Veedels-CheckEsch, Pesch und Auweiler sind die gallischen Dörfer Kölns
Köln-Pesch – Wenn Feuerwehrmänner aus Pesch und Esch in Auweiler auf Bierfässern balancieren und sich in Schubkarren durch die Gegend fahren, steigt im Kölner Norden ein Fest, wie man es sonst nirgendwo in der Stadt findet: Die „Maigesellschaft Greesberger“ von 1926 tanzt und feiert gleich mehrere Tage in den Wonnemonat. Beim „Spiel ohne Grenzen“ entsenden Nachbarschaften und Vereine Sechser-Teams zum lustigen Kräftemessen beim Maifest in Auweiler, das schon zwei Tage vor Monatsanfang mit dem Aufbau eines 20 Meter hohen Maibaums auf dem Dorfanger, dem grünen Zentrum des Viertels, beginnt.
Im kleinen Auweiler ist es in den vergangenen Jahren gelungen, eine alte Tradition wieder zu beleben, wie der Vorsitzende der Maigesellschaft Klaus Schiefer sagt – mit allem, was dazu gehört: Mit Blasmusik und Tamtam wird der „Zacheies“, eine dem „Nubbel“ ähnliche Strohpuppe, durchs Dorf getragen, im Festzelt werden die Maikönigin und neuerdings auch ein Maigraf gekürt. Eine Kranzniederlegung für die Verstorbenen gehört selbstverständlich genauso dazu wie ein bis in den Nachmittag ausgedehnter Frühschoppen nach dem Kirchgang.Esch, Pesch und Auweiler werden vom gemeinen Kölner gerne in einem Atemzug genannt – falls er überhaupt weiß, dass diese Orte seit ihrer Eingemeindung 1975 zum Stadtgebiet gehören. Tatsächlich hat man hier zwischen Autobahnring, Pulheim und Sinnersdorf viel miteinander zu tun. Es wird nicht nur gemeinsam gefeiert, es gibt auch zahlreiche – über eine sehr lange Geschichte – gewachsene Verbindungen.
In einer Fluss-Terrassen-Landschaft eines alten Rheinarms gab es schon zur Römerzeit große Bauernhöfe, die „villae rusticae“. Über Jahrhunderte wurde das fruchtbare Land beackert, um die römische Provinzhauptstadt im Süd-Osten und später kirchliche Einrichtungen sowie Bürger in der mittelalterlichen Stadt zu versorgen. Esch war das Zentrum der bäuerlichen Gegend, wo die Landwirte aus dem Umland in die im 11. Jahrhundert erbaute, imposante Kirche St. Martinus gingen. Bis zur Eingemeindung mussten Pescher zum Heiraten nach Esch. Die drei Orte gehörten damals zur Gemeinde Sinnersdorf im „Landkreis Köln“. Es gibt Vereine, die sich bis heute um alle drei Veedel kümmern. So haben CDU und SPD alle in jeweils einem Ortsverband zusammen gefasst. Und trotzdem legen die Vertreter der drei Stadtteile größten Wert auf ihre Eigenständigkeit. Nicht nur beim „Spiel ohne Grenzen“ wird die Rivalität gepflegt.
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Dass die Stadt aus Gründen, die keiner mehr kennt, Esch und Auweiler zu einem „Doppelort“ gemacht hat, erzürnt hier nicht wenige. Das müsse sich ein inkompetenter Beamter an einem Schreibtisch im Rathaus ausgedacht haben, sagt die Vorsitzende der Escher Dorfgemeinschaft, Ursula Rändel. „Wir sind kein Doppelort!“
Einer, der die Unterschiede kennen muss, ist der Büttenredner Ralf Knoblich, der als „Knubbelisch vom Klingelpütz“ im Karneval unterwegs ist. Er ist in Pesch groß geworden, wo seine Eltern die Kneipe „Hubertushof“ führten, die heute „Backstein“ heißt. Jetzt wohnt er in Esch und ist unter anderem aktiv in der Maigesellschaft Auweiler. „Die Auweiler sind sehr stolz auf ihr Dörfchen“, so Knoblich. „Die fühlen sich auch nicht als Kölner.“ Das würden Escher und Pescher so nicht sagen. Dabei habe sich auch Esch den dörflichen Charakter bewahrt. „Hier wird jeder von jedem auf der Straße gegrüßt, auch wenn man sich gar nicht kennt“, so der 54-Jährige.
Pesch dagegen empfinde er eher als „Vorstadt“. Manfred König, Vorsitzender des Pescher Bürgervereins, spricht lieber von einer „schönen Stadtrandgemeinde“.
Mit der Eingemeindung nach Köln wandelte sich Pesch stärker als die beiden Nachbarn. Es wurde viel gebaut, die Bevölkerung wuchs, die ländlichen Strukturen verschwanden. Nicht wenige sagen, dass manche Bausünde aus dieser Zeit den Peschern den Ortskern kaputt gemacht habe. König sieht es etwas weniger emotional: Pesch habe eigentlich nie ein richtiges Zentrum gehabt.
Höfe und Häuser hätten sich um eine Straßenkreuzung gruppiert. Mehr nicht. Nun sieht er den Stadtteil wieder im Wandel. Aus den „neuen Peschern“ der 1970er Jahre sind längst „alte Pescher“ geworden, die nun wie ihre Vorgänger ein bisschen sorgenvoll auf die Neuen schauen. Mancher hält Pesch bereits für ein Kölner Schlafdorf für Pendler, die die Ruhe und das gute Wohnumfeld schätzen, sich aber nicht mehr für die Gestaltung des Veedels engagieren – ein Problem, das man auch in anderen Stadtteilen Kölns kennt.
Die Stadt wächst, braucht Flächen für den Wohnungsbau. Auch Esch und Auweiler fürchten sich vor Neubauprojekten in der Nachbarschaft. Eine Bürgerinitiative kämpft gegen die Forderung der Stadt, auf Bezirksebene den Regionalplan zu ändern, um Freiflächen bei Auweiler für den Wohnungsbau umwidmen zu können. Die Interessenvertreter sagen, die Frischluftzufuhr für die Stadt sei in Gefahr.
Es sind gleich zwei stadtweite Rekorde, nach denen wir bei jedem „Veedels-Check“ suchen, die für das stehen, was in Esch, Pesch und Auweiler noch typisch ist und sich aber weiter wandeln wird: Nirgendwo gibt es weniger Ampeln in der Stadt, nirgendwo so viele denkmalgeschützte Höfe und Reste von Hofanlagen.
Der bekannteste Hof ist der Stöckheimer Hof, in dessen Park 1835 ein Aussichtsturm gebaut wurde, um den Baufortschritt des Doms in Köln beobachten zu können. Er teilt das Schicksal nahezu aller gut erhaltenen Vierkanthöfe der Stadt, aus denen schicke Wohnanlagen wurden. Er ist der Namensgeber einer wunderbaren Landschaft im Kölner Norden.
Bei der Eingemeindung hatte sich die Stadt Köln gegenüber den drei Orten verpflichtet, aus einem Areal voller Kiesgruben ein zusammenhängendes Erholungsgebiet zu machen. Nach und nach wurden die Wunden geheilt, die der großflächige Abbau von Kiesvorkommen, die der Rhein in früherer Zeit abgelagert hatte, hinterlassen hatte. Köln hat mit Pulheim 1980 den „Zweckverband Erholungsgebiet Stöckheimer Hof“ gegründet.
Am Escher See entstand ein Strandbad, in dessen Bereich das Baden offiziell erlaubt ist. Mit ihm verbindet sich ein weiterer Rekord: Nirgendwo in Köln gibt es einen größeren zusammenhängenden Sandstrand. 50 00 Tonnen wollen die Betreiber des „Sundown Beach“ aufgeschüttet haben, die das Freibad nach seiner Aufgabe durch die Köln-Bäder GmbH übernommen haben. Zum Vergleich: Im Beach Club am Deutzer Tanzbrunnen erholt man sich auf „nur“ 1100 Tonnen Sand.
Escher trifft man am Escher See eher selten. Er sei zum „Hähnchen-Grill“ für junge Kölner geworden, die ihre Muskeln und gut gebauten Körper zeigen wollen, meint Ralf Knoblich. Die Einheimischen würden eher die anderen Seen bevorzugen. Baden darf man in denen allerdings gar nicht. Weil sie trotzdem viele Besucher anlocken, kommt es zu Problemen. Müll, Lärm und verletzte Wasservögel sind die Folge von Grillpartys, Lagerfeuern und der Rücksichtslosigkeit von Hundebesitzern, die ihre Vierbeiner nicht anleinen. Vor allem der Pescher See ist betroffen. Aus Sicht des Bürgervereins wird es immer schlimmer. Die Stadt tue zu wenig dagegen.
Insel der Glückseligen in Köln
Die drei Viertel haben es nicht leicht, sich in den politischen Entscheidungsprozessen Gehör zu verschaffen. Auf der Ebene des zuständigen Stadtbezirks Chorweiler spricht man angesichts der Sorgen in anderen Vierteln im Kölner Norden schon mal von den „Inseln der Glückseligen“, deren Probleme eher Problemchen sind. So geht ein gewichtiges Anliegen – vor allem der Escher und Auweiler – seit Jahrzehnten unter. Die Nahverkehrsanbindung ist tatsächlich so schlecht wie in kaum einem anderen Ort der Stadt.