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SchlafforscherWer abends gut schlafen will, muss schon morgens was dafür tun

Lesezeit 7 Minuten
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Guter Schlaf ist wichtig für uns – Dr. Christian Benedict erforscht auch tagsüber an der schwedischen Universität Uppsala unseren Schlaf.

  1. Gesunder Schlaf macht nicht nur fit, er kann auch ganz konkret vor Krankheiten schützen, zum Beispiel vor Demenz.
  2. Im Interview erklärt der Neurowissenschaftler Dr. Christian Benedict, was jeder tun kann, um besser zu schlafen.
  3. Denn eine gute Vorbereitung auf den Schlaf, so der Experte, fängt nicht abends an, sondern morgens.

Köln – Das Gedankenkarusell dreht sich und Sorgen oder Ängste hindern uns am Einschlafen. Wir sind zwar am Abend extra früh ins Bett gegangen, doch wenn der Wecker morgens um sechs Uhr klingelt, fühlen sich viele Menschen erschöpft, müde und nicht fit für den Tag. Jedem zehnten Deutschen geht es laut einer DAK-Studie so. Millionen Menschen in Deutschland schlafen schlecht.

Das Problem: Schlaf ist wichtig für unsere Gesundheit. Der Neurowissenschaftler Dr. Christian Benedict erklärt in seinem Buch „Schlaf ist die beste Medizin”, wie Schlaf uns vor Krankheiten – ja sogar vor Demenz schützen kann. Im Interview verrät er zudem, wie wir besser schlafen können und warum es gefährlich ist, wenn wir es nicht tun.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Schlafen ein 24-Stunden-Job ist. Wieso?

Dr. Christian Benedict: Schlaf und Wachheit ist für mich wie Ying und Yang. Sie hängen beide stark zusammen. Sind wir mental und physisch aktiv, wenn wir wach sind, können wir gut schlafen. Aber auch unsere innere Uhr beeinflusst den Schlaf-Wach-Rhythmus stark.

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Dr. Christian Benedict ist Schlafforscher an der Universität in Uppsala. 

Durch Tageslicht weiß diese innere Uhr, dass der Körper in Gang gebracht werden muss: die Körpertemperatur steigt an, Hormone werden frei gesetzt, die aktiv machen und Stresssysteme werden hochgefahren. Am Abend passiert idealerweise das Gegenteil. Das heißt aber auch: Die Schlafvorbereitung beginnt in der Sekunde, wenn wir aufwachen und endet in letzten Sekunde, in der wir wach sind.

Die meisten Menschen denken, dass sie eine Routine kurz vor dem Schlafengehen brauchen, wie zum Beispiel ein Buch zu lesen. Das sind prinzipiell auch gute Tipps zum Einschlafen, aber man muss sich auch darüber bewusst sein, dass man der inneren Uhr auf die Sprünge helfen muss – und das macht man den ganzen Tag.

Und wie kann ich beeinflussen, dass ich gut schlafe?

Benedict: Wir müssen unser Verhalten so timen, dass wir am Tag aktiv sind und abends nicht. Wir können der inneren Uhr helfen: Der wichtigste Taktgeber für sie ist Licht – es ist gut, sich tagsüber möglichst viel Tageslicht auszusetzen.

Berufstätige sollten zum Beispiel Pausen nutzen, um raus zu gehen. Wer das nicht kann oder will, sollte sich zumindest ans Fenster setzen. Im Winter kann man in den Morgenstunden eine Tageslichtlampe nutzen.

Doch nicht nur Licht beeinflusst unsere innere Uhr: Viele machen den Fehler abends Sport zu treiben – für unseren Schlaf ist das nicht gut. Sind wir aktiv, steigt die Körpertemperatur und unsere Stresssysteme laufen an. Unser Körper fängt dadurch erst später an, sich auf den Schlaf vorzubereiten. Besser: morgens oder mittags Sport machen. Gleiches gilt für die Nahrung: „Frühstücken wie ein König, Mittagessen wie ein Kaufmann und Abendessen wie ein Bettelmann.“

Wer abends nicht viel isst, hat das Gefühl besser zu schlafen, wie Studien zeigen. Die Erklärung: Auch was und wie viel wir essen, hilft unserer inneren Uhr – müssen alle Systeme arbeiten oder ist es Zeit, dass der Körper sich regeneriert und wir den Tag verdauen.

Warum ist es so wichtig, dass wir gut schlafen?

Benedict: Wir brauchen den Schlaf, um alles, was wir am Tag erleben, verarbeiten zu können. Der Körper muss mentale und körperliche Erlebnisse filtern – das macht er im Schlaf. Dinge, die nicht relevant sind, werden gelöscht. Zum Beispiel, welche Strümpfe man letzte Woche Montag getragen hat.

Werden wir gelobt oder bekommen Ärger, werden diese Erfahrungen in das Langzeitgedächtnis verschoben, um mich wieder in so eine Situation zu bringen beziehungsweise sie zu vermeiden. Im Schlaf versucht unser Gehirn, Informationen zu vernetzen. Wir interpretieren Dinge, verknüpfen sie und entwickeln sie weiter. Das ist so wichtig, weil unser Hirn immer mehr lernen will, um besser auf zukünftige Situationen vorbereitet zu sein. Erfahrung, Klugheit und Einsicht bringt der Schlaf mit sich.

Auch der Körper muss sich in der Nacht erholen – Pulsschlag und Blutdruck gehen beispielsweise runter. Das Immunsystem kümmert sich um alle Erreger, denen wir tagsüber ausgesetzt waren.

Wovor kann uns Schlaf denn schützen?

Benedict: Schlaf ist die beste Medizin und kann uns helfen gesund zu bleiben. Wir essen nicht, wir liegen, wir kommen nicht mit neuen Erregern in Kontakt – es ist die ideale Phase für unser Immunsystem, um sich gegen Krankheiten zu rüsten.

Das Gehirn braucht viel Energie durch die Informationen, die wir über Tag bekommen und verarbeiten. Die Neuronen produzieren dadurch Abfallprodukte. Diese Beta-Proteine stehen in Zusammenhang mit der Entstehung von Demenz. Im Schlaf fangen bestimmte Zellen an, Wasser durch die Hirnregion zu pumpen und so werden diese Abfallprodukte aus dem Gehirn gespült. Dieser Waschvorgang ist abhängig vom Tiefschlaf.

Eine Langzeitstudie zeigt, dass 50-jährige Männer mit Schlafproblemen ein 50 Prozent höheres Risiko haben an Alzheimer zu erkranken, im Gegensatz zu denen, die gut schlafen. Wir brauchen Schlaf dafür, dass eine Balance zwischen Zellauf- und abbau erhalten bleibt. Guter Schlaf schützt uns außerdem vor Übergewicht, Typ II Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

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Also muss ich nur genug schlafen?

Benedict: Es spielt nicht nur die Dauer eine Rolle, sondern auch die Qualität. Wer nachts viel wach liegt, hat auch ein höheres Risiko für diese Krankheiten. Schlaf kann auch stressig, anstrengend oder nicht erholsam sein. Zum Beispiel bei Menschen, die unter Schlafapnoe leiden – im Schlaf oft Atemaussetzer haben. Das Problem: Die Betroffenen kommen nicht in den Tiefschlaf und haben keine erholsame Nacht.

Kann ich die Schlafqualität verbessern?

Benedict: Wir sollten zunächst aufhören, in Schwarz-Weiß -Kategorien zu denken. Man sollte nicht sagen, wenn ich keine sieben Stunden geschlafen habe, ist es schlecht. Wer nachts periodenweise wach liegt, sollte sich vor Augen führen, dass er sich trotzdem Ruhe gönnt.

Anders ist es, wenn ich oft wach liege: Wer ins Bett geht und nicht müde ist, kann häufig nicht einschlafen. Wer häufig früh ins Bett geht, um auf sieben oder acht Stunden Schlaf zu kommen, setzt den Körper oft unter Stress.

Das Gehirn prägt sich nämlich die negative Erfahrung ein, dass man nicht gut einschlafen kann und man entwickelt Schlafprobleme. Die Lösung: Über eine kurze Periode den Schlaf verkürzen. Man geht erst ins Bett, wenn man wirklich müde ist. Dadurch lernt das Gehirn, dass man gut einschlafen kann. Schrittweise sollte man den Schlaf wieder verlängern.

Muss ich für eine gute Schlafqualität immer zur selben Zeit ins Bett?

Benedict: Wer unter der Woche immer nur fünf Stunden schläft, möchte sich am Wochenende ausschlafen. Wer dann am Wochenende länger aufbleibt und sonntags wieder früh ins Bett muss, leidet aber unter „Social Jetlag“.

Der Rhythmus hat sich durch zwei Nächte mit längerem Aufbleiben nach hinten verschoben und muss sich nun wieder umstellen. Dadurch entsteht dieses typische Montagsgefühl – man fühlt sich schlecht. Je nachdem wie spät man am Wochenende ins Bett geht, kann es auch zwei bis drei Tage dauern, bis man wieder im Rhythmus ist. Aus gesundheitlicher Sicht wäre es ideal nichts an den Schlafgewohnheiten zu ändern – da trifft allerdings die Theorie auf die Praxis.

Literatur

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Buchcover

Dr. Christian Benedict: „Schlafen ist die beste Medizin”, Eden Books, ISBN:978-3-95910-230-8, 16,95 Euro

Foto: Eden Books

Alkohol, Nikotin, Koffein – was ist der größte Schlafkiller?

Benedict: Es spielen individuelle Faktoren eine Rolle. Manche Menschen können genetisch bedingt zum Beispiel Koffein nicht so gut abbauen. Aber Alkohol ist für keinen gut. Alkohol macht uns schläfrig, aber unsere Schlafarchitektur verändert sich – wir haben erst weniger Traumschlaf und bekommen eher mehr Albträume. Die Schlafqualität sinkt also.

Alkoholkonsum sorgt auch für ein höheres Risiko von Sodbrennen und das Risiko für Schnarchen und Atemaussetzer steigt an. Nikotin fördert das Risiko für Schlafapnoe und verschlechtert den Tiefschlaf.