Wenn Flächen naturnah bewirtschaftet werden, kommen auch die Schmetterlinge wieder zurück.
Lichtfallen in Sankt AugustinSo werden Nachtfalter in der Dunkelheit gezählt

Mit Lichtfallen werden Nachtfalter zur Zählung in einem Netz gefangen.
Copyright: Baumgartner
„Rund 70 Falterarten konnten wir diesmal hier bestimmen“, berichtet Dr. Brigitte Schmälter im Juli 2023 erfreut. Seit 18 Jahren ist sie in Sachen Tag- und Nachtfalter unterwegs. Mit Lichtfallen und Zuckerködern lockt sie in der Dunkelheit die zarten Wesen an.
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) pflegt seit einigen Jahren eine Streuobstwiese in Schmerbroich. Eine kleinteilige und zeitversetzte Mahd und Heuwerbung mit handgeführten Geräten wird dort praktiziert. So entstehen auch Lebensräume für Insekten. Falter-Expertin Schmälter hat mit Interessierten eine Stichprobe gemacht, was in der Dunkelheit in und über der Wiese unterwegs ist.
Rund 500 Schmetterlingsarten finden sich auf einer vergleichbaren Fläche in Bochum
„Die naturnahe Bewirtschaftung trägt Früchte“, lautet das Urteil der Fachfrau. Und sie ist sicher, dass bei täglicher Beobachtung das ganze Jahr über sicher einige hundert Arten dort gefunden werden könnten. „Auf einer vergleichbaren Fläche in Bochum sind rund 500 Arten gezählt wurden“, berichtet sie. Seit zwei Jahren ist sie „ab und zu“ auf der Streuobstwiese, um Falter zu bestimmen.
Während Nachtfalter tagsüber nur höchst zufällig sichtbar sind, etwa wenn Graszünsler durch Bewegungen im Gras aufgescheucht werden, weiß aufblitzend umherfliegen und dann schnell wieder verschwinden, wurden sie nun gezielt mit dem Licht von Leuchttürmen sowie einer Reihe von Wein-Zucker-Ködern angelockt. Sie können dann gut fotografisch erfasst und dokumentiert werden.

Das Rote Ordensband ist ein prächtiger Nachtfalter.
Copyright: Schmälter
„Diesmal beeindruckten besonders die großen Vertreter der Nachtfalterfauna, so etwa das Rote Ordensband“, teilt BUND-Sprecher Achim Baumgartner mit. Der Falter sitze tagsüber gut getarnt an Baumstämmen, zeige aber bei Gefahr schnell seine eindrucksvoll rot gemusterten Hinterflügel und vermöge dadurch mitunter einige Fressfeinde, wie zum Beispiel kleine Singvögel, abzuschrecken.
Gefunden wurde auch das Schwarze Ordensband, dessen Raupen im Gebüsch nah am Pleisbach fressen. „Eindrucksvoll waren die fein gefiederten Fühler einiger Faltermännchen, so vom Schwammspinner und die metallisch blau schillernden Zeichnungselemente des Blausiebs“, berichtet Baumgartner von den nächtlichen Beobachtungen auf der Wiese. Neben Faltern, deren Lebensraum Bäume und Gebüsch am Bach sind, wurden etliche Arten, die speziell für Obstwiesen mit vielfältiger Gras- und Krautschicht typisch sind, von den Fallen angelockt.
Die naturnahe Streuobstwiese des BUND bietet eine Heimat für viele Arten von Tag- und Nachtfaltern
Neben mehreren Arten von Graszünslern waren das auch Wickler, deren Raupen an Disteln oder Flockenblumen fressen, oder die Rainfarn-Federmotte. Doch die eigentliche Überraschung kam erst bei der Auswertung der Fotos und der genauen Nachbestimmung am nächsten Tag. So entpuppte sich ein unscheinbar beige-brauner Wickler als eine Rarität: Der deutsche Name Feldbeifuß-Wickler des wissenschaftlich Phtheochroa inopiana genannten Falters ist insofern irreführend, als es in der Wissenschaft umstritten ist, ob die Raupen überhaupt an Feld-Beifuß fressen.
Auch Wasserdost wird als Nahrung für die Raupen angenommen. Gesichert ist jedoch die Ernährung auf dem Ruhr-Flohkraut, Pulicaria dysenterica. Die Streuobstwiese des BUND bietet beide Arten in großer Fülle. Das Flohkraut ist selten, es wird auf der Roten Liste NRW von 2020 in Kategorie 3, also als „gefährdet“ geführt.
„Auf der artenreichen BUND-Wiese mit feuchten Bereichen in Pleisbachnähe profitiert es vom Pflegekonzept. So bleiben die Trupps des empfindlichen Flohkrauts bei der Mahd konsequent ausgespart“, berichtet Baumgartner über das Konzept. Es sei die Stärke der kleinteiligen Mosaikmahd, sehr gezielt auf besondere Arten und ihre Bedürfnisse Rücksicht nehmen zu können. An dieser bereits gefährdeten Pflanzenart können die Raupen des Wicklers, der jetzt in fünf Exemplaren zum Licht kam, nach Herzenslust fressen und überwintern. Er ist in NRW nach der Roten Liste von 2021 sogar in Kategorie 2, also „stark gefährdet“