AboAbonnieren

Aktuelles UrteilDiese Ansprüche haben Fluggäste bei Ausfall oder Verspätung

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Bei Flugausfällen oder massiver Verspätung steht Fluggästen eine Entschädigung zu. 

Karlsruhe – Eine Fluggesellschaft verweigert Passagieren die Mitnahme, sie müssen den ersten Teil des Urlaubs umorganisieren, andere Fluggäste landen viel später als geplant am Zielort. Immer wieder muss sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit Fällen beschäftigen, in denen es um Ausgleichszahlungen oder Schadensersatzansprüche im Reiserecht geht. Jetzt hat der BGH Klarheit geschaffen:

Worum geht es konkret?

Es sind zwei unterschiedliche Fälle, die sich aber um eine gemeinsame Rechtsfrage drehen. Wie ist mit den unterschiedlichen Arten der Fluggastentschädigung umzugehen, die Passagiere beanspruchen können, wenn sie ihr Ziel nicht wie gebucht erreichen? Werden die fällige pauschale Ausgleichszahlung der Fluggesellschaft und Ersatzzahlungen für Mehraufwendungen immer gegeneinander verrechnet?

Wann stehen Passagieren Ausgleichszahlungen zu?

Flugreisende haben in der Regel dann Anspruch, wenn sich die Ankunft um drei Stunden oder mehr verzögert, der Flug kurzfristig ausfällt oder trotz Buchung kein Platz an Bord ist. Die zugrundeliegende EU-Verordnung gibt es seit 2005. Die Höhe der Ausgleichszahlung hängt von der Flugstrecke ab: Je nach Entfernung gibt es 250, 400 oder 600 Euro. Betroffene müssen das Geld von der Fluggesellschaft einfordern.

Wer bekommt individuellen Schadenersatz?

Schadenersatz kann verlangen, wem zum Beispiel durch den Ausfall eines Fluges Kosten entstanden sind. Das kann der Preis für ein gebuchtes aber nicht genutztes Hotelzimmer, einen Mietwagen oder andere Transportleistungen sein. Denkbar sind hier aber auch die Kosten eines Rechtsstreits und eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreuden.

Wie hat der BGH entschieden?

Nach dem Urteil des für das Reiserecht zuständigen X. Zivilsenats darf es keine Überkompensation geben. Eine doppelte Entschädigung ist ausgeschlossen. Wenn – wie in den verhandelten Fällen – die Extrakosten für Hotel und Mietwagen geringer sind als die bereits gezahlte Pauschale von 600 Euro, bleibt es bei der Summe. Nur wenn diese Schadenersatzansprüche höher als 600 Euro sind, kann der übersteigende Betrag eingefordert werden. Es gilt der Grundsatz der Vorteilsausgleichung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Bereits in den Vorinstanzen hatten die Kläger verloren.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wo können Passagiere Hilfe bekommen, wenn eine Airline nicht reagiert oder Forderungen ablehnt?

Wer keine Auseinandersetzung mit der Fluggesellschaft sucht, kann es mit einer Schlichtung versuchen. Die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) ist von der Bundesregierung als Verbraucherschlichtungsstelle für Reisende mit Bus, Bahn, Flugzeug und Schiff anerkannt. 2018 behandelte die Einrichtung nach eigenen Angaben mehr als 32.000 Fälle, davon 87 Prozent aus dem Flugverkehr. In rund sechs von sieben dieser Fälle hatte die Schlichtung Erfolg.

Hilfe versprechen auch spezialisierte Unternehmen. Fachleute machen die Ansprüche geltend, notfalls auch vor Gericht. Im Erfolgsfall beanspruchen diese Unternehmen bis zu 30 Prozent der erstrittenen Summe für sich, bei einem Misserfolg entstehen keine Kosten.

Was sagt die Luftverkehrswirtschaft zu den Entschädigungsregeln?

Die europäische Fluggastrechteverordnung ist nach Ansicht des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft missverständlich und unklar formuliert und führt daher immer wieder dazu, dass sich Gerichte mit der Auslegung der Verordnung befassen müssen. „Wir benötigen daher eine Revision der Verordnung, die Luftfahrtunternehmen und ihren Kunden umfassende Rechtssicherheit gibt“, teilt Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow mit.

Was sagen Verbraucherschützer zum Urteil?

Enttäuscht reagierte Katja Nonnenkamp-Klüting von der Verbraucherzentrale Bremen: „Dass eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung auf geltend gemachte Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht angerechnet wird, ist bedauerlich.“ Das Urteil stärke nicht die Verbraucherrechte. (dpa)