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Schlechte Nachbarschaft in LeverkusenEin Lebensbaum als Streitobjekt

Lesezeit 3 Minuten

„Erhebliche Beeinträchtigung“: Das Ehepaar Rothert soll den auf ihrem Grundstück stehenden Baum kappen.

Leverkusen – Für einen einen guten Rechtsanwalt mit Freude an der Natur könnte sich in Leverkusen ein gutes Geschäftsfeld auftun: Er müsste sich nur ordentlich ins Nachbarschafts- und Eigentumsrecht einarbeiten. Denn zur Lösung von Scharmützeln innerhalb einer Nachbarschaft, bei denen es um Bäume geht, werden nicht selten Anwälte eingeschaltet. Aktuell existieren solche Auseinandersetzungen in mindestens zwei Fällen in der Waldsiedlung sowie – da kann man sicher sein - an vielen weiteren Orten der Stadt.

Schlaflose Nächte

Oft ist der Schrecken groß, wenn Post vom Anwalt der Nachbarn kommt. Und schlaflose Nächte hatten auch die über 80-jährige Annelise Rothert und ihr Mann Manfred, nachdem sie ein entsprechendes Einschreiben erhielten. Sie wohnen in einem Bungalow an der Kandinskystraße. Die Siedlung auf dem Leimbacher Berg rechts von der wahrscheinlich breitesten Nebenstraße Leverkusens wurde in den 70er-Jahren gebaut, die Rotherts leben seit 1977 dort. Annelise Rothert sagt: „Wir haben hier noch nie Ärger gehabt – aber jetzt“. Der Grund: ein neuer Nachbar, dem ein Baum nicht gefällt. Der Baum steht bei den Rotherts im Garten. 1978 haben sie ihn pflanzen lassen, also vor 43 Jahren. Und es ist kein Riese: Der ovale immergrüne Lebensbaum ist etwa sechs Meter hoch.

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Acht gleiche Bungalows stehen nach heutigen Maßstäben gar nicht mal so dicht nebeneinander im Dreieck zwischen der Kandinskystraße, Paul-Klee-Straße und der kurzen Alfred-Kubin-Straße, die in einem Wendehammer endet. Zwischen dem Garten der Rotherts und dem Vorgarten des Nachbarn verläuft ein 3,30 Meter breiter Fußweg, ein Privatweg, der öffentlich nutzbar ist. Über den Weg ragen die Äste des Lebensbaums in drei Metern Höhe. Der Nachbar sei erst vor wenigen Jahren zugezogen, sagt Frau Rothert. Neulich habe er geklingelt und gefordert, dass der Baum weg müsse. „Aber der Baum kühlt im Sommer unseren Garten. Die Nachbarn wohnen ja im Süden, da macht der gar keinen Schatten. Wir haben das abgelehnt“. Außerdem lebten in ihm doch Vögel, habe sie dem Nachbarn gesagt – worauf der geantwortet habe, dass Vögel ihn nicht interessierten.

Verschmutzung und Verschattung

Der Anwalt des Nachbars schreibt, der Lebensbaum sei sechs Meter groß, stehe nur einen Meter von der Grenze entfernt, weshalb er laut Gesetz auf drei Meter gekappt werden müsse. Zudem müsse der Überhang über dem Fußweg entfernt werden – und zwar bis zum 15. Februar. Der Lebensbaum sei ein stark wachsender Zierstrauch, dessen erheblicher und beständiger Nadel- und Laubabwurf eine Verschmutzung des Weges und des Grundstückes verursache, schreibt der Anwalt Das Grundstück werde verschattet, „erheblich beeinträchtigt“. Der Brief kam kurz vor Heiligabend. „Ich konnte gar nicht mehr schlafen“, sagt Annelise Rothert.

Richter muss bewerten

Aber: Lebensbäume oder Thujen wachsen in Wahrheit langsam. Der Baum steht nördlich des Grundstücks des klagenden Nachbarn. Die Zypressen sind bekannt dafür, dass sie nur wenig Nadeln abwerfen, weshalb sie nicht nur auf Friedhöfen, sondern auch in Siedlungen der 70er Jahre durchaus ortsüblich sind. Zudem steht der Baum schon sehr viel länger auf dem Leimbacher Berg als der Nachbar dort wohnt. All diese Punkte müsste ein Richter bewerten, wenn es tatsächlich zum Prozess käme.

Die Rotherts haben erst einmal darauf verzichtet, einen eigenen Anwalt einzuschalten. Die in Sachen Naturschutz kundige Tochter einer Nachbarin hat sich der Sache angenommen und dem Anwalt geantwortet mit dem Ziel, einen unnötigen Prozess zu vermeiden. Sie glaubt, dass der Baum stehen bleiben kann, denn der Brief des Anwalts enthalte einfach zu viele sachliche Fehler.