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PflegeSiegburger Seniorenheim-Betreiber soll Konten gesperrt haben – Sorge vor Räumung

Lesezeit 4 Minuten
Außenansicht eines Seniorenzentrums in Siegburg.

Das Visitatis-Seniorenzentrum am Michaelsberg hat den Besitzer gewechselt. Mitarbeiter erhielten kein Gehalt mehr.

Die Unsicherheit im Seniorenzentrum am Michaelsberg ist in diesen Tagen groß. Mitarbeiter kriegen kein Gehalt – die Rechnungen stapeln sich.

Das Seniorenzentrum am Michaelsberg galt und gilt eigentlich als solide Adresse für viele Familien in der Region, die ihre Eltern und Großeltern in dem einst evangelischen Altenheim gut untergebracht wussten. Umso größer ist in diesen Tagen die Sorge, das Heim könnte geschlossen werden. Dann müssten die rund 50 Bewohner verlegt werden.

Gegenüber der Redaktion berichtet der Kölner Timo Pütz, Sohn eines 87 Jahren alten Bewohners, von beunruhigenden Vorgängen: „Vor wenigen Tagen hat uns die Nachricht erreicht, dass die Betreibergesellschaft die Zahlungen eingestellt hat“, sagt der Angehörige, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten für den Mai kein Gehalt bekommen. Auch Zahlungen an Lieferanten würden zunehmend schwierig.

Seniorenzentrum in Siegburg: Konten sollen gesperrt worden sein

Seit Jahren werde das Heim zudem umgebaut, was für die Bewohnerinnen und Bewohner „eine ziemliche Zumutung“ sei. In Erfahrung gebracht habe er zudem, dass die Visitatis Seniorenzentrum Am Michelsberg GmbH im April auf Robert Schulz als neuen   Einzelgesellschafter umgeschrieben worden sei.

Einrichtungsleiter Horst Tuhro bestätigt auf Anfrage Pütz’ Darstellung. Er versuche seit Tagen vergeblich, mit Schulz Kontakt aufzunehmen. Dieser habe die Konten gesperrt und der Bank gegenüber Anweisung erteilt, keine Informationen herauszugeben. „Wir kommen langsam in die Bredouille“, sagt Tuhro. In der Verwaltung stapelten sich unterdessen Rechnungen und Mahnungen.

Während andere wichtige Post ausbleibt: Vergeblich, berichtet Tuhro, habe er Unterlagen zum Besitzerwechsel angefordert. Jetzt zog er juristische Konsequenzen: Gegen Schulz, der sich bei ihm als neuer Geschäftsführer der Visitatis Seniorenzentrum Am Michaelsberg GmbH wie auch der Visitatis Service GmbH telefonisch vorgestellt habe, stellte er bei der Staatsanwaltschaft Bonn Anzeige wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung oder betrügerischen Bankrotts.

Bewohner des Siegburger Seniorenzentrums sollen bar bezahlen

Die Bewohner bat er darum, anstehende Lastschriften zurückzuziehen und die Eigenanteile der Pflegekosten bar zu begleichen, um weiter Gehaltsabschläge und Rechnungen zahlen zu können. Tuhro weist auf einen Parallelfall hin, ein Visitatis-Heim in Solingen, das unlängst habe geschlossen werden müssen, die Bewohner wurden verlegt. „Das versuche ich mit allen Mitteln zu verhindern.“

Auch Tuhro bedauert, dass der 2018 begonnene Umbau sich so lange hinzieht. Derzeit leben im Zentrum 32 Bewohner zur Pflege und 17 in Mietwohnungen. Nach abgeschlossenem Umbau wären es 77 Pflegeplätze und 72 Wohnungen.

Die Visitatis-Gruppe hatte das Siegburger Seniorenzentrum 2019 übernommen. Eine weitere Pflegedienst-Gesellschaft, die Visitatis GmbH mit Sitz in Aachen, hatte im Februar Insolvenz angemeldet und wurde kurz darauf vom DRK Aachen übernommen. Auf Anfrage bestätigt die Visitatis-Gruppe, die beiden Gesellschaften für das Siegburger Seniorenzentrum zwar gegründet, aber bereits nach drei Jahren weiter an die Aquis Care GmbH veräußert zu haben. Die Firma in Ratingen führt das Seniorenzentrum immer noch auf ihrer Internetseite.

Zwangsräumung des Siegburger Altenheims hätte schlimme Folgen

„Die Zwangsräumung hätte für die alten Menschen zur Folge, dass diese im schlimmsten Fall quer über den Rhein-Sieg-Kreis in andere Einrichtungen verteilt werden müssten“, fürchtet Pütz, „ohne Rücksicht auf den Verlust des bisherigen vertrauten Umfelds, der Bezugspersonen, und ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten der Angehörigen zu Besuchen et cetera. Es wäre mit anderen Worten eine ziemliche Katastrophe für die Beteiligten.“

Er sei einigermaßen sprachlos darüber, dass eine Altenheimträgergesellschaft ohne vorherige Genehmigung und Prüfung übertragen werden könne, die neue Geschäftsführung dann abtauche und die Einrichtung, die eigentlich funktioniere, sich selbst überlassen werde.

Heimaufsicht des Kreises ist mit der Einrichtung im Austausch

Zuständig ist die Heimaufsicht beim Rhein-Sieg-Kreis, die Tuhro selbst über die Vorgänge informiert hatte. Kreispressesprecherin Rita Lorenz zufolge ist es nicht Aufgabe des Kreises, bei einem Eigentümerwechsel zu prüfen, dieser werde aber angezeigt. „Wir sind mit dem Seniorenzentrum im Gespräch“, betonte sie, die Pflege sei derzeit nicht gefährdet. Eine Verlegung der Bewohner sei sicherlich das „allerletzte Mittel“.

Auch im Rathaus der Kreisstadt ist das Zentrum Thema. „Wir sind in Gesprächen mit der Geschäftsführung vor Ort, wissen vom Eigentümerübergang“, sagt Jan Gerull, Leiter der städtischen Pressestelle. „Die uns geschilderte Situation gibt durchaus Anlass zur Sorge. Gleichzeitig hoffen wir, dass durch Mitteilung an die Heimaufsicht des Kreises Mechanismen im Sinne der Bewohnerinnen und Bewohner greifen.“

Robert Schulz äußerte sich bis Redaktionsschluss auf Anfrage nicht zu den Vorgängen.