IHK und Kreishandwerkerschaft befragten 1200 Betriebe in der Region zum Thema Mobilität. Die Antworten aus der Wirtschaft sind erschreckend.
„Das ist dramatisch!“Unternehmen im Rhein-Sieg-Kreis fürchten den Verkehrskollaps
Beim Thema Mobilität sieht die Wirtschaft im Rhein-Sieg-Kreis und in Bonn rot. Soll heißen: Für die Betriebe geht bald nichts mehr. Kreishandwerksmeister Thomas Radermacher machte die Lage mit einem drastischen Bild deutlich: „Wenn bei Nieselregen an einem Novembermorgen auf der Reuterstraße eine Mülltonne umfällt, bricht der Verkehr in der Region zusammen.“
Radermacher untermauerte seine Meinung am Dienstag mit den Ergebnissen einer Umfrage der Kreishandwerkerschaft mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg von Februar und März. Teilgenommen haben 900 IHK-Unternehmer und 300 Handwerker.
Danach ist ein Großteil der Firmen mit der Entwicklung der vergangenen Jahre unzufrieden. Die Befragten ärgern sich demnach darüber, dass sie ihren Standort in den vergangenen fünf Jahren immer schlechter erreichen könnten, dass Pkw und Lkw kaum vorwärtskämen, also der Verkehr nicht fließe.
Ausbau des ÖPNV soll Straßen entlasten
Gerade die Handwerker sagen, sie seien dringend aufs Kraftfahrzeug angewiesen, das oft als rollende Werkstatt genutzt werde. Radermacher: „Homeoffice oder öffentlicher Nahverkehr spielen keine große Rolle.“
Wenngleich die Kammern dennoch auf die Bedeutung von Bus und Bahn hinweisen, denn 63 Prozent der Unternehmen erhofften sich durch den Ausbau des ÖPNV Entlastungen auf den Straßen. Knapp die Hälfte der Befragten traue der Politik jedoch nicht zu, diese Lösung auch durchzusetzen. Der Kreishandwerksmeister und IHK-Präsident Stefan Hagen sagten, auch sie seien für die von der Bonner Ratskoalition vorangetriebene Verkehrswende, sie solle aber vernünftig und durchdacht angegangen werden und vor allem die regionale Wirtschaft im Blick behalten.
Der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Oliver Krämer, berichtete von Innungsbetrieben, die aus der Bundesstadt keine Aufträge annähmen, weil sie nicht zum Kunden gelangen könnten. Deshalb wünschen sich mehr als 50 Prozent der Firmeninhaber spezielle Liefer- und Ladezonen – Krämer: „Aber man muss hinkommen können.“ Mit dem derzeitigen Zustand dieser Reserveflächen ist nur eine Minderheit zufrieden.
Wirtschaft fordert Ausbau der Infrastruktur
Fast die Hälfte der Betriebe aus Industrie, Handel und Handwerk glaubt, dass sich wegen der Verkehrssituation ihre Lage verschlechtern werde oder sie gar in ihrer Existenz bedroht sind. IHK-Präsident Hagen: „Das ist dramatisch!“ Hier sei dringender Handlungsbedarf.
Wie kann die Lage aus Sicht der Wirtschaft verbessert werden? Sie setzt vor allem auf den Ausbau der Infrastruktur: mehr Züge am ICE-Bahnhof in Siegburg, zusätzliche Gleise für den Personen- und Güterverkehr zwischen Köln und Bonn, den Umbau des sogenannten Tausendfüßlers in Bonn (A 565) auf sechs Spuren plus Standstreifen, die Rheinspange zwischen der Flughafenautobahn und der A 555, den Ausbau der Stadtbahnlinie 66 zwischen Bonn und Siegburg, die Bonner Westbahn (früher Hardtbergbahn), eine Stadtbahn zwischen Bonn und Köln über Niederkassel und schließlich die Südtangente von Bonn durchs Siebengebirge.
Einige dieser Forderungen sind politisch umstritten. Sollte es keine Mobilitätsverbesserungen geben, befürchten Stefan Hagen und Thomas Radermacher steigende Kosten, weil etwa Handwerksbetriebe höhere Preise für Anfahrten in Rechnung stellen müssten. Der IHK-Präsident: „Die Rechnung zahlt am Ende der Bürger.“