In den Bildern von Merav Salomon spielt der Tod seit vielen Jahren eine wichtige Rolle.
Vortrag und Gespräch mit SchülernKünstlerin aus Israel besucht Museum in Troisdorf
Ihre Bilderzyklen tragen Namen wie „Requiem“ oder „Memento Mori“. Immer wieder taucht der Tod auf, das Grauen ist allgegenwärtig. „Manche sagen, weil ich verrückt bin“, antwortet die Illustratorin Merav Salomon auf die Frage, warum sie sich so oft mit Leben und Tod befasse. Aber, so ihre Gegenfrage: „Geht es nicht im Leben immer um den Tod?“
Nicht zum ersten Mal ist die Künstlerin in Troisdorf zu Gast
„Ich bin keine depressive Frau“, betont sie gleichwohl. Und wer die temperamentvolle Künstlerin aus Jerusalem erlebt, hegt daran keinen Zweifel. Tatsächlich aber sei der Tod in ihr Leben eingraviert, erzählte sie am Mittwoch bei einer Begegnung in der Remise der Burg Wissem in Troisdorf.
Und das nicht nur durch den Holocaust, dem unter anderem ihre Urgroßmutter zum Opfer fiel. Für jemanden, der wie sie in Israel aufwuchs, so die 1967 geborene Künstlerin, sei der Tod eine reale Möglichkeit: Alle zehn Jahre habe es Krieg gegeben, Anschläge und Raketeneinschläge wesentlich öfter. „Die Gefahr ist überall“, nennt sie als ihr Lebensmotto.
Angst vor dem Sterben habe sie nicht, beteuert sie. So wie andere am Meer lebten und ihr künstlerisches Vokabular daraus schöpften, sei das bei ihr eben der Tod. Und zwar nie ein natürlicher Tod, wie sie betont.
Als Gast der Stadt ist Merav Salomon in dieser Woche in Troisdorf. Am Mittwochabend hielt sie dort einen Vortrag; ein Gespräch mit Jugendlichen und die Teilnahme am Workshop der Stiftung Illustration am Wochenende sind weitere Stationen ihres Aufenthalts. Eines Aufenthalts, der natürlich begleitet wird von Fragen nach der Lage in ihrem Heimatland nach dem 7. Oktober 2023.
„Alles hat sich verändert“, sagt Merav Salomon: „Zucker schmeckt nicht mehr wie Zucker, rot ist nicht mehr rot.“ Sie habe das Glück, dass niemand in ihrer unmittelbaren Verwandtschaft verschleppt oder getötet worden sei. Aber: „Wir sind alle Opfer“, macht sie klar; dabei unterscheide sie nicht zwischen Israelis und Palästinensern. Durch die Interessen von benachbarten Mächten „sind wir alle als Geiseln genommen“.
Das Massaker vom 7. Oktober verurteilt sie ebenso wie den Krieg in Gaza, an einem Kunst-College in Tel Aviv unterrichtet sie Angehörige von Familien, die brutal ermordet wurden, ebenso wie arabischstämmige Israelis. In der Verwaltung sind Palästinenser beschäftigt, deren Angehörige in Gaza man mit Hilfspaketen unterstützt: „Die Lage ist zu kompliziert für ja oder nein, für entweder oder.“
„Komplett gelähmt“ sei sie nach dem Angriff der Hamas gewesen, berichtet Salomon. Während andere Kollegen recht rasch künstlerisch reagiert hätten, habe sie lange gebraucht, „um das, was ich fühlte, in Illustrationen zu übersetzen“. Einige der neuesten Arbeiten hat sie nach Troisdorf mitgebracht: „From A to Abyss“ (Von A bis zum Abgrund) hat sie den Zyklus genannt, der, wie alle ihre Arbeiten, in der Abfolge beliebig austauschbar ist.
Ausgerechnet von den Roadrunner-Comics aus den 50er Jahren habe sie sich inspirieren lassen, so die Künstlerin: Wie der Comicvogel, so agieren auch die anonymen und damit allgemeingültigen Frauenfiguren – „das bin wahrscheinlich ich“ – an einem furchtbaren Abgrund.
In Bildern buchstabiert sie die Gefühlslage ihrer Heimat
In so eindrucksvollen wie reduzierten Schwarz-Weiß-Zeichnungen buchstabiert Merav Salomon die Gefühlslage in ihrer Heimat: „Despair“ (Verzweiflung) zeigt eine Person, die über dem Abgrund hängt, unter dem Stichwort „condemn“ (verurteilen) steht eine Person mit Protestschild an der Abbruchkante. Vielleicht wirft sie es hinein, vielleicht nicht.
Es gibt kein Zurück, kein Bedauern („regret“), wenn die Figur erst über dem Abgrund bemerkt, dass da kein Boden mehr ist, und hilflos ist, wer mit wenig Wasser die aus der Tiefe heraufzüngelnden Flammen löschen will. Sicherlich hat niemand Kontrolle, der mit verbundenen Augen auf die Kluft zuläuft. Und doch gibt es Mitgefühl, wenn auf beiden Seiten des Abgrunds die gleiche Gestalt sitzt.
Sie hofft, dass Kunst und Design etwas verändern können
Israel verlassen würde Merav Salomon aber nicht, sagt sie, weil sie um ihr Leben fürchte. Sie habe vielmehr Angst davor, eines Tages nicht mehr als selbstbestimmte Frau dort leben zu können. Sie schäme sich, dass menschliche Werte verloren gingen, seit 2015 nehme sie daher jeden Samstag an Protestkundgebungen teil. „Wir kämpfen“, sagt sie. „Wir haben nicht das Recht, damit aufzuhören.“
Eine Hoffnung setzt die Künstlerin in das Beispiel ihrer Hochschule: Dort sei es gelungen, dass palästinensische Studierende und Israelis, die als Reservisten die Waffe bei sich tragen mussten, Mitglieder der queeren Community und Angehörige von Siedlern bei aller Verschiedenheit „dennoch eine neue Sprache entwickelten“. Eine Sprache, um auszudrücken, wie sie sich „bedroht und verwirrt“ fühlen. Vielleicht, so sagt Merav Salomon, könnten Kunst und Design „helfen, etwas zu ändern“.