Stahl soll fehlerhaft seinBei Leverkusener Brücke droht lange Verzögerung
Leverkusen – Die Arbeiten an der Leverkusener Brücke stehen still. Dabei war es in letzter Zeit endlich deutlich vorangegangen: Mit dem Bau der Pfeiler für den Neubau konnte begonnen werden, einige mehr als 20 Meter lange Stahlträger für die künftige Trasse kamen aus China an. Zwei von ihnen liegen bereits im Niehler Hafen. Entladen und verbaut werden können sie derzeit nicht. Genau um diese Stahlteile ist ein womöglich folgenschwerer Streit zwischen dem österreichischen Bauunternehmen Porr AG, das die Brücke bauen soll, und dem Landesbetrieb Straßen. NRW entbrannt.
Worum dreht sich der Streit?
Die Stahlbauteile hätten "starke Mängel", sagt Bernd Löchter von Straßen.NRW am Sonntag. Die Verarbeitung der Teile sei sowohl in Niehl als auch in Rotterdam geprüft worden. In Rotterdam liegen bereits weitere in China gefertigte Stahlträger und warten auf ihre Verschiffung nach Köln. Die dürfte sich jedoch verzögern. Derzeit laufen "intensive Gespräche" darüber, was mit den Stahlteilen, die in Niehl bereit liegen, passiert. Auch dass sie zurückgeschickt werden, scheint eine Option zu sein. Die tonnenschweren Bauteile wieder nach China zu bringen und neue anfertigen zu lassen - das dauert. Den Zeitplan für den Bau der Rheinbrücke würde das ins Wanken bringen. "Kleinste Störungen können zu Verzögerungen führen", stellt Straßen.NRW klar.
Auf der anderen Seite erklärt die Porr AG, eine Neuherstellung sei gar nicht notwendig. Es wird zwar eingeräumt, dass schon bei der Produktion in China Mängel festgestellt wurden, diese wurden aber "noch im Werk beseitigt", der Transport nach Deutschland wurde freigegeben. Bei einer Untersuchung in Rotterdam wurden weitere Fehler an Bauteilen festgestellt, "Dabei handelt es sich um einzelne Poren in Schweißnähten und Schleifspuren an den Oberflächen", teilt das Unternehmen mit Sitz in Wien mit. Die Fehler seien bei "Stahlarbeiten dieser Größenordnung zu erwarten" und könnten "routinemäßig" behoben werden. Porr schlägt vor, dies direkt vor Ort auf der Baustelle zu erledigen.
Derzeit ist völlig offen, ob und wie der Streit beigelegt werden könnte. Auch eine Kündigung des Bauunternehmens steht im Raum. Die Porr AG bestätigt, dass mit einer Kündigung des Bauvertrags gedroht wird. Das Unternehmen wehrt sich. Vor Ort in China habe neben eigenen Gutachtern von Straßen.NRW auch der Tüv Rheinland die Produktion überwacht. Der Tüv Rheinland stellte am Wochenende ausdrücklich klar, "dass die Nachbesserung der Mängel möglich ist".
Wie geht es jetzt weiter?
Die Situation ist verfahren. Gespräche vom vergangenen Freitag sind offenbar erfolglos verlaufen. Laut Ralf Leinemann, Rechtsanwalt der Porr AG, hat das Unternehmen vorgeschlagen, einen unabhängigen Gutachter einzuschalten. Das sei aber abgelehnt worden. Nun wurde von Porr eine Schiedsbegutachtung durch eine staatlich anerkannte Prüfstelle angestrengt. Leinemann rechnet damit, dass innerhalb von sechs bis acht Wochen Ergebnisse vorliegen. So lange werden die Bauarbeiten wohl mindestens ruhen.
Welche Probleme gibt es sonst noch?
Der Neubau der Leverkusener Brücke hinkt dem ursprünglichen Zeitplan bereits gut ein Jahr hinterher (siehe Kasten). 2017 bekam die Porr AG den Zuschlag für die Baumaßnahme mit einem Volumen von rund 360 Millionen Euro. Dazu gehört auch der Abriss der bestehenden Brücke. Vorher sollte der Bereich unter anderem nach Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg abgesucht werden. Schon das klappte nicht wie geplant, weil das Rheinniedrigwasser vor zwei Jahren die Sondierung verzögerte. Außerdem gebe es deutlich mehr Verdachtsfälle, teilte Straßen.NRW im vergangenen Juni mit. Für die Suche nach den Kampfmitteln war Straßen.NRW zuständig.
Außerdem sei die alte Brücke nicht auf Schadstoffe untersucht worden, kritisiert die Porr AG. Neben dem giftigen PCB aus dem Rostschutzanstrich wurde auch Asbest gefunden. Dazu hat die Porr AG nach eigenen Angaben ein "verbessertes Abbruchkonzept" vorgelegt, damit der Zeitplan mit einer Fertigstellung der ersten Brückenhälfte gehalten werden könnte. Man hoffe nun auf "Zustimmung von Straßen.NRW". Laut den Plänen soll nach Fertigstellung der ersten Brückenhälfte mit einem Abriss der alten Brücke begonnen werden, um ausreichend Platz für den Neubau zu bekommen.
Was bedeutet das für die Autofahrer?
"Wenn es wirklich zum Baustopp kommt, wäre das ein Alptraum für die Anlieger, die Lkw-Fahrer und die Berufspendler", sagt Dr. Roman Suthold, Verkehrsexperte beim ADAC Nordrhein. Wie lange die marode alte Brücke aus den 1960er Jahren noch durchhält, ist unklar. Seit Jahren wird notdürftig repariert. "Die Haltbarkeit der alten Brücke ist ein Risikofaktor", erklärt Roman Suthold. Wegen der Reduzierung auf 40 Stundenkilometer gilt die Leverkusener Rheinbrücke als Nadelöhr und Stauschwerpunkt. Ganz ohne die Querung wäre der Autobahnring rund um Köln mit seinen bundesweit wichtigen Ost-West- und Nord-Süd-Verbindungen unterbrochen.
Die Brücke in Zahlen
40 000 Kraftfahrzeuge sollten täglich über die Leverkusener Brücke rollen können - so der Plan, der für den Bau der Rheinquerung in den 1960er Jahren entworfen wurde. Es kam anders. Fünf Jahrzehnte später waren es mehr als 120 000 Fahrzeuge, darunter 14 000 Lkw. Sie rollten über die rechte Spur, die eigentlich nur als Standstreifen vorgesehen war. Das alles war zu viel für die Stahlkonstruktion des Bauwerks. 2012 stellen Ingenieure einen "kritischen Bauwerkszustand" fest. Seitdem gibt es bereits verschiedene Gewichts- und Geschwindigkeitsbeschränkungen. 2016 wurde eine Sperranlage mit Schranken aufgestellt, um schwere Lkw und Fahrzeuge mit einer Breite von mehr als 2,30 Metern an der Überfahrt zu hindern.
Geplant ist ein zweigeteilter Bau mit jeweils drei Fahrspuren und Standstreifen. Der erste Teil wird direkt nördlich der jetzigen Brücke gebaut. Wenn er fertig ist, kann der Verkehr zunächst komplett über diesen Teil fließen. Dann soll die alte Brücke abgerissen werden und an ihrer Stelle der zweite Brückenabschnitt entstehen.
2021 ist die Fertigstellung des ersten Brückenteils geplant - eigentlich. Die Leverkusener Rheinbrücke gilt als eines der aufwendigsten derzeitigen Bauprojekte im Straßenverkehr von Nordrhein-Westfalen. (kl)