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GedenkenStolpersteine erinnern in Ruppichteroth an verfolgte und ermordete jüdische Mitbürger

Lesezeit 3 Minuten
Zwei Männer verlegen kniend Stolpersteine im Pflaster, eine Gruppe von Menschen beobachtet und fotografiert die Aktion.

Nachfahren der Opfer waren aus den USA und aus Schweden zu der Verlegung von 18 Stolpersteinen angereist.

Verwandte von ehemaligen jüdischen Mitbürgern reisten aus den USA und Schweden an. Künstler Gunther Demnig verlegte Stolpersteine.

„Nie wieder werden gleichzeitig sieben Verwandte von ehemaligen jüdischen Mitbürgern und zwei Ehepartner nach Ruppichteroth kommen“, strich Historiker Wolfgang Eilmes die Bedeutung der großen Besuchergruppe hervor. Die Gäste waren aus den USA und aus Schweden angereist, um an der Stolpersteinverlegung mit dem Künstler Gunter Demnig teilzunehmen.

Es war die letzte Ehre, die sie ihren Vorfahren der Familien Hess und Gärtner erweisen wollten. Diese wurden schikaniert, gefoltert und von den Nationalsozialisten ermordet, doch einigen gelang die Flucht.

Zur Verlegung der ersten 13 Stolpersteine im Jahr 2019 in den Ort gekommen

Zu der Verlegung der ersten 13 Stolpersteine im Jahr 2019 waren Walter Hess aus den USA und Ron Gartner aus Schweden gekommen. Hess hatte nach seiner Flucht 1939 in die USA und nach dem Krieg immer wieder Kontakt in die alte Heimat gehalten, so auch später zu Wolfgang Eilmes, der die Geschichte der Ruppichterother Juden recherchiert hat.

Als Eilmes im vergangenen Dezember die Nachricht erreichte, dass Walter Hess im Alter von 91 Jahren gestorben war, lud er spontan dessen Kinder nach Ruppichteroth ein. Nach vier Wochen Bedenkzeit bekam er von Töchtern, Söhnen und einer Enkelin die Antwort: „Wir kommen!“ Für drei Tage reisten sie aus den Staaten an.

Ein Mann mit Hut und blauem Hemd – der Künstler Gunter Demnig – schaut in die Kamera, im Hintergrund eine Gruppe von Menschen, die an der Stolpersteinverlegung teilnahmen.

Gunter Demnig (75) verlegte kürzlich den 100 000. Stolperstein und war am Samstag in Ruppichteroth.

Platziert werden die Erinnerungssteine mit Messingplatte und Inschriften der Namen und Lebensdaten der Verfolgten immer am letzten bekannten Wohnort. Am Samstag begann Demnig mit der Verlegung in der Marktstraße 3, danach ging es zur Wilhelmstraße 17 und 7. Zahlreiche Ruppichterother nahmen teil.

Schüler der Gesamtschule in Neunkirchen hatten sich im Unterricht mit den einzelnen Schicksalen der Verfolgten beschäftigt und verlasen jeweils eine kurze Vita zu jeder Person. Bürgermeister Mario Loskill und Ehrenbürgermeister Ludwig Neuber hießen die Gäste willkommen.

Professor Igor Epstein, Vorsitzender der Weltmusik-, Klezmer- und Ästhetik-Akademie aus Köln, spielte selbst komponierte Stücke auf der Geige, während Gunter Demnig seiner Arbeit nachging, bis auch der letzte Stein blank poliert war. Sehr bewegt verfolgten die Nachfahren die Verlegung der Stolpersteine, filmten mit und ließen per Mobiltelefon auch Verwandte teilhaben.

Zu der Gruppe aus Übersee zählte Rachel Hess. Für sie war es nicht der erste Besuch in Deutschland, sie ist 1987 einmal in Bayreuth gewesen. Sie war aus Salt Lake City angereist, auch Schwester Mirjam war mitgekommen. Enkelin Zoe war für ihren Großvater Walter Hess da. Ihre Mutter Maggie zeigte sich hoffnungsvoll für die Zukunft, weil Deutschland heute ein Land mit vielen Migranten sei.

„Die Erinnerungen kehren zurück“

Ron Gartner (Name in Schweden geändert) war mit seiner Frau Sofia aus Schweden angereist. „Es war nicht leicht zu kommen, die Erinnerungen kehren zurück“, sagte der große Mann und war um Fassung bemüht. Alle Nachfahren zeigten sich entwaffnend freundlich.

Dort, wo die Nazis ihre Blutspuren hinterließen, ihre Opfer aus ihren Wohnungen holten, betoniert der Künstler Gunter Demnig seit 1996 seine glänzenden Erinnerungstafeln ein. Sie geben in aller Kürze Auskunft über das Schicksal der Entrechteten.

In Nürnberg kürzlich den 100.000. Stolperstein verlegt

Mittlerweile ziehen in mehr als 1265 deutschen Städten und Gemeinden sowie in 31 europäischen Ländern die Stolpersteine die Blicke auf sich. Kürzlich wurde in Nürnberg Stolperstein Nummer 100 000 verlegt. „Viele Jahre künstlerischen Schaffens sind den Stolpersteinen vorausgegangen“, berichtete Demnig und führte Kunstaktionen wie die „Blutspur Kassel-London“ 1981 und seine Erinnerungsaktion an die Deportation von Kölner Roma und Sinti 1990 als Beispiele an.

Ganz wichtig sei Josef Beuys’ Idee von der „sozialen Skulptur“ gewesen, die generationsübergreifend weite Kreise ziehe. „Auch nach fast 30 Jahren ist die Verlegung keine Routine. Ich wohne mit den Nachfahren aus aller Welt in einem Hotel, da unterhält man sich.“