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Zwei Jahre nach der FlutIm Kreis Ahrweiler gibt es kleine Zeichen der Hoffnung

Lesezeit 5 Minuten
Die kleine Speisekarte im Café Hoffnungswerk in Ahrweiler weist nur Richtpreise auf, jeder gibt so viel es ihm wert ist.

Im Café Hoffnungswerk in Ahrweiler servieren Gabriela Eske, Helena Daudrich und Laura Harder Espresso, Saft und selbst gebackenen Kuchen.

Der Tourismus im Ahrtal erholt sich langsam von den Folgen der Flutkatastrophe, die Gäste kommen zurück in die Genuss- und Erlebnisregion

Träge fließt die Ahr unter einer mit Lampions geschmückten Behelfsbrücke aus Stahl, gluckert vorbei an in Ewigkeiten glatt polierten Steinen; der Pegelstand ist so niedrig, dass man wahrscheinlich zu Fuß durch das Flussbett waten könnte, aber die Ahr kann zum reißenden Ungeheuer werden. Der Besucher im Kurpark von Bad Neuenahr wird an vielen Stellen daran erinnert, was am 14. Juli 2021 geschah, die Folgen der dramatischen Flutnacht sind noch immer sichtbar. Der Tourismus, einst einer der Eckpfeiler der Wirtschaft im Kreis Ahrweiler, erholt sich langsam, doch es gibt Zeichen der Hoffnung.

Blick auf das Steigenberger Hotel in Bad Neuenahr

Blick auf das Steigenberger Hotel in Bad Neuenahr. Im Winter sollen dort wieder Gäste übernachten können.

Steigenberger will im Winter wieder eröffnen

Im Kurviertel der Kreisstadt bildete das Steigenberger Hotel mit dem historischen Thermal-Badehaus und der Spielbank im früheren Kurhaus ein Ensemble, das mit seiner weißen Gründerzeitfassade ein beliebtes Fotomotiv war. Das Casino ist ausgezogen und Ende Juni im Empfangsgebäude des Bahnhofs von Bad Neuenahr neu eröffnet worden, im Hotel wird Estrich verlegt, die ersten Gäste sollen dort ab dem Winter übernachten können. Auf dem Schotter des Kurparks, in dem in quadratischen Pflanzkübeln Palmen wachsen, vertreiben sich Boule-Spieler die Zeit und lassen die Metallkugeln gegeneinander klacken. Am Ufer der Ahr werden in einer „Strandbar“ abends örtliche Weine ausschenkt. In der Fußgängerzone jenseits der Kurgartenbrücke schieben Fahrradtouristen ihre Räder an Läden vorbei, die noch nicht geöffnet sind, doch an Schaufenstern kleben allenthalben Schilder: „Wir kommen wieder!“. Offen und froh über jeden Besuch Die Türen der Martin-Luther-Kirche, in der bei der Flut das Wasser bis zur Altarplatte stand, sind mit schweren Ketten versperrt, die Sanierung ist noch nicht abgeschlossen. Am Kirchenschiff klebt das Restaurant „Luther`s Wein und Kulinarik“, die Tische auf der Terrasse sind gut besetzt, auf einer Kreidetafel werden „Jakobsmuscheln auf Flönz“ angepriesen.

Besonderes Café nicht nur für Flutbetroffene

In den weitgehend wiederhergestellten Gassen im Nachbarort Ahrweiler hängen im Fachwerk schlapp rot-weiße Fahnen mit dem Stadtwappen, Flaneure schlendern übers Pflaster, vor einem Feinkostgeschäft sind Liegestühle aufgeklappt worden, am „Marktbrunnen“ herrscht ein Treiben wie auf einer italienischen Piazza: Kellnerinnen bringen den Gästen Mineralwasser, Kaffee und Kuchen. Ein paar Schritte weiter in der Ahrhutstraße ist mitten in der Tourismusmeile ein Café entstanden, wie es so wohl nur nach einem solch dramatischen Ereignis wie dem vom 14./15. Juli 2021 möglich ist: Die in Bornheim ansässige Organisation Hoffnungswerk, zu deren Gründungsmitgliedern die evangelische Freikirche Siegburg gehört, hat in einer ehemaligen Metzgerei einen Ort eingerichtet, „an dem von der Flut betroffene Menschen und Helfer gemeinsam lachen und gemeinsam weinen, einen Ort der Gastfreundschaft, der Nächstenliebe und der Hoffnung“. In dieser Begegnungsstätte servieren Gabriela Eske, Helena Daudrich und Laura Harder Espresso, Saft und selbst gebackenen Kuchen. Die kleine Speisekarte weist nur Richtpreise auf, jeder gibt, was ihm der Verzehr wert ist, er darf sich aber auch beschenken lassen. Die drei jungen Damen hören viele Geschichten von Hochwasser-Betroffenen, deren Traumata jetzt erst deutlich würden, weil sie nach zwei Jahren des Kampfes um den Wiederaufbau ihres Hauses, ihrer Wohnung endlich zur Ruhe kämen und nun ihrer Seele lauschen könnten. „Unser Ansatz ist: Lasst uns die Menschen wieder zusammenbringen. Aus dieser Krise kommen wir nur gemeinsam“, sagt Hoffnungswerk-Vorsitzender Eduard Vogel.

Gäste sitzen in einem Straßenrestaurant.

In Ahrweiler sind die Gäste zurück in den Straßenrestaurants.

Enorme Nachfrage nach Weinevents und -festen

Auch die Berufs-Optimisten des Ahrtal-Tourismus Bad Neuenahr-Ahrweiler e. V. setzen auf das Prinzip Hoffnung. Viele Gäste kämen trotz der Auswirkungen der Flut ins Ahrtal, weil es viel zu bieten hat: Neben der landschaftlichen Schönheit und den Wanderwegen in den Höhenlagen „steht das Ahrtal nach wie vor für Weingenuss in Spitzenqualität, eine vielfältige und regionale Gastronomie und eine Erlebnisregion mit kleinsten Entfernungen“, erklärt Pressesprecherin Barbara Knieps. Die aktuelle Saison laufe gut, sagt sie, die Themen Wandern und Wein kämen nach wie vor gut an. Die Nachfrage nach Weinevents und -festen im Herbst sei enorm, in diesen Monaten kämen manche Beherbergungsbetriebe an ihre Grenzen, weil nicht genügend Betten zur Verfügung stünden. 2019 gab es in Hotels und Pensionen 8325 Betten, 2022 (Stand Dezember) 3807, jetzt 5481.

Winzergenossenschaft Mayschoss investiert Millionen

Die Spuren der Flut sind für Urlauber an vielen Stellen deutlich zu sehen. Der Ahr-Radweg ist noch nicht komplett wiederhergestellt, zwischen Altenahr und Marienthal ist er zurzeit gesperrt, Radler können ab 2024 über eine Höhenroute zwischen Kalenborn und Ringen ausweichen. Wer mit dem Auto nach Altenahr fährt, sieht einen Ort im Kampf gegen die Folgen jener Julinacht: 80 Prozent der Häuser wurden beschädigt, manche sind nur notdürftig instandgesetzt, blaue Plastikfolien decken Fensterhöhlen ab. Auf einem kleinen Balkon an der Seilbahnstraße sitzt ein Paar bei einem Schoppen Wein und schaut zur Ruine der Burg Are. Unten im Haus hat sich ein gutes Dutzend Gäste in einem Ladenlokal zu einer Weinprobe niedergelassen, man spricht Englisch.

Winzergenossenschaft investiert 19 Millionen Euro Für die Fremdenverkehrsexperten sind solche Begegnungen ein Zeichen der Hoffnung. Im Kellergewölbe der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr zeigt ein Verkäufer auf eine Luke mit grüner Tür in vier Meter Höhe: Bis dahin stand das Wasser. Und jetzt? Der Weinverkauf läuft, Weinproben werden wieder angeboten und gebucht, wenn auch noch viel improvisiert werden muss. Eine neue Lagerhalle, Vinothek, Veranstaltungsräume sind geplant. 19 Millionen Euro will die älteste Winzergenossenschaft der Welt dafür in die Hand nehmen. „We Ahr open“ klebt nicht nur hier als Plakat an der Tür. Es ist das Kampagnenmotto des Ahrtal-Tourismus: offen und froh über jeden Besuch.