Der 1. FC Köln hat mit einem neuen System und defensiver Stabilität auch in der 2. Bundesliga wieder Fuß gefasst.
1:0-Sieg bei Hertha BSC1. FC Köln hat wieder mehr Führung und mehr Stabilität
Gerhard Struber sagt selten etwas Unüberlegtes. Etwas aus dem Bauch heraus, wie es sein emotionaler Vorgänger Steffen Baumgart so gerne tat und unterhaltsam konnte. Als der aktuelle Trainer des 1. FC Köln nach dem 1:0 (1:0)-Erfolg in der 2. Fußball-Bundesliga bei Hertha BSC Berlin also seine Sicht der Dinge zusammenfasste, dürfte es ihm ein Bedürfnis gewesen sein, seinem Team ganz bewusst ein Reifezeugnis auszustellen. „Das war einmal mehr eine sehr gelungene Präsentation der Jungs über die gesamte Spielzeit – sehr erwachsen und gut in unseren Prinzipien.“
Eine bemerkenswerte Analyse des 47-jährigen, der meist geschliffen formuliert und seinen österreichischen Akzent geschickt einzusetzen weiß. Es ist nämlich noch nicht lange her, dass FC-Sportchef Christian Keller das gleiche Team nach dem 1:5 in Darmstadt als „Schülermannschaft“ abgekanzelt hatte und sieben Tage später als Konsequenz aus dem 1:2 gegen Paderborn gemeinsam mit Struber um seinen Job kämpfen musste. Eine Metamorphose innerhalb von nur zwei Wochen, die den Absturz des FC in der 2. Liga bis auf Platz 13 und die sportliche Krise erst einmal gestoppt hat.
Struber nannte den zweiten Auswärtssieg der Saison eine „einmal mehr gelungenen Präsentation“ seines Teams. Worte, die darauf schließen lassen, dass er Paderborn und Darmstadt als negative Ausreißer abgehakt hat und die Rückkehr in die seit Saisonbeginn „positive Entwicklung“ aus tiefster Überzeugung beschlossene Sache ist. Christian Keller hatte versucht, es schon vor dem Auftritt im Olympiastadion in Worte zu fassen: „Ich habe in dieser Saison mehr gute als schlechte Sachen gesehen.“
Die Kehrtwende zum Guten fußt im Wesentlichen auf zwei Entscheidungen. Erstens hat Gerhard Struber der Mannschaft mit der Umstellung auf Dreierkette beim Pokalerfolg gegen Holstein Kiel (3:0) und nun in Berlin die bis dato vermisste defensive Stabilität verliehen. „Wir hatten eine gute Ausgewogenheit zwischen hohem Anlaufen und tiefen Verteidigen“, hob der FC-Coach hervor. Die Kölner ließen tatsächlich über die gesamte Spielzeit nicht eine Großchance der nach vier Pflichtspielsiegen selbstbewussten Hertha zu und setzten offensiv Nadelstiche, die zu mehr als dem 1:0-Siegtreffer durch Tim Lemperle (31.) hätten führen müssen.
Erfahrung von Heintz und Schwäbe ist aktuell sehr hilfreich
Die Dreierkette ist aktuell vor allem deshalb die beste Systematik, weil sie die zuvor anfälligen Flügel dichter macht und eine bessere Absicherung in der letzten Linie bietet. Kapitän Timo Hübers und Youngster Julian Pauli haben jedenfalls ihre Sicherheit zurückgewonnen. Mit Dominique Heintz ist zudem ein routinierter Bundesligaspieler in die Defensive gerückt, der dem Team mit seiner Erfahrung als linkes Glied der Dreierkette eine große Hilfe ist.
Womit Strubers zweite wichtige Entscheidung ins Spiel kommt. Dem Trainer ist es mit der Hereinnahme von Bankdrücker Heintz und dem Torwartwechsel von Jonas Urbig zu Marvin Schwäbe gelungen, seiner Mannschaft mehr Führungsstruktur und damit auch mentale Stabilität zu verleihen. „Dominique hat gut antizipiert, mit seiner Erfahrung die Momente gelesen und gute Entscheidungen getroffen. Der Mix aus den jungen, wilden, unbekümmerten und etwas mehr Seniorität, hilft uns, Spiele zu gewinnen.“
Eine Mischung, die auch das Tor des Abends produzierte. Heintz sendete einen langen Ball über die linke Seite, den Lemperle mit einem perfekten Laufweg aufnahm und „saukalt“ zu seinem fünften Saisontreffer vollendete. „Ich bin der älteste Spieler im Team und habe jeden Tag im Training mein Bestes gegeben. Wer gut trainiert, hat die Chance, gut zu spielen. Dafür werde ich gerade belohnt“, sagte der 31-Jährige und wies auf seinen linken „Powerfuß“ hin: „Es gehört zu meinen Qualitäten, solche Bälle spielen zu können. Es war ein perfektes Timing, ein perfekter Laufweg, ein perfekter Ball.“
Die rund um das Spiel viel diskutierte Rückkehr des im Sommer zur Nummer zwei degradierten Schwäbe gibt der FC-Defensive zusätzliche Sicherheit. Der 29-Jährige hatte in Berlin zwar wie schon gegen Kiel eher wenig zu tun, strahlte aber die nötige Ruhe aus und hielt zum zweiten Mal die Null. „Marvin bringt die Ausstrahlung, Erfahrung und Führungsqualität mit, die uns in der Situation, in der wir gerade stecken, hilft und die wir brauchen“, erklärte Struber seine Entscheidung und lobte gleichzeitig die „professionelle Reaktion“ des 21-jährigen Urbig: „Das zeigt, wie weit er schon ist.“
Schwäbe freute sich derweil darüber, den mitgereisten Fans „etwas zurückgegeben zu haben“: „15.000 auswärts in Berlin – das ist absolut nicht normal. Es ist schön, dass ich wieder im Kasten stehe. Wenn die Ergebnisse ausbleiben, wird es hektisch und medial ungemütlich. Nach diesem 1:0 gibt es erst mal ein bisschen Ruhe“, sagte der Torhüter und parierte auch noch die Frage nach seinem Status als alte, neue Nummer eins: „Das werden wir sehen.“
Der FC hat mit den beiden Erfolgserlebnissen in Pokal und Meisterschaft vor dem Heimspiel am Samstag gegen Greuther Fürth zurück in die Spur gefunden. „Wir haben einen guten Schritt gemacht, nicht mehr“, betonte Gerhard Struber und ging auf die Diskussionen um seine Person ein: „Ich spüre viel Vertrauen und wir haben einen sehr guten Austausch im Management. Es ist klar, dass wir als FC mit dieser Tabellensituation nicht zufrieden sind, aber wir haben bewiesen, dass wir in so einer schwierigen Phase alle eng beieinander sind, aufeinander bauen können und sachlich bleiben.“