Carsten Wettich war im Mitgliederrat und dort auch Stellvertretender Vorsitzender bevor er in den Vorstand des 1. FC Köln aufrückte. Martin Sauerborn unterhielt sich vor der Mitgliederversammlung mit dem Vizepräsidenten über die Arbeit des Gremiums.
FC-Hauptversammlung„Der Mitgliederrat ist keine Interessensvertretung“
Guten Tag Herr Wettich, die Mitgliederversammlung 2024 steht vor der Tür. Mit welchem Gefühl gehen Sie nach dem Abstieg, der Transfersperre und der massiven Kritik an Vorstand und Geschäftsführung des 1. FC Köln in die Veranstaltung?
Für uns ist die Mitgliederversammlung ein wichtiges Ereignis. An diesem Tag kommen die FC-Mitglieder in Köln zusammen. Wir erstatten ihnen Bericht, legen ihnen Rechenschaft ab und gehen mit ihnen in den Austausch. Anders als in den Vorjahren haben Vorstand und Geschäftsführung auf drei Mitgliederstammtischen schon im Vorfeld viel kommuniziert. Dieser Austausch hilft uns zu sehen, was die Mitglieder bewegt, was ihnen an unserer Arbeit gefällt, aber auch, was ihrer Meinung nach verbessert werden muss. Die Stammtische mit teilweise über 1.000 anwesenden Mitgliedern waren eine gute Vorbereitung für die Mitgliederversammlung. Ich gehe mit einem guten Gefühl in die Versammlung.
Wie nehmen Sie die Entwicklung im Austausch mit den Mitgliedern wahr, seitdem Sie Vizepräsident sind?
Am Anfang haben wir zu wenig kommuniziert, zumindest mit der breiten Mitgliederschaft. Dafür wurden wir zu Recht kritisiert. Wir haben es uns zu Herzen genommen. Ich finde auch, dass wir uns diesbezüglich deutlich verbessert haben. Zum Beispiel mit den Stammtischen, aber auch mit unserer Podcast-Reihe im Sommer. Wenn ich in Köln unterwegs bin, werde ich oft direkt auf die Themen angesprochen. Dieser persönliche Austausch ist für mich besonders hilfreich. Wir können Dinge erklären, wir nehmen Dinge mit. Das ist es, was mir wirklich Freude an meiner Arbeit macht.
Und wie nehmen Sie die Rückmeldungen der Mitglieder wahr? Hat sich da auch etwas entwickelt?
Ich habe auch in der kritischen Zeit im persönlichen Gespräch neben inhaltlicher Kritik viel Zustimmung für den von uns eingeschlagenen Weg und meine Arbeit erhalten. Ich denke, wir konnten ganz gut erklären, wo wir stehen, und warum wir getan haben, was wir getan haben. Der sportliche Abstieg ist etwas, was dann natürlich alles überlagert. In den vergangenen Monaten ist es uns aber gelungen, die Mitglieder mehr einzubeziehen. Die Tiefe, in der wir mittlerweile informieren und mitnehmen, gibt es so nicht bei vielen Fußballvereinen in Deutschland, davon bin ich überzeugt.
Der 1. FC Köln ist per Satzung ein mitgliedergeführter Verein und der Mitgliederrat seit 2013 als höchstes Gremium einzigartig im deutschen Fußball. Sie sind ein ehemaliger Mitgliederrat. Was hat Sie bewogen, für dieses Gremium zu kandidieren?
Die Idee ist im Jahr 2013 auf einer Elternzeitreise zum Nordkap entstanden. Ich war schon lange FC-Mitglied und Fan. Als Jurist hat mich auch der Blick hinter die Kulissen interessiert. Ich fand es spannend, ein Teil davon zu sein und etwas Einfluss nehmen zu können. Es war damals nicht mein Plan, solange dabei zu sein und schon gar nicht Vizepräsident zu werden.
Wie haben Sie die Arbeit des Mitgliederrates erlebt?
So, wie ich es erwartet hatte. Ich berate als Anwalt Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführer. Mir ist bewusst, was solche Organe tun. Es ist viel trockene Arbeit und hat wenig mit dem zu tun, was samstags auf dem Platz passiert. Als etwas mühsam empfand ich, dass es eigentlich von Anfang an zwischen dem damaligen Vorstand und dem Mitgliederrat geknistert hat. Als positiv habe ich die Zusammenarbeit im Mitgliederrat erlebt, dass wir intern oft kontrovers diskutiert, nach außen aber mit einer Stimme gesprochen haben. Das ist wichtig für ein solches Gremium.
Wie bewerten Sie allgemein die Zusammensetzung des Rates. Es handelt sich per Satzung um einen Aufsichtsrat für den Vorstand. Eine Aufgabe, die in der Mehrzahl von Mitgliedern und nicht von erfahrenen Aufsichtsräten oder ehemaligen Vorständen wahrgenommen wird?
Ich fand, außer das seit Beginn zu wenig Frauen dem Gremium angehören, war es immer eine gute Mischung. Die Mitgliederräte hatten stets einen unterschiedlichen Hintergrund, in Bezug auf das Alter, das Fandasein, beruflich und auch gesellschaftlich. Das war genau die Idee hinter dem Gremium, eine breite Mitgliederbasis abzubilden. 15 Personen sind allerdings eine große Gruppe für die Aufgabe, die der Mitgliederrat letztlich hat.
Eine Aufgabe, die sich wie definiert? Passt die Bezeichnung überhaupt?
Der Mitgliederrat ist das Aufsichtsorgan des Vereins. Die Bezeichnung Mitgliederrat wurde gewählt, um die direkte Wahl durch die Mitglieder zu betonen. Leider hat dies bei manchen Mitgliedern den irrigen Eindruck hervorgerufen, dass es sich um eine Interessenvertretung, eine Art Betriebsrat handelt. Was es aber nicht ist. Der Mitgliederrat ist vielmehr das Gremium, das den Vorstand in all seinen Aktivitäten überwacht. Es ist äußerst wichtig, dass es eine ernsthafte Kontrolle gibt, denn der Vorstand ist ein mächtiges Organ, das zwar nicht operativ agiert, aber letztlich den Durchgriff hat, die Leitlinien setzt und die Geschäftsführung beruft und abberufen kann. Daher muss es ein Organ wie den Mitgliederrat geben.
Welche Bezeichnung würde für das Gremium am besten passen?
Wir haben diese Frage mit dem Mitgliederrat vor zwei Jahren erörtert, sie dann aber aufgeschoben. Man könnte im Namen die Aufsichtsfunktion stärker betonen. Andererseits hat sich der Begriff Mitgliederrat mittlerweile beim FC etabliert.
Von außen betrachtet macht es manchmal den Anschein, als ob sich nicht alle Mitgliederräte immer darüber im Klaren sind, welche Aufgabe das Gremium wahrnehmen soll. Es wird auch viel Vereinspolitik betrieben. Wie nimmt der FC-Vorstand das wahr?
Die Rolle sollte sich danach richten, was in der Satzung verankert ist. Als überwachter Vorstand steht es mir nicht zu, die Arbeit des amtierenden Mitgliederrats zu bewerten. Das obliegt den Mitgliedern.
Hat der Mitgliederrat in den vergangenen drei Jahren seine satzungsgemäße Aufgabe als Aufsichtsrat im Sinne des Vereins erfüllt?
Wie gesagt: Die Mitglieder, die ihn gewählt haben und nun auch den neuen wählen, sollen darüber entscheiden. Meiner Meinung nach hat der Mitgliederrat seine Aufsichtspflicht ernst und wahr genommen. Wir standen im regelmäßigen Austausch und haben uns auf allen Ebenen beraten lassen. Dass es dabei auch mal unterschiedliche Meinungen gibt, liegt in der Natur der Sache. Wichtig ist, dass kontroverse Diskussionen intern geführt werden und bleiben.
War das nicht der Fall?
Das Gremium ist für eine Überwachungsaufgabe mit 15 Personen groß. Wir als Vorstand sind schon nicht operativ tätig, sondern überwachen und begleiten als Gesellschafter und Aufsichtsrat die operativ verantwortliche Geschäftsführung. Und der Mitgliederrat überwacht unsere Überwachungsfunktion. Es schadet zwar nicht, dass es 15 sind, aber weniger würden nach meiner eigenen Erfahrung im Gremium auch ausreichen, um Abstimmungen zu erleichtern und Diskussionen intensiver führen zu können. Und vielleicht auch vermeiden, nach Spielfeldern zu suchen, die nicht im Kernbereich der Aufgaben des Mitgliederrates liegen.
Gibt es seitens des aktuellen Vorstandes Überlegungen, den Mitgliederrat über eine Satzungsänderung zu verkleinern?
Nein, der Vorstand hat dahingehend keine konkreten Pläne. Über die Größe des Mitgliederrats wurde in den vergangenen Jahren immer mal wieder gesprochen. Am Ende ist es nicht einfach, einen Rat mit 15 gewählten und damit legitimierten Vertretern auf beispielsweise sieben oder neun zu reduzieren. Wir möchten das vielmehr in einen größeren Zusammenhang stellen. Die Satzung hat sich aus Sicht des Vorstands insgesamt bewährt und ist immer noch modern. Ich finde es gut, dass sowohl der Mitgliederrat als auch der Vorstand von der Mitgliederversammlung gewählt werden. Nach zwölf Jahren ist es aber an der Zeit, einmal einen Strich darunter zu ziehen und zu untersuchen, was insgesamt an der Gremienstruktur gut ist und was nicht. Alle guten Strukturen können immer noch besser werden. Diese Diskussion sollte in den Gremien geführt werden, bedarf aber einer breiten Einbeziehung der Mitglieder, wie sich das vor zwei Jahren in den Satzungsforen bewährt hat. Vielleicht sollte sich diese Evaluation dieses Mal weniger stark am Wortlaut der einzelnen Satzungsregelungen aufhängen und mehr an den grundsätzlichen Strukturen und Aufgaben der Vereinsorgane. Wir werden das in den kommenden Monaten angehen.
Ein anderes Thema ist die Qualifikation für den Mitgliederrat. Ex-Sportchef Armin Veh hat die Mitgliederräte einmal sehr drastisch als „Vollamateure“ tituliert. Ist eine Qualifikation für die Kandidaten erforderlich?
Das ist ein spannendes Thema, bei dem es sich lohnt, sich im Rahmen der vorgenannten Evaluation der Satzung zu befassen. Die Frage ist nur, wer prüft die Qualifikation? Etwa die Wahlkommission, die dann als Organ eine große Macht erhält, die den Mitgliedern vielleicht gar nicht so bewusst ist, wenn sie die Wahlkommission wählen. Wenn zu viele Qualifikationen vorausgesetzt werden, schließt man zudem einen Teil der Mitglieder aus, sodass möglicherweise der Mitgliederrat kein umfassendes Abbild der Mitgliedschaft mehr darstellt, wie es angedacht war. Auf dem Papier hört sich der Gedanke daher gut an. Es ist jedoch schwer, dieses Thema umzusetzen. Das kenne ich aus meiner eigenen Beratungspraxis gerade bei Familienunternehmen, wo häufig ein ähnlicher Wunsch besteht.
Die Frage der Qualifikation hat sich auch gestellt, weil der Vorstand das erste Mal in seiner Amtszeit von dem Recht Gebrauch gemacht hat, mit Gottfried Rüßmann einen Kandidaten für den Mitgliederrat aufzustellen, der keine 100 Unterschriften sammeln muss. Wie kam es dazu?
Ich sehe das Thema deutlich entspannter, als es in Teilen draußen diskutiert wird. Es ist dem Vorstand per Satzung erlaubt, bis zu fünf Kandidaten für den Mitgliederrat vorzuschlagen. Dass dies nur noch maximal fünf Kandidaten sind, also eine Minderheit im Gremium, geht übrigens auf eine Satzungsänderung vor einigen Jahren zurück, die ich selbst federführend vorangetrieben habe. Ich halte das für sinnvoll, damit der Vorstand reagieren kann, falls es nicht ausreichend Kandidaten gibt oder weil er Kandidaten für sinnvoll in dem Gremium erachtet. Wir möchten mit dem Vorschlag das Angebot für die Mitglieder erweitern, denen allein die Auswahl der bis zu 15 Mitgliederräte zukommt.
Herr Rüßmann ist ein erfahrener Vorstandsvorsitzender einer großen Versicherung und gleichzeitig ein Mensch, der heute noch mit seiner Fan-Kutte in der Kurve steht. Er scheidet zudem demnächst bei der DEVK aus. Wir freuen uns, dass er sich bereit erklärt hat, denn die Arbeit im Mitgliederrat ist zeitintensiv und man bekommt selten Applaus; das kenne ich selbst aus meiner Zeit indem Gremium. Es ist daher nicht leicht Kandidaten zu finden.
23 Kandidaten bewerben sich auf der Mitgliederversammlung für die 15 Plätze im Mitgliederrat. Der Südkurve e.V. hat eine ganze Reihe von Kandidaten dabei, um offensichtlich mehr Einfluss nehmen zu können. Mit welcher Zusammensetzung des neuen Rates ist zu rechnen?
Die Mitglieder entscheiden, welche Kandidaten sie für geeignet halten. Als Vorstand sollten wir da weder Vorgaben machen noch uns einmischen. Was ich jedem Mitglied empfehlen kann, ist, zur Mitgliederversammlung zu kommen, denn es kommen immer noch viel zu wenige. Der FC ist einer der Vereine in Deutschland, in denen Mitglieder Gehör finden und ihre Rechte wahrnehmen können. Als Vorstandsmitglied wünsche ich mir wie jedes Mitglied, dass am Ende eine gute Gruppe aus der Wahl hervorgeht, deren Mitglieder mit dem Herzen beim FC sind und die entsprechende Qualität mitbringen. Ich habe Vertrauen in die Mitglieder, die auch in den vergangenen Jahren gute Entscheidungen getroffen haben.
Der neue Mitgliederrat sucht im kommenden Jahr ein Vorstandsteam aus, das sich dann auf der Mitgliederversammlung 2025 zur Wahl stellt. Halten Sie es für richtig, wenn die 23 Kandidaten für den neuen Mitgliederrat auf der Mitgliederversammlung, wie bereits in einigen Podcasts geschehen, gefragt werden, ob sie den aktuellen Vorstand mit Ihnen, Präsident Werner Wolf und Vize Eckard Sauren wieder aufstellen würden?
Ich weiß aus eigener Erfahrung als stellvertretender Vorsitzender des Mitgliederrates, dass die Aufgabe ein Vorstandsteam auszuwählen eine wichtige, aber nicht ganz einfache ist. Wenn der Mitgliederrat gewählt ist und sich gefunden hat, wird er zu gegebener Zeit den Prozess der Vorstandssuche starten. Ob Kandidaten sich schon öffentlich äußern sollten, bevor das Gremium gewählt ist und den eigenen Prozess zur Vorstandssuche gestartet hat, das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Will das aktuelle Vorstandstrio für eine dritte Amtszeit kandidieren?
Unser Fokus liegt auf dem Hier und Heute. Da ist genug zu tun. Und es ist doch eine Frage des Anstands. Der neue Mitgliederrat muss doch erst einmal gewählt werden, um dann den Prozess der Vorstandssuche in Gang zu setzen und auch ein Profil festzulegen, was für einen Vorstand er sich überhaupt vorstellt. Erst dann können wir entscheiden, ob wir wieder kandidieren wollen.
Wenn Sie sich den 1. FC Köln nach nun fünf Jahren Amtszeit anschauen. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass trotz Corona, Transfersperre und Abstieg die gesteckten Ziele des Vorstands erreicht werden?
Wir stehen für einen selbstbestimmten, mitgliederzentrierten und investorenfreien FC. Das ist uns trotz extremer wirtschaftlicher Herausforderungen gelungen und darauf sind wir stolz. Wir haben den Mitgliedern deutlich machen können, warum das gut und richtig für unseren Club ist. Zweitens wollen wir einen operativ gesunden, handlungsfähigen und sportlich erfolgreichen FC. Sportlich ist es uns leider nicht gelungen, dafür werden wir zu Recht kritisiert. Bei den anderen beiden Punkten sind wir sehr gut unterwegs. Wirtschaftlich sieht es so aus, dass wir künftig Mehrerlöse in den Kader investieren können. Wir haben jetzt das Budget dafür. Wir sind gerade in den schwierigen Zeiten unserem Weg treu geblieben, um diese mittel- und langfristige Perspektive aufrechtzuerhalten. Der Abstieg hat gezeigt, dass das Gebilde noch wackelt. In solchen Momenten ist es besonders wichtig, Kurs zu halten.
Sie sind also mit der Arbeit der neuen Geschäftsführung zufrieden?
Wir sind weder mit der Geschäftsführung noch mit uns zu 100 Prozent zufrieden. Wenn alle alles richtig gemacht hätten, hätten wir keine Transfersperre und wären nicht abgestiegen. Es wurden Fehler gemacht, sowohl von uns als auch von der Geschäftsführung. Es geht dann darum, mit welcher Fehlerkultur gearbeitet wird. Bei uns ist ausgehend von einer detaillierten Analyse der Blick nach vorne entscheidend, damit ein Fehler sich nicht wiederholt. Das muss nicht immer mit personellen Konsequenzen verbunden sein, sondern kann beispielsweise auch eine Anpassung der Strukturen bedeuten. Es war daher aus unserer Sicht der richtige Weg, auch nach dem Abstieg den Weg mit der Geschäftsführung gemeinsam weiterzugehen. In vielen Bereichen sind wir durch die neue Geschäftsführung ganz anders aufgestellt als noch vor drei bis vier Jahren. Das lässt mich positiv in die Zukunft blicken.