Virtueller Frauennotruf gestartetSchreiben ist oft leichter, als reden
Leverkusen – „Schreiben ist lauter als denken und leichter als reden“, sagt Sarah Thibol über das, was sie im letzten halben Jahr aufgebaut hat. Den virtuellen Frauennotruf, einer Notlösung in Corona-Zeiten, die sich aber zu einem wertvollen Instrument auch für die Zukunft erweisen kann. „Wir hatten im Lockdown das Problem, dass wir natürlich keine persönlichen Beratungen machen konnten“, sagt Andrea Frewer, Leiterin der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt. „Da haben wir gemerkt, dass wir ziemlich schnell an unsere technischen Grenzen stoßen.“ Denn eine Beratung per E-Mail ist aus Datenschutzgründen nicht erlaubt. Gleichzeitig ist aber der Bedarf gestiegen. Da kam ein Corona-Sonderprogramm der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW im Sommer 2020 gerade recht. Damit konnte der Frauen Notruf ab Januar die studierte Sozialwissenschaftlerin Thibol für ein Jahr lang einstellen, damit sie die virtuelle Beratungsstelle aufbaut. Seit 1. Juli ist die Plattform nun online.
Persönlich oder anonym
Darin können Nutzerinnen sich persönlich oder anonym registrieren und dann zwischen Webmail-Beratung, Chat und Videochat wählen. Alles läuft verschlüsselt über einen externen Server mit hohen Sicherheitsanforderungen ab, so dass die Datenschutzvorgaben erfüllt sind. „Das Angebot eignet sich für Menschen, denen es leichter fällt, Erlebnisse und Gefühle aufzuschreiben“, sagt Thibol. Gerade jüngere Frauen, die sich viel in der technischen Welt aufhalten, schätzen die Distanz des Bildschirms. Um diese zu erreichen, wir das neue Angebot nicht nur über klassischen Weg der Flyer verbreitet, sondern auch über soziale Medien wie Facebook und Instagram. Außerdem können sich so auf Frauen zur Beratung melden, die ihre Wohnung nicht für ein persönliches Treffen verlassen können. Sei es wegen Quarantäne, Gebrechen, Kinderbetreuung oder möglicher Täter im Haushalt.
Dreifache Hilfe für Frauen
Drei Institutionen sind in Leverkusen unabhängig voneinander zum Thema „Häusliche Gewalt“ tätig.
Der Frauennotruf ist die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt, die Frauen und Mädchen berät, die sexuelle Übergriffe in welcher Form auch immer erlebt haben. Sie hat ihren Sitz in der Damaschkestraße 53 in Küppersteg.
Die Frauenberatungsstelle Leverkusen e. V. /Interventionsstelle bei Häuslicher Gewalt hat ihren Sitz in der Birkenbergstraße 35. Sie berät Frauen nach Häuslicher Gewalt und zum Gewaltschutzgesetz in Kooperation mit der Polizei Leverkusen/Köln. Zusätzlich finden Frauen Beratung in Krisensituationen wie Trennung/Scheidung, Stalking.
Das Frauenhaus Leverkusen bietet gewaltbetroffenen Frauen mit oder ohne Kindern Zuflucht, Schutz und Unterstützung. Der Vereinsname lautet „Frauen helfen Frauen e. V.“, es ist unter ☎ 0214/ 49408 zu erreichen. (stes)
Damit nicht nur digital Erfahrene und entsprechend Ausgerüstete das Angebot wahrnehmen können, hat der Frauen Notruf fünf Tablets angeschafft, die bei Bedarf ausgeliehen werden können. „Da die Beratungsstelle aktuell auch wieder geöffnet ist, können wir auch hier vor Ort gemeinsam üben, wie das funktioniert.“
Große Umstellung
Auch für die Mitarbeiterinnen des seit mehr als 30 Jahren existierenden Frauen Notrufs ist die virtuelle Beratung eine Umstellung. „In dem Förderprogramm gab es auch Schulungen für die Mitarbeiterinnen“, sagt Frauen Notruf Vorstandsmitglied Sabine Rusch-Witthohn. „Das war sehr hilfreich, weil man so andere Tools lernt, wie man mit den Beratungen umgehen kann“, sagt Frewer. Leicht sei es nicht, wenn Mimik und Tonlage wegfallen. „Ich hatte wirklich Manschetten davor“, sagt Frewer. Jetzt weiß sie das neue Angebot aber ebenso zu schätzen. „Ich bin sicher, dass uns das auch nach Corona bereichert. Weil wir so Frauen erreichen, die sonst nicht zu uns gekommen wären.“