Adolph Kolpings Einsatz für Not leidende Handwerksgesellen ist legendär. Am Ende seines Lebens war der katholische Priester und „Gesellenvater“ aus Kerpen physisch und mental ausgebrannt.
„Rheinische Pioniere“ (3)Adolph Kolping aus Kerpen – als ein Schuster die Welt veränderte
Sie waren die ersten Startup-Gründer und Influencer: Menschen, die im Rheinland wirkten und deren Ideen bis heute faszinieren. Unsere Serie stellt die „Rheinischen Pioniere“ und ihre Erfolgsgeheimnisse vor.
Was macht Adolph Kolping zu einem Pionier?
Für Schulen, Straßen oder Studentenwohnheime war und ist Adolph Kolping ein immer wiederkehrender Namensgeber. Der katholische Priester aus Kerpen leistete praktische Hilfe zur Selbsthilfe für die Arbeiterschaft des 19. Jahrhunderts und sah dies als Alternative zu kommunistischen Ideen. Gleichzeitig war er Impulsgeber für neue Wege der Seelsorge der katholischen Kirche. Kolping setzte auf konkrete Maßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung der sozialen Lage, während jahrhundertelang die reine Armenfürsorge im Vordergrund gestanden hatte. Der Kerpener war kein Theoretiker, lehnte die Positionen von Karl Marx ab und ging stattdessen selbst an die Ränder der Gesellschaft. Das von ihm gegründete Kolpingwerk engagiert sich bis heute in Kirche und Gesellschaft für die Lösung aktueller sozialer Probleme.
Was ist über seine Herkunft bekannt?
Adolph Kolping wurde am 8. Dezember 1813 in Kerpen geboren. Er war das vierte von fünf Kindern des Schäfers und Kleinbauern Peter Kolping und dessen Ehefrau Anna Maria. Kolping stammte aus einfachsten Verhältnissen und behielt seine Bodenständigkeit sowie den Glauben seiner Eltern ein Leben lang bei. „Das Dölphchen“, wie er genannt wurde, besuchte die einklassige Volksschule in Kerpen. Von Anfang an zeigten sich sein Talent und sein Ehrgeiz. Mit 13 Jahren war jedoch zunächst Schluss – die finanzielle Lage der Familie ließ eine weitere Schullaufbahn nicht zu. So ging er 1826 beim Kerpener Schuhmacher Meuser in die Lehre. Nach erfolgreichem Abschluss arbeitete er ab 1829 als Geselle in der Erftregion und schließlich in Köln.
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Was war die Grundlage für seinen Erfolg?
Sein Kölner Schustermeister schätzte den jungen Mitarbeiter wegen seines fachlichen Könnens und seiner sympathischen und ehrlichen Art so sehr, dass er ihm seine einzige Tochter zur Frau und dazu das Geschäft anbot. Kolping zog es jedoch vor, Priester zu werden, und lehnte ab.
Im Herbst 1837 wurde er Schüler am Kölner Marzellen-Gymnasium, dem heutigen Dreikönigsgymnasium. Nach dreieinhalb Jahren bestand er das Abitur – praktisch auf dem zweiten Bildungsweg. Sein „Curriculum Vitae“, das er vor dem Abitur niederschrieb, zeigte jedoch gesundheitliche Probleme und seelische Belastung. Auch die sozialen Zustände vieler Arbeiter und Handwerker beschäftigten den tiefgläubigen Christen. „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“, soll sein Heimatpfarrer ihm empfohlen haben. Doch Kolping entschied anders und kümmerte sich um die Ärmsten in Deutschland, fast ein halbes Jahrhundert bevor der „Arbeiterpapst“ Leo XIII. mit seiner Enzyklika „Rerum novarum“ die Lehre von der sozialen Gerechtigkeit zum Anliegen der gesamten katholischen Kirche machte.
Gab es Widerstände?
Am Ende seiner Gymnasialzeit plagte Kolping die Sorge, wie und wo er das Studium der Theologie absolvieren könnte. Zuvor starb bereits 1833 seine geliebte Mutter. Seine Bemühungen, in Rom einen Studienplatz zu bekommen, blieben bis zu seinem Abitur erfolglos. Aber dank eines Stipendiums, das Maria Helena Meller, die Tochter eines Gutsbesitzers aus der Nähe von Kerpen, zahlte, konnte er ab 1841 in München katholische Theologie und Philosophie studieren. 1842 wechselte er an die Universität Bonn. 1844 trat er in das Priesterseminar Köln ein. Am 13. April 1845 wurde er in der Kölner Minoritenkirche durch Weihbischof Claessen zum Priester geweiht, in der Nacht zuvor war sein Vater gestorben. Kolping trat schweren Herzens seine erste Stelle als Kaplan in St. Laurentius in Elberfeld an und unterrichtete zudem Religion.
Wie gelang der Durchbruch?
Elberfeld war eine klassische Industriestadt und für soziale Aufgaben prädestiniert. Die Katholiken in Elberfeld bildeten eine deutliche Minderheit. Kolping stellte fest: „Die große Masse der Fabrikarbeiter schmachtet im Elend.“ Schnell fand der junge Priester Kontakt zu Handwerksgesellen in einem „Freundschaftsbund“. Der Lehrer Johann Gregor Breuer nannte den Zusammenschluss 1846 „Gesellenverein“. Kolping war darin offizielles Mitglied, sowie ab 1847 zweiter Präses, und teilte die Sorgen und Nöte der Gesellen. So entstand bei ihm der Wunsch, solche Vereine in ganz Deutschland zu gründen.
Kolping wollte den jungen Arbeitern im Gesellenbund und in Heimen Ersatz schaffen für das fehlende Familienleben und sie aus dem Elend herausholen. Im März 1849 bewarb er sich als Domvikar in Köln, weil er sich in der Großstadt mehr Wirkung erhoffte – und erhielt die Stelle. Adolph Kolping wurde bald der erste deutsche katholische Priester, der hauptamtlich im sozialen Bereich wirkte.
Am 6. Mai 1849 gründete er mit sieben Gesellen in der Kolumbaschule den Kölner Gesellenverein. Anfang 1850 hatte der Verein bereits 550 Mitglieder. Kolping sammelte Spenden für weitere Häuser. Seine Förderer und Ratgeber waren unter anderem der Großkaufmann Peter Michels sowie der spätere Zentrumspolitiker August Reichensperger. „Die Gesellenhäuser boten nicht nur ein Dach über dem Kopf und warme Mahlzeiten, sondern dienten der Fortbildung und dem gegenseitigen Kennenlernen – der enge Zusammenhalt der Gesellen half dem Handwerk insgesamt“, erklärt Dr. Ulrich Soénius, Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln und Vorsitzender des Interdisziplinären Arbeitskreises Handwerksgeschichte beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Die Gesellenvereine breiteten sich aus: Im Herbst 1850 schloss Kolping die Vereine Elberfeld, Köln und Düsseldorf zum „Rheinischen Gesellenbund“ zusammen (ab 1851 Katholischer Gesellenverein). Dieser Zusammenschluss war der Ursprung des heutigen internationalen Kolpingwerkes. Weitere Unterstützung ermöglichte Kolping durch die Einrichtung vereinsinterner Kranken-, und Sparkassen sowie durch Arbeitsvermittlung. Die Mitglieder der Vereine waren verpflichtet, für ihre Kranken zu sorgen. In Köln war Kolping unermüdlich aktiv: 1852 kaufte er auf der Breiten Straße für 14 200 Taler ein Anwesen, um Versammlungsräume und ein Hospiz für durchreisende Gesellen einzurichten. Am 8. Mai 1853 konnte das Haus bezogen werden. Zudem schaffte er es, die ersten erfolgreichen katholischen Presseerzeugnisse in Preußen zu veröffentlichen: 1850 gab er in Köln den „Katholischen Volkskalender“ heraus. 1854 gründete Adolph Kolping die „Rheinischen Volksblätter für Haus, Familie und Handwerk“. Kolping sah in der Pressearbeit eine Möglichkeit, die wirtschaftliche und seelische Not vieler Menschen aufzuzeigen.
Nach Kolpings Auffassung trug ein Christ Verantwortung für seine Mitmenschen und seine Umwelt. Zudem sah er in Ehe und Familie die Grundlage aller Gemeinschaftsbildungen. Seine große Nächstenliebe und Fürsorge galt den meisten, Nicht-Christen waren ihm jedoch suspekt: Eine scharfe Abgrenzung suchte er zum Kommunismus – hier sah er sogar eine Gefahr für die gesellschaftliche Ordnung. Jüdischen Menschen begegnete er gelegentlich mit den damals üblichen Vorurteilen und Feindseligkeiten. Unter anderem behauptete er, als „geborene Spekulanten“ seien sie schädlich für das Handwerk und mitverantwortlich für die Verarmung der Handwerker.
Was gab ihm Kraft? Welche Charaktereigenschaft stach hervor?
Am besten entspannen konnte er abends bei einem Glas Wein und einer Zigarre. Er war aber kein Charakter, der sich zurücklehnte: Vielmehr arbeitete er so viel, dass er am Ende seines Lebens physisch und mental ausgebrannt war. Von Jugend an trafen Kolping schwere Krankheiten. Trotzdem ließ er sich 1858 zum Generalpräses aller 180 damaligen Gesellenvereine wählen. In diesem Amt unternahm er beschwerliche Reisen. Im Herbst 1861 verschlechterte sich seine Gesundheit deutlich, dennoch reiste er nach Rom zu Papst Pius IX. Ab 1862 schien sich Kolpings Gesundheit zu stabilisieren, doch drei Jahre später litt er an einer schweren Gelenkentzündung im rechten Unterarm. Danach häuften sich Erstickungsanfälle, an denen er im Dezember 1865 im Kölner Gesellenhaus starb.
Was ist aus seinen Ideen geworden?
1865 zählte man in Deutschland 418 Gesellenvereine mit 24 600 Mitgliedern. Nach Kolpings Tod entwickelte sich die Idee der Gesellenvereine zu internationaler Bedeutung. Das Kolpingwerk ist heute mit rund 400 000 Mitgliedern in mehr als 9000 Kolpingfamilien und über 60 Ländern verbreitet. Dr. Soénius: „Kolpinghäuser zur Jugend- und Erwachsenenbildung sind längst nicht alles, was das Kolpingwerk zu bieten hat. Mitglieder sind Jugendliche und Erwachsene, Menschen aus allen Berufen und gesellschaftlichen Schichten. Entstanden sind auch Ferienheime, Bildungshäuser und Berufsbildungszentren. Weltweit engagiert sich das Werk besonders in der Entwicklungspolitik.“
Was bleibt von ihm?
Die „Welt“ nennt Adolph Kolping „einen der größten Deutschen der Geschichte“. In Köln wurde Kolping auf eigenen Wunsch in der Minoritenkirche beigesetzt, deren Rektor er ab 1862 war. Die Inschrift neben Geburts- und Sterbedaten lautet: „Er bittet um das Almosen des Gebetes.“ Seit 1903 steht eine Doppelstatue von Johann Baptist Schreiner auf dem Kirchenvorplatz – sie zeigt Kolping in priesterlichem Gewand, der einem Gesellen auf Wanderschaft väterlich die Hand reicht.
Der „Gesellenvater“ wurde am 27.10.1991 von Papst Johannes Paul II. in Rom selig gesprochen, eine Heiligsprechung wird von vielen Christen gefordert. Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Kolping 2013 in Köln zu seinem 200. Geburtstag als wegweisenden Sozialreformer: „Ein besonderer Mann, ein überzeugter Christ und ein großer Deutscher.“
Lebenslauf von Adolph Kolping
- 8.12.1813 Geburt in Kerpen als Sohn von Peter Kolping und Anna Maria Zurheiden
- 1819 - 1826 Besuch der Volksschule in Kerpen bei Lehrer Jakob Wilhelm Statz
- 1826 - 1829 Schuhmacherlehre in Kerpen
- 1829 - 1836 Schuhmachergeselle in Sindorf, Düren, Lechenich, Köln
- 1837 - 1841 Besuch des Marzellengymnasiums in Köln
- 1841 - 1845 Studium in Bonn und München; Priesterseminar in Köln
- 13.04.1845 Priesterweihe in Köln, Minoritenkirche
- 1845 - 1849 Kaplan in St. Laurentius, Elberfeld
- 1847 Präses des katholischen Gesellenvereins in Elberfeld 1849 Domvikar in Köln 6. Mai
- 1849 Gründung des Kölner Gesellenvereins in der Kolumbaschule 02.04.1862 Rektor der Minoritenkirche in Köln
- 1854 - 1865 Herausgabe u.a. der „Rheinischen Volksblätter“
- 04.12.1865 Tod Adolph Kolpings in Köln
- 27.10.1991 Seligsprechung durch Papst Johannes Paul II in Rom. (jsp)