Kölnerin berichtetWie es ist, den Urlaub als Helferin auf einer Hütte zu verbringen
- Berge, Natur pur – auf der Hexenhütte in Tirol finden Reisende genau das. In der Unterkunft können Urlauber kostenlos übernachten, wenn sie ehrenamtlich auf der Hütte helfen.
- Die Kölnerin Tina Nettersheim hat mit ihren Freundinnen auf der Hütte im Urlaub gearbeitet. Wie das war und warum der Aufenthalt anders war als geplant.
- Wie es funktioniert, auf dem Berg zu arbeiten und was man beachten sollte, lesen Sie hier.
Serfaus – Der Plan war gut. Vier Frauen teilen sich einen Job für zwei. Und verbringen so eine erholsame Woche in den Bergen. Mit ein bisschen Arbeit und viel Entspannung. In schöner Umgebung und netter Gesellschaft. Mit Wandern, relaxen, den Panoramablick genießen. Doch die Wirklichkeit sah anders aus.
Tina Nettersheim erzählt lachend von ihrer Woche ehrenamtlicher Arbeit in diesem Sommer in der Hexenseehütte im Skigebiet Serfaus in Tirol. Gemeinsam mit drei anderen Frauen hatte die 53 Jahre alte Kölnerin, Mutter von vier Kindern, sich dafür angemeldet. Und das schon im letzten September. Denn Jobs dieser Art sind zwar unbezahlt, aber beliebt.
Ehrenamtliche Arbeit auf Zeit beliebt
Das bestätigt Petra Wiedemann vom Deutschen Alpenverein (DAV), dessen Sektion Rheinland-Köln die Hexenseehütte gehört. Der Verein ist auf das Ehrenamt angewiesen und die zeitlich begrenzte Arbeit auf Hütten oder an Wegen (siehe Infokasten) sei oft beliebter als die Übernahme eines Amtes als Vorsitzender oder Referent.
Die Hexenseehütte liegt auf 2588 Metern Höhe im Masnergebiet zwischen dem Kölner Haus und der Heidelberger Hütte. Sie ist umgeben von Gipfeln. Bergwelt pur. Ein Fahrweg dient allein der Belieferung der Hütte, von Besuchern ist sie nur zu Fuß oder mit dem (E-)Bike erreichbar. Der Aufstieg ab der Bergstation der Gondel zum Kölner Haus dauert etwa 2,5 Stunden. Es werden Tagesgäste bewirtet und für bis zu 22 Übernachtungsgäste gibt es Frühstück und ein Zwei-Gänge-Menü am Abend.
Weil der Betrieb nun aber sehr wetterabhängig ist, lohnt es sich für den Pächter (der auch das Kölner Haus bewirtschaftet) nicht, professionelles und somit teuer bezahltes Personal einzusetzen. Deshalb arbeitet er wochenweise mit jeweils zwei freiwilligen Helfern, die freie Unterkunft und Verpflegung erhalten und dafür die anfallenden Arbeiten erledigen. Heißt: Frühstück machen, aufräumen, putzen, Tagesgäste bewirten, Abendessen vorbereiten und servieren – gekocht wird vom Koch des Kölner Hauses– Getränke ausschenken.
Arbeit nonstop, statt entspannter Wandertouren in Tirol
Nettersheim und ihre drei Freundinnen wollten sich die Arbeit so aufteilen, dass immer zwei von ihnen wandern gehen können. Eine ruhige Woche in malerischer Umgebung, so stellten sie sich das vor. „Aber dann haben wir mit vier Leuten eine Woche lang nonstop gearbeitet“, erzählt Nettersheim. Womit sie nicht gerechnet hatten: Traumhaftes Wetter. Ausgebuchte Bettenlager. Und ein coronabedingter Ansturm von Tagesgästen.Den vier Frauen seien nur „minimale Zeitfenster für schnelle Gipfeltouren“ und hin und wieder „ein Workout auf der Sonnenterrasse“ geblieben. Ansonsten hieß es zwischen dem Aufstehen um 5.30 Uhr und dem Ins-Bett-Fallen rund um Mitternacht: Schuften und Rotieren. Statt Hüttenromantik gab es richtig harte Arbeit. „Wir waren einigermaßen ernüchtert“, erzählt Nettersheim.
Arnbeit am Berg
In der Hexenseehütte können Mitglieder des Deutschen Alpenvereins (DAV) der Sektion Rheinland-Köln einen freiwilligen, unbezahlten Dienst machen. Kost und Logis sind dabei abgesehen von alkoholischen Getränken frei.Der Deutsche Alpenverein bietet im Netz umfassende Informationen zur Arbeit auf Berghütten an, unter „Hütten und Touren“, „Arbeiten auf Hütten“ finden sich auch offene Stellen. Freiwillige werden auch regelmäßig für die Pflege der Wanderwege gesucht. Informationen dazu haben die jeweiligen Sektionen des Alpenvereins.Mit der „Aktion Schutzwald“ engagiert sich der DAV seit 1984 für den Schutz des alpinen Waldes. Auch hier können sich freiwillige Helfer einbringen und Bäume pflanzen, Zugangswege pflegen, Hochsitze bauen oder Sturmflächen räumen. Der Schutzwald hält Steinschlag, Felsstürze, Muren und Lawinen von den Tallagen fern, ohne ihn wäre so mancher Ort in den Alpen nicht bewohnbar. Gleichzeitig ist der Wald wichtig für das Trinkwasser und bietet Tieren und Pflanzen Lebensraum.
Und Petra Wiedemann vom DAV ergänzt: „Das ist tatkräftige Arbeit. Das muss man mögen. Aber wer es mag, der macht das immer wieder.“Die vier Kölnerinnen auf der Hexenseehütte waren überrascht, aber nicht unglücklich. Ihr Plan ging nicht auf. Die Arbeit war anstrengend. „Aber es war auch cool. Wir hatten ein tolles Panorama, superfreundliche Gäste, haben gutes Trinkgeld bekommen und viel Spaß gehabt“, erzählt Nettersheim, die bis zur Geburt ihrer Kinder als Eventmanagerin gearbeitet hat und inzwischen Sport- und Schwimmunterricht gibt. „Wir sind ja vier gestandene Frauen, zwei Mütter von jeweils vier Kindern, eine Biologin und eine 70-Jährige, die seit 35 Jahren als Gast in die Hexenseehütte kommt. Wir haben den Laden schon geschmissen.“
Die Arbeit auf der Hexenhütte hat die vier Frauen gefordert
Und dem Pächter gleich mal zu einer Neuerung verholfen: Einem Buch mit genauen Beschreibungen und Fotos der Gerichte, damit den nächsten freiwilligen Helfern nicht gleich wieder erklärt werden muss, wie etwa der Hausmannsteller oder die Mettwurst-Jause auszusehen haben. Zumal im Normalfall ja zwei Helfer all das erledigen müssen, was in ihrer Woche vier Frauen mächtig ins Schwitzen brachte.Dabei seien sie nicht nur Servicekräfte und Putzfrauen gewesen, sondern auch Gesprächs- und Spielpartner für die Übernachtungsgäste, erzählt Nettersheim. „Wir haben viel gequatscht und Spaß gehabt, das war eine sehr intensive Woche.“ Viele Gäste hatten sich spontan und allein für eine Tour zur Hexenseehütte entschieden. Weil ihnen Corona einen Strich durch geplante Fernreisen gemacht hatte. Oder weil sie mal Abstand brauchten vom Corona-Alltag.
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Da sei etwa der Manager einer Spedition gewesen, der in der Krise vor Arbeit umkam und in die Berge geflohen war, um abzuschalten. Oder die Sozialarbeiterin aus dem Rheinland, die dringend ein wenig Ruhe brauchte. Dort oben, im Schatten imposanter Gipfel, sei das Virus irgendwie unwirklich gewesen, sagt Nettersheim. Abgesehen vom Mundschutz, den sie im Service tragen mussten, und von Holzwänden, mit denen die Schlafkojen abgetrennt waren, habe nichts an Corona erinnert. Im Gegenteil, ein irrationales Gefühl der Sicherheit habe sich ausgebreitet: „Die Luft ist so gut, da erwischt es einen nicht.“ Oder: „Leute, die soweit gelaufen sind, können ja gar nicht krank sein.“ Stimmt natürlich nicht. Hat aber zur Erholung beigetragen. Und so haben die vier Frauen zwar schwer gearbeitet, aber auch gut gelebt. Und eine Erfahrung fürs Leben gemacht. Also gleich noch mal?Ein kategorisches „Nein“ kommt nicht von Tina Nettersheim: „Aber vielleicht nicht gleich nächstes Jahr wieder.“