Nach der Absage von Baerbock ist klar, dass alles auf Habeck zuläuft. Festnageln lassen will sich dieser aber nicht.
„Unwichtigste Frage“Robert Habeck meldet Kanzlerkandidatur mit kompliziertem Satz an
Seit Juli ist steht fest: Annalena Baerbock, Grüne Außenministerin, strebt keine erneute Kanzlerkandidatur an. Sie wolle angesichts der internationalen Krisen ihre Kraft voll ihrer aktuellen Aufgabe widmen, hatte die Grünen-Politikerin am Rande des Nato-Gipfels in Washington erklärt. Dies teilte Baerbock allerdings nicht der deutschen Öffentlichkeit mit, sondern die Äußerung fiel in einem Interview des US-Fernsehsenders CNN.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Baerbock nach ihrer Niederlage bei der letzten Bundestagswahl 2021 erneut antritt, war ohnehin als nicht besonders groß eingeschätzt worden. Mit ihrer Ankündigung ist aber auch klar, dass die Chancen von Vizekanzler Robert Habeck deutlich gestiegen sind. Habeck war sicherlich von Baerbocks offiziellem Rückzug informiert, hielt sich aber zunächst noch zurück.
Nun wagt sich Habeck weiter aus der Deckung – trotz der aktuell immer noch schlechten Umfragewerte für seine Partei. Laut ZDF-„Politbarometer“ liegen die Grünen unverändert bei 13 Prozent.
Im Interview mit „Politico“ sagt Habeck, er wolle sich „gerne in die Verantwortung nehmen lassen“. Wörtlich teilt er Chefredakteur Gordon Repinski mit: „Ich möchte mich gerne in die Verantwortung nehmen lassen, also für Deutschland in die Verantwortung nehmen lassen, für meine Partei, für das Projekt, für die Demokratie, für die feste Überzeugung, ja, das Wissen, würde ich sagen, dass nur die Gestaltung der Zukunft das Land zukunftsfähig macht.“
Der für Habeck typische, etwas komplizierte Satz lässt nur die Deutung zu, dass der Wirtschaftsminister eine Kanzlerkandidatur anstrebt. Festnageln lassen auf dieses Wort will sich der 54-Jährige aber keinesfalls.
Robert Habeck: Frage nach Kanzlerkandidatur ist „unwichtig“
„Jetzt sagen Sie uns einmal bitte klar: Sie werden der Kanzlerkandidat der Grünen im nächsten Wahlkampf“, wird Habeck gefragt. Der weicht aus und sagt, zuvor müssten viele Fragen geklärt werden. Die Situation sei anders als 2021. Derzeit stehe es „4:0 gegen dich“. Erst müssten alle „ihre Laufwege“ kennen, sagt Habeck und meint damit vermutlich Strategie und auch Loyalität seiner Partei. „Alle müssen sich klarmachen, auch jetzt meine Partei, was wir eigentlich wollen“, formuliert es Habeck in Richtung der Grünen. Die Frage nach der Kanzlerkandidatur sei folglich die „unwichtigste Frage“, behauptet Habeck.
Deutlich wird: Habeck will nicht vorpreschen, aber dennoch klare Ansprüche anmelden.
Annalena Baerbock machte eigene Fehler im Wahlkampf
„Wir sind jetzt unten, und wir müssen uns wieder hocharbeiten“, beschreibt Habeck die Situation. Das sei im letzten Wahlkampf ganz anders gewesen, damals hätte die Partei „Rückenwind“ gehabt und stabil bei 20 Prozent gelegen.
2021 hatte sich die heutige Außenministerin Annalena Baerbock im Wettbewerb um die Kanzlerkandidatur gegen Habeck durchgesetzt. Sie kam aber trotz lange ausgezeichneter Umfragewerte und auch aufgrund eigener Fehler nicht über 14,7 Prozent hinaus.
Die Chancen einer möglichen schwarz-grünen Koalition nach der Wahl 2015 sieht Habeck skeptisch. Die CDU würde sich momentan in eine andere Richtung entwickeln. Habeck kritisiert Jens Spahn, der sich beim Parteitag der US-Republikaner verbal an Donald Trump „herangerobbt“ habe.
„Die Merkel-Lücke in der Union wird täglich größer“, konstatiert er. Die Union habe offenbar ihren moralischen Kompass verloren. Zudem hätten Teile der Ost-CDU die Grünen als politischen Hauptgegner identifiziert – das bedaure er.