AboAbonnieren

1. FC KölnAlles was man jetzt zum drastischen Urteil der Fifa wissen muss

Lesezeit 7 Minuten
30.03.2023, Nordrhein-Westfalen, Köln: Christian Keller, Geschäftsführer des 1. FC Köln, gibt Journalisten ein Statement. Nachdem der Fußball-Weltverband FIFA eine Transfersperre gegen den 1. FC Köln verhängt hat, will der Bundesligist nun Berufung beim internationalen Sportgerichtshof Cas einlegen.

Köln: Christian Keller, Geschäftsführer des 1. FC Köln, gibt Journalisten ein Statement.

Die vom Weltverband Fifa verhängte Transfersperre für die Saison 2023/24 bedroht die Zukunft des Clubs. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Aufsehen erregenden Fall.

Als Sportchef Christian Keller am Donnerstagvormittag vor die versammelte Presseschar am Geißbockheim trat, fing es bald an stürmisch zu regnen. Es war ein Bild mit Symbolcharakter. Fußball-Bundesligist 1. FC Köln durchlebt höchst ungemütliche Tage. Die vom Weltverband Fifa verhängte Transfersperre für die Saison 2023/24 bedroht die Zukunft des Clubs. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Aufsehen erregenden Fall.

Worum geht es?

Hintergrund ist der Transferstreit um Jaka Cuber Potocnik. Das europaweit umworbene Sturm-Juwel (17) war am 31. Januar 2022 von NK Olimpija Ljubljana ablösefrei in den Kölner Nachwuchs gewechselt. Einen Tag zuvor hatte Potocnik seinen bis 2024 laufenden U17-Vertrag vorzeitig gekündigt. Unterzeichnet wurde der vom damaligen Interims-Sportchef Jörg Jakobs ausgehandelte Vertrag von den FC-Geschäftsführern Alexander Wehrle (inzwischen VfB Stuttgart) und Philipp Türoff. „In dem Vertrag waren diverse Zusagen enthalten, unter anderem, dass der Spieler in der 1. Herren-Mannschaft von Ljubljana trainieren darf. Die wurden nachweisbar nicht eingehalten“, sagte der erst seit 1. April 2022 für den FC tätige Sport-Geschäftsführer Christian Keller in der Medienrunde am Donnerstag. Ljubljana wiederum warf dem FC Anstiftung zum Vertragsbruch vor und reichte Klage ein. Der FC reagierte mit einer Klageerwiderung. Die Fifa gab dem slowenischen Erstligisten nun Recht. Keller nimmt Potocnik ausdrücklich in Schutz: „Der Junge kann da gar nichts für.“

Wie nahm der FC das Urteil auf?

„Wir waren massiv überrascht von dem Urteil“, sagt Keller. Er bezeichnet das Urteil als eine „Farce“: „Die Fifa hat ein aus unserer Sicht komplett absurdes Urteil ohne jedwede Grundlage getroffen.“ Keller echauffiert sich auch über die Umstände: „Es gibt keine mündliche Anhörung. Es ziehen sich drei Richter vom Fifa-Tribunal in ein Kämmerlein zurück und dann wird so ein Urteil gefällt, das drakonischer kaum geht.“ Eine Farce sei der Vorgang auch deshalb, weil das Urteil bereits am 1. Februar getroffen, aber erst am 29. März dem 1. FC Köln zugestellt wurde. „Was ist in der Zwischenzeit passiert?“, fragt Keller.

Gibt es Auffälligkeiten?

Auffällig sind mehrere Dinge: Am Dienstag lief Potocnik noch für die slowenische U19 in der EM-Qualifikation gegen Deutschland auf (0:3). Am Tag danach erhielt der FC von der Fifa das längst gefällte Urteil zugestellt, das unter anderem eine mit sofortiger Wirkung gültige, viermonatige Spielsperre für Potocnik vorsieht. Uefa-Präsident Aleksander Ceferin ist gebürtiger Slowene und war von 2006 bis 2011 Mitglied bei NK Olimpija Ljubljana – Potocniks Ex-Club, mit dem sich der 1. FC Köln nun streitet.

Warum gelang keine außergerichtliche Einigung?

Nach Angaben von Christian Keller kam es am 30. August 2022 im Geißbockheim zu einem Treffen von ihm mit Vertretern Ljubljanas. Für den slowenischen Erstligisten seien Präsident und Eigentümer Adam Delius sowie Vizepräsident Dr. Christian Dollinger dabei gewesen. „Im Nachgang haben sich die beiden Gäste schriftlich für das großartige Gespräche und die tolle Gesprächs-Atmosphäre bedankt“, sagt Keller. Anschließend habe der FC ein schriftliches Angebot versendet, „um die Sache gütlich zu einigen. Das haben sie abgelehnt und Klage eingereicht“. Das Kölner Angebot sei „deutlich besser als das, was ihnen die Fifa zugesprochen hat“. Potocnik soll nun 51.750 Euro Schadenersatz an seinen Ex-Club überweisen. Ljubljana hatte ursprünglich 2,5 Millionen Euro Ablöse und 70.000 Euro Schadenersatz gefordert. „Komplett fern von jeglicher Realität“, meint Keller. In dem Fall geht es also offenbar vor allem ums Geld.

Hat der FC womöglich zu wenig getan für eine außergerichtliche Einigung?

Keller verneint dies entschieden: „Auf der Rechtsgrundlage und der Aussagen der beratenden Anwälte hat sich der 1. FC Köln zu 100 Prozent mit seinem Vorgehen im Recht gefühlt. Wenn ein Angebot erfolgt, das die schriftlich dokumentierte Ausstiegsklausel und die Ausbildungsentschädigung abdeckt, bin ich der Meinung, dass der FC auch im Sommer genug dafür getan hat, das abzuwenden.“ Zudem verfüge der FC über „jede Menge Zeugen“. Zu ihnen zähle „unter anderem der ehemalige Präsident von Ljubljana, der die Zusagen an den Spieler sowie die Ausstiegsklausel bezeugen kann“, sagt Keller.

Welche Mannschaften des FC sind von der Transfersperre betroffen?

Das Urteil der Fifa liefert auf diese Frage keine klare Antwort. „In dem Urteil ist nicht konkretisiert, welche Teams die Transfersperre betrifft. Insofern müssen wir das klären. Aber wenn es nicht konkretisiert ist, sind es erstmal alle“, sagt Keller. Der FC habe sich in vergleichbare Urteile eingelesen. „Es könnte auch sein, dass es nur den Nachwuchsbereich betrifft.“ Das müsse in der Berufung geklärt werden.

Was bedeutet die Transfersperre für Leart Paqarada (28), den der FC am 23. Januar 2023 als ersten Zugang für die Saison 2023/24 vorgestellt hat?

Der von zahlreichen Clubs umworbene Linksverteidiger des Zweitligisten FC St. Pauli hat einen bis 30. Juni 2026 laufenden Vertrag bei den Geißböcken unterschrieben. „Grundsätzlich hat Leart Paqarada nach deutschem Recht einen gültigen Arbeitsvertrag. Wenn das Urteil aufrecht bleibt, würde er ab 1. Juli 2023 kein Spielrecht beim 1. FC Köln bekommen“, erklärt Keller. Die Zusammenarbeit würde dann für beide Seiten keinen Sinn mehr ergeben.

Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Leihspieler des FC?

Das war am Donnerstag einer von mehreren noch offenen Punkten. „Es müssen viele Fragen geklärt werden, die aus dem Urteil nicht hervorgehen“, betont Keller und fragt: „Was sind neue Spieler? Sind Spieler, die wir aktuell verliehen haben, neue Spieler? Die waren zuletzt bei uns nicht registriert. Können wir Jeff Chabot verpflichten, der aktuell bei uns registriert ist? Das muss ich klären lassen.“ Aktuell hat der FC fünf Spieler verliehen: Ondrej Duda (Hellas Verona), Noah Katterbach (Hamburger SV), Jonas Urbig (Jahn Regensburg), Marvin Obuz (Holstein Kiel) und Jens Castrop (1. FC Nürnberg). Umgekehrt ist Jeff Chabot (Sampdoria Genua) noch bis 30. Juni 2023 von den Kölnern ausgeliehen.

Wie verhält es sich mit auslaufenden Verträgen und der Suche nach Neuzugängen?

Auslaufende Verträge kann der FC laut Keller verlängern: „Weil die Spieler jetzt schon für uns registriert sind.“ Die Suche nach Neuzugängen dürfte sich dagegen nahezu aussichtslos gestalten. „Es wird schwer sein, dass ein Spieler jetzt hier einen Vertrag unterschreibt. Als Spieler würde ich das auch nicht machen“, sagt der FC-Sportchef. Ein eklatanter Wettbewerbsnachteil für die Kölner bei der Kaderplanung der kommenden Saison.

Wie kann sich der FC gegen das Urteil zur Wehr setzen?

Der 1. FC Köln kann nur per Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) gegen das Fifa-Urteil vorgehen. Der Club hat bereits angekündigt, Berufung einzulegen. Dafür hat er ab dem Tag der Urteils-Zustellung 21 Tage Zeit, also bis 20. April. Geschehen soll dies in der kommenden Woche. Bis dahin arbeiten die Rechtsanwälte des FC unter Hochdruck an dem komplexen Fall. „Ganz so banal ist es nicht, einen Dreizeiler per Mail zu schreiben. Da steckt ein bisschen mehr dahinter“, sagt Keller.

Wozu dient dem FC der Gang vor den CAS?

Die Gewinnung von Zeit spielt eine entscheidende Rolle. „Wir werden schnellstmöglich Berufung einlegen und in diesem Kontext auf eine Suspension der Strafe hinwirken. Das heißt, dass das Strafmaß erstmal ausgesetzt wird. Das ist das wichtigste Ziel“, erläutert Keller. Denn erst ab dem Zeitpunkt, an dem das Urteil endgültig ist, würden mögliche Sanktionen in Kraft treten. Bis dahin wäre es dem 1. FC Köln möglich, auf dem Transfermarkt tätig zu werden und damit personell handlungsfähig zu bleiben.

Wann ist mit einem Berufungsurteil zu rechnen?

Keller spricht von einem Zeitraum von „wohl vier bis sechs Monaten“ und erklärt: „Erfreulicherweise geht ein Verfahren voraus und das Urteil wird nicht auf Grundlage von Schriftsätzen gefällt. Wir streben an, dass mit der Berufungseinreichung sehr schnell die Suspension der Strafen entschieden würde.“ Sicher sei, dass die Berufung zugelassen wird. „Davor wird entschieden, ob es eine Suspension gibt. Die Entscheidung kann aber auch mit Nein ausfallen und dann gilt das Urteil erstmal. Es gibt Präzedenzfälle.“

Warum ist das Fifa-Urteil für den FC juristisch so kompliziert?

Das Fifa-Recht sei eine „umgekehrte Beweislast“, erklärt Keller. „In dem Urteil steht nicht drin, dass der 1. FC Köln den Spieler zum Vertragsbruch angestiftet hat. Da steht drin, dass wir nicht beweisen konnten, dass wir ihn nicht angestiftet haben.“ Dies sei ein „massiver Unterschied“. Keller weiter: „Hier muss der, der beklagt ist, beweisen, dass er es nicht gemacht hat. Aber wie wollen Sie etwas beweisen, das sie nicht gemacht haben? In Deutschland würde es so etwas nicht geben. Wir befinden uns in einer schwierigen Situation, die wir lösen müssen.“