AboAbonnieren

Urteil am LandgerichtHohe Strafe im Leverkusener Raub-Prozess im Drogen-Milieu

Lesezeit 4 Minuten
Landgericht Köln

Landgericht und Amtsgericht Köln. (Symbolbild)

Leverkusen/Köln – Am 9. Januar 2017 betritt die Polizei die Wohnung von Hugo N. Der Drogendealer hat die Beamten selbst gerufen. „Das kann so nicht weitergehen” sagte er sich erst selbst, dann den Beamten und schließlich auch vor Gericht.

Die Polizisten, die einen Raubüberfall aufnehmen, finden in N.s Wohnung große Mengen an Drogen – eine Marihuana-Plantage hinter dem Katzenkratzbaum im Wohnzimmer, Amphetamine im Kühlfach. Die Drogen mussten kühl gelagert werden, damit der Effekt nicht so schnell verfliegt, erklärt er später dem Gericht.

Dealer will sich Stress nicht mehr aussetzen

Hugo N. weiß, dass er für Drogenhandel verurteilt werden wird, wenn er den Beamten die Tür öffnet. Er tut es trotzdem. Weil er ausgeraubt wurde. Bereits zum zweiten Mal vom gleichen Täter. Die 13. Große Strafkammer am Landgericht Köln glaubt ihm. Sie verurteilt den Angeklagten Simon L. am 26. Februar zu insgesamt sieben Jahren und sechs Monaten Haft.

Damit ist ein Prozess beendet, dessen Wendungen dem Angeklagten nicht zugutekamen. Der 36-jährige Leichlinger gab an, seit der Pubertät Drogen zu nehmen und Alkohol zu trinken. Trotzdem absolvierte er nach dem Hauptschulabschluss einen Zivildienst in einer Schule für geistig Behinderte – es schien als habe er einen guten Weg gefunden. Er machte die Ausbildung zum Altenpfleger. Ein Beruf, der ihm gefiel, wie er sagt.

Drogen sind immer wieder stärker

Zu Beginn des Prozesses spricht er davon, sich in dem Feld wieder um einen Job zu bemühen. Aber der Konsum holt ihn ein. Eine Polizeikontrolle hält ihn mit 2,4 Promille Blutalkohol auf einem Roller an: der Führerschein ist weg und damit auch seine Stelle als ambulanter Krankenpfleger. L. zieht von Leichlingen nach Leverkusen, in die Nähe seiner damaligen Freundin und ihres Kindes – trennt sich dann aber von ihr für eine andere Frau.

Alkohol und Amphetamine bestimmen seinen Tagesablauf, wie er freimütig zugibt. Eine Flasche Wodka pro Tag und ein bis zwei Gramm Speed – er nennt es „Schnelles“ – konsumiert er am Tag. Das Gericht beginnt, misstrauisch zu werden. Wie es um seine Zähne bestellt sei, fragt ihn der Richter am ersten Prozesstag. Gut, antwortet der Angeklagte. Gut für den Angeklagten? Ansichtssache.

„Es ist gerichtsbekannt”, dass so hoher und langjähriger Konsum von Amphetaminen die Zähne schädige, bemerkt der Richter in der Urteilsbegründung fast nebensächlich. Nach zwei Wochen Untersuchungshaft, sagt er: “Es geht mir gut, ich habe viel geschlafen.“ Keine Entzugserscheinungen. Keine Chance auf Schuldunfähigkeit zu plädieren.

Uneinige Aussagen der Zeuginnen

Vor der Tat am 9. Januar soll L. bereits einmal bei N. zuhause gewesen sein. Damals habe er den 37-Jährigen schon einmal ausgeraubt, in dem Wissen, dass er Drogen und Wertgegenstände zuhause hatte. L. und sein Verteidiger bestritten dies. Am 9. Januar war L. in Begleitung mit zwei Frauen bei N. Julia G., die ihrerseits einen denkwürdigen Auftritt vor Gericht ablieferte, bestritt, N. auch nur zu kennen. Die andere Zeugin berichtete von dem fraglichen Abend eine deutlich andere Version als L.

Der hatte zwar zugegeben, N. geschlagen zu haben, aber nur aus Nothilfe, weil dieser die Frauen habe angreifen wollen. Laut der Zeugin hatten sich der Angeklagte und G. aber vorher bereits dazu verabredet, in N.s Wohnung einzudringen.

Mehrfach hatte das Gericht den Angeklagten gefragt, ob er seine ursprüngliche Einlassung ändern wolle. Er tat es nicht. Also entschied das Gericht ganz nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Als der Richter L. “besondere kriminelle Energie” bescheinigt, schüttelt dieser den hochroten Kopf. Seine Lippen formen Worte, die er aber nicht ausspricht.

Die Aussagen des Geschädigten und der anderen Zeugen passten viel besser zusammen als die Geschichte, die L. bis zum Schluss verteidigt hatte. „Entweder wir machen hier ein mega Fehlurteil oder sie wären wirklich besser damit beraten gewesen, ihre Geschichte zu ändern“, sagt der Richter. L. schaut ihn mit glasigem Blick an.