Nach dem Chancenwucher beim 1:2 gegen den 1. FC Magdeburg können sich die Geißböcke vorerst keine weiteren Rückschläge erlauben.
Bereits zwei Niederlagen1. FC Köln gerät früh in der Saison unter Druck
Leart Pacarada hat in seiner Karriere schon so manches erlebt. Die Begegnungen, zu denen es nach der 1:2 (0:0)-Heimniederlage gegen den 1. FC Magdeburg gekommen war, hatten aber selbst für den 252-fachen Zweitliga-Profi des 1. FC Köln Seltenheitswert. „Wenn drei, vier Leute von Magdeburg nach dem Spiel auf einen zukommen und sich entschuldigen, dass sie das Spiel gewonnen haben, dann spricht das Bände“, sagte Pacarada am Ende eines der eigenartigsten Fußballspiele der vergangenen Jahre in Müngersdorf. Trotz erdrückender Dominanz, die sich in 33:9 Torschüssen, 17:6 Flanken und 10:2 Ecken widerspiegelte, waren die Hausherren als eigentlich nicht zu erklärender Verlierer aus dem Topspiel des fünften Zweitliga-Spieltags herausgegangen. „Es war ein extrem dominantes Spiel. Wir kommen zu Riesenchancen. Wenn die Dinger reingehen, stehe ich hier und ihr gratuliert mir alle“, konnte es Pacarada auch in der Mixed Zone noch nicht so recht wahrhaben.
Stattdessen mussten die Geißböcke im dritten Heimspiel der Saison bereits die zweite Niederlage hinnehmen. Das Muster ähnelte auf fatale Art und Weise dem 1:2 zum Auftakt gegen den Hamburger SV sowie dem folgenden 2:2 bei der SV Elversberg. In allen drei Partien hatte sich Gerhard Strubers Mannschaft durch frühes Attackieren reihenweise Chancen herausgespielt, beim Torabschluss jedoch eklatante Schwächen offenbart. Der jüngste Chancenwucher dürfte die Diskussion um einen fehlenden Torjäger neu entfachen. Zur Komplettierung des Dilemmas verteidigte die Kölner Hintermannschaft die wenigen Aktionen des weitaus effektiveren Gegners einmal mehr ohne die erforderliche Konsequenz. Somit wurde die Chance leichtfertig vertan, durch einen weiteren Sieg noch näher an die Aufstiegsplätze heranzurücken. „Es tut extrem weh, weil wir mit drei Punkten einen Schritt gemacht hätten“, klagte Linksverteidiger Pacarada, Kölns Bester.
Mit lediglich sieben Zählern aus fünf Spielen fällt die Startbilanz des Aufstiegskandidaten ziemlich enttäuschend aus. Der Rückstand auf das siegreiche Führungsduo aus Düsseldorf und Karlsruhe beträgt bereits sechs Punkte. Damit kommt dem Derby am kommenden Samstag bei der Fortuna sowie dem folgenden Heimspiel gegen den KSC wegweisende Bedeutung zu. Der FC ist früh in der Saison unter Druck geraten. Weitere Rückschläge sind vorerst nicht mehr möglich, um den Kontakt zu den Aufstiegsrängen nicht zu verlieren. „Ganz klar: Die Bilanz ist nicht sexy. Es ist zu wenig, was wir jetzt an Punkten in der Bilanz stehen haben für das, was wir investieren und leisten, und so, wie wir auftreten und spielen“, will Gerhard Struber die magere Ausbeute nicht beschönigen.
Ebenso gilt es aber festzuhalten, dass die Handschrift des Österreichers klar zu erkennen ist. Das Pressingsystem funktioniert und produziert Chancen zur Genüge. Was der jungen Kölner Mannschaft bislang noch fehlt, ist der Killer-Instinkt vor dem Tor. Sinnbildlich dafür stand die Riesenchance von Tim Lemperle, der in der 18. Minute aus einem Meter das leere Tor nicht traf. „Die Leistung ist sehr ansprechend. Viele Themen gehen im Inhaltlichen in eine sehr gute Richtung. Da bleiben wir dran“, sagte Gerhard Struber, der sich bei der Einordnung der Situation in einem Zwiespalt befindet: „Es ist Profisport. Wir wollen Ergebnisse haben und an der Spitze dran sein. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass wir etwas zu entwickeln haben. Und Entwicklungsarbeit braucht Zeit, bis dann alles so funktioniert, wie wir uns das vorstellen und die Ergebnisse kommen. Es ist ein Stück weit ein Geduldsakt.“ Überraschend sei das für ihn nicht, erklärte der Ex-Profi. „Es ist nur überraschend, dass man als Verlierer vom Platz geht, wenn man so eine Leistung hinlegt wie heute. Das habe ich noch nicht so oft erlebt. Das muss ich auch erstmal zur Kenntnis nehmen.“ Es sei „ein bisschen skurril“, eine „ganz bittere Pille“.
Seinen Spielern erging es ähnlich. „Wenn man das Spiel anschaut, kommt keiner auf die Idee, dass Magdeburg gewinnt. Das ist total frustrierend. Ich verstehe das selbst nicht“, rätselte der genesene Innenverteidiger Timo Hübers, der bei den Gegentoren durch Falko Michel (66.) und Jean Hugonet (83.) die Übersicht verloren hatte. Zu diesem Zeitpunkt hätte das über weite Strecken vollkommen einseitige Duell allerdings längst zu Kölner Gunsten entschieden sein müssen. „Wir hatten genug Chancen und machen die Dinger nicht. Und wenn man sie vorne nicht macht, kriegt man sie hinten rein. Das Spiel haben wir selbst verloren“, schimpfte Eric Martel. Nach dem überfälligen 1:0 durch Damion Downs (49.) hatte der Jungstürmer gleich zweimal die Chance zur prompten Vorentscheidung auf dem Silbertablett serviert bekommen (55., 57.).
„Wir haben wahnsinnig viel investiert, nur das Toreschießen vergessen“, seufzte Gerhard Struber, der mitansehen musste, wie nach einer Stunde das „Momentum verrutschte“. „Es war der Wille, es wieder geradezubiegen nach dem 1:1. Das ist nach hinten losgegangen“, analysierte Leart Pacarada, warum auf einmal die Ordnung im Kölner Spiel verloren gegangen war. Einen Grund zur Beunruhigung sieht er noch nicht: „In den Spielen der letzten Wochen hat man gesehen, dass es wenig Anlass gibt, sich zusammenzusetzen, um die Köpfe freizubekommen.“ Michael Trippel brauchte derweil nur ein einziges Wort, um die 90 Minuten auf den Punkt zu bringen: „Unfassbar“, stöhnte der Stadionsprecher, während sich mit dem Schlusspfiff allgemeine Kölner Fassungslosigkeit breitmachte.