Der Trauermusik zum Abstieg war schon vorbereitet. Doch kann kam alles ganz anders. Wie die Südkurve das Spiel erlebte und wie der Stadionsprecher höhere Mächte bemüht.
1. FC KölnDas nächste Beben von Müngersdorf - wie die Fans den Abstiegskrimi erlebten
Die Trauermusik war schon ausgesucht. „Who wants to live forever?” von Queen wäre im Abstiegsfall ertönt. Beim Stand von 0:2 hatte sich Stadionsprecher Michael Trippel wie die meisten der 50.000 Besucher im Rheinenergie-Stadion mit dem siebten Abstieg aus der Fußball-Bundesliga abgefunden. „Wer will schon ewig leben?“ – eine schöne Drama-Musik. Aber dann hatte die Elf des 1. FC Köln ein anderes Drama parat und gewann den Abstiegskrimi gegen Union Berlin in letzter Sekunde noch 3:2. Donnernder Jubel und Ekstase statt Stille und Abstiegstränen.
„So richtig euphorisch kann ich dennoch nicht sein“, sagt Trippel, nachdem sich die Emotionen wieder etwas gelegt haben. Zu schwer sei die nun anstehende Aufgabe. Aber wer wisse schon, was der Fußballgott sich fürs kommende Wochenende überlegt hat. Seit 25 Jahren ist der 69-Jährige Stadionsprecher in Müngersdorf. Als er das letzte Heimspiel der Saison um 15.30 Uhr anmoderiert, hat er die zarte Hoffnung auf ein weiteres, nämlich das Relegationsheimspiel, eingebaut. Und als er die sechs Minuten Nachspielzeit ankündigt, tut er das sehr akzentuiert, um klar zu stellen: Da geht noch was. Und tatsächlich, der Siegtreffer fällt in der dritten Minute der Nachspielzeit. „Nun braucht es am letzten Spieltag ein weiteres Wunder“, sagt Trippel nach dem Abpfiff.
Dazwischen lagen 90 Minuten, die alle Zumutungen und Erlösungssehnsüchte dieser Spielzeit in sich vereinten. Stimmgewaltig empfängt die Südtribüne die „Effzeh“-Auswahl zu Beginn, doch erneut liefert diese einen schaurigen Auftritt ab. Nach 19 Minuten liegt der FC mit zwei Toren zurück, und der Absturz ins Unterhaus gilt als weitgehend besiegelt. Nach der Pause wird es immer ruhiger im Stadion. Als Maskottchen Hennes IX. in der 70. Minute davontrabt, macht sich eine stabil aufgestellte Polizeieinheit vor den Fans bereit, um mögliche Ausschreitungen zu verhindern. Doch dann dürfen die Ordnungshüter mitjubeln statt zu schlichten.
1. FC Köln: Viele Fans hatten sich bereits mit dem Abstieg abgefunden
„Spielerisch geht nichts mehr in dieser Spielzeit“, sagt Anhänger Mark Van de Vliet, der sich ebenfalls längst mit dem Abstieg abgefunden hatte. Aber nun gibt es ein weiteres Endspiel, das letzte der Saison – vorläufig jedenfalls. Wie alle Fans auf der Südtribüne konnte der Belgier („gefühlt bin ich Rheinländer“) das Ergebnis auch nach dem Abpfiff nicht recht begreifen. „Die Spieler werden jetzt verstanden haben, dass es möglich ist.“ Und so ist immerhin der 16. Rang, der ein Relegationsspiel bedeuten würde, noch drin. „Ich bin um 20 Jahre gealtert heute“, mutmaßt Jutta Praße, die mit Sohn Moritz von Niederrhein angereist ist. Nein, schön sei die Darbietung nicht gewesen, aber das Beben nach dem 3:2 habe für alles entschädigt.
Die Geschehnisse ähneln dem Last-Minute-Sieg gegen den VfL Bochum vor einigen Wochen. Damals siegte der FC 2:1 in der Nachspielzeit. Daniel Möller hat auch dieses Drama staunend zur Kenntnis genommen. „Das Spiel war schlimm“, sagt er, aber es wäre ein Segen für den Club, wenn dieser Abstieg noch vermieden werden könnte. Durch die Transfersperre könnte sich schließlich auch im Unterhaus der Absturz fortsetzen. „Eigentlich müsste die ganze Führungsriege weg.“ Möller hat 1998 den Fan-Club „98 na und“ gegründet. Das war nach dem ersten Abstieg des Vereins, er weiß also, worüber er spricht. Zuletzt ging es im Sechs-Jahres-Rhythmus ins Unterhaus.
Damit es nicht so weit kommt, hat Stadionsprecher Trippel schon höhere Mächte bemüht. In der Gnadenkapelle der Schwarzen Mutter Gottes in der Kupfergasse hat er eine Kerze angezündet. „Es sind dort 18 Fächer für Hoffnungslichter vorgesehen“, sagt er, „ich habe die Kerze ins 16. Fach gestellt.“ Diese Woche wolle er eine weitere anzünden.