ich weiß, was ich von meiner Mannschaft erwarten kann und was sie liefern kann. Das gilt es in einer richtig guten Energie zu liefern.“ (tca)

Voraussichtliche Aufstellungen: 1. FC Köln: Urbig; Pauli, Hübers, Heintz, Pacarada; Martel, Ljubicic; Lemperle, Waldschmidt, Maina; Downs. – SC Paderborn: Schubert; Scheller, Götze, Brackelmann; Obermair, Kinsombi, Castaneda, Zehnter; Kostons, Bilbija; Michel. – SR.: Lechner (Hornstorf).