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Frauenzentrum TroisdorfGewalt in jugendlichen Beziehungen rechtzeitig verhindern

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau steht vor einem Beamer und deutet auf einen Comic. Eine Person darin fragt „ist das mein Handy?“, eine rot gefärbte Figur, die ein Handy in der Hand hält, sagt „Hast du etwa was zu verbergen?“

Sozialarbeiterin Maren Diekmann erklärte, warum die Prävention gerade bei jungen Menschen so wichtig ist.

Mit dem Präventionsangebot „Liebe ist...“ klärt das Frauenzentrum Troisdorf Schülerinnen und Schüler über Gewalt in Paarbeziehungen auf.

Zwei Drittel der Jugendlichen in Deutschland haben bereits Kontrollverhalten und Überwachung in Paarbeziehungen erlebt. „Das ist kein Vergleich zu den Zahlen von Erwachsenen, aber dennoch alarmierend“, sagt Maren Diekmann, Sozialarbeiterin im Troisdorfer Frauenzentrum. Sie und ihre Kollegin Ilka Labonté sprechen mit Jugendlichen ab der neunten Klasse über emotionale, körperliche und sexuelle Gewalt in Partnerschaften.

Das Präventionsprojekt „Liebe ist...“ gibt es seit 2021. „Wir waren damals einfach so gefrustet, dass die Fallzahlen häuslicher Gewalt immer weiter steigen und sich das auch in unserer Arbeit widerspiegelt“, berichtet Ilka Labonté, „Wir haben dann überlegt, wie wir das Problem an der Wurzel angehen können.“

3000-Euro-Spende macht das Präventionsangebot für Schulen in Rhein-Sieg leichter bezahlbar

Warum werden schon Jugendliche in Beziehungen gewalttätig? Faktoren sind, wie Maren Diekmann darlegt, beispielsweise traditionelle Rollenbilder und der Konsum gewaltverherrlichender Medien oder Pornografie. „Der wesentliche Faktor ist aber: Wer schon einmal Gewalt in Beziehungen erlebt hat, wird mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit auch zum Täter werden“, erläutert Diekmann, „deswegen ist es zentral, der Entstehung von solcher Gewaltdynamiken früh vorzubeugen.“

Wer schon einmal Gewalt in Beziehungen erlebt hat, wird mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit auch zum Täter werden.
Maren Diekmann

Das Troisdorfer Frauenzentrum wird durch das Land Nordrhein-Westfalen, den Rhein-Sieg-Kreis und die Stadt Troisdorf mitfinanziert, muss große Teile seiner finanziellen Ressourcen jedoch auch selbst erwirtschaften. Eine Spende des Lions Clubs Rhein-Sieg in Höhe von 3000 Euro kam zur richtigen Zeit – sie soll komplett in das Präventionsangebot „Liebe ist...“ fließen.

Fünf Frauen lächeln in die Kamera und halten Informationskarten aus dem Workshop „Liebe ist...“ in den Händen.

Das Team des Troisdorfer Frauenzentrums: Zuleydy Carolina Reyes Reyes, Ilka Labonté, Maren Diekmann, Anette Rathschlag und Laura Ufer.

„Die Schulen schlucken oft, wenn wir unsere Preise nennen – viele können sich das nicht leisten“, sagt Ilka Labonté. „Wir freuen uns deswegen sehr, dass wir die Preise dank der großzügigen Spende jetzt deutlich verringern können.“ Die Initiative ging vom Lions Club Lohmar aus, der das Frauenzentrum als Spendeneinrichtung vorschlug.

Ein Kurs des Präventionsangebots „Liebe ist...“ kostete bisher 400 Euro. Jetzt könne das Frauenzentrum die Preise um bis zu 50 Prozent verringern, so Labonté. Der Preis gestalte sich abhängig von den finanziellen Mitteln, die die jeweiligen Fördervereine der Schulen aufbringen können.

Wir würden uns wünschen, dass jede Schulklasse im Rhein-Sieg-Kreis einen Workshop zur Gewaltprävention bekommt.
Ilka Labonté

„Wir würden uns wünschen, dass jede Schulklasse im Rhein-Sieg-Kreis einen Workshop zur Gewaltprävention bekommt“, sagt Ilka Labonté, „das würde bei uns aber auch zu Kapazitätsengpässen führen.“ Um die Kapazitäten zu erweitern, bietet das Frauenzentrum im Oktober 2025 ein „Train the Trainer“-Seminar zur Durchführung der Präventionsworkshops an. Interessierte können sich beim Troisdorfer Frauenzentrum melden.

Alle Schulen im Rhein-Sieg-Kreis, die höhere Jahrgangsstufen führen, können den Gewaltpräventionskurs beantragen. Oft werde das Frauenzentrum direkt von Schulen kontaktiert, wenn es beispielsweise akute Vorfälle in einer bestimmten Klasse gebe, sagt Labonté.

Männer und Frauen stehen vor einer Beamer-Projektion.

Das Team des Troisdorfer Frauenzentrums und Mitglieder des Lions Club Rhein-Sieg bei der Spendenübergabe für das Präventionsangebot.

Schülerinnen und Schüler der höheren Jahrgangsstufen kommen für den etwa vierstündigen Workshop geschlechtergemischt zusammen. „Es geht ja um Respekt, Toleranz und gutes Zusammenleben - deswegen ist es uns wichtig, dass die Jugendlichen in der ganzen Klassengemeinschaft über diese Themen sprechen“, betont Ilka Labonté. Trotzdem falle auf, dass Schülerinnen in reinen Mädchenschulen sich häufig freier äußerten.

Dennoch sei es besonders wichtig, auch mit Jungen über Gewaltrisiken zu sprechen. Laut einem neueren Studienergebnis seien Jungen von leichter körperlicher Gewalt in Partnerschaften sogar häufiger betroffen als Mädchen, sagt Maren Diekmann: „Dann geht meistens ein Raunen durch die Gruppen, weil die meisten das nicht vermutet hätten. Auch für Jungs ist es wichtig, zu sehen, dass sie nicht alleine sind, wenn sie solche Erfahrungen gemacht haben.“

Immer wieder bewerten Jugendliche Eifersucht als positiv für Beziehungen

Viele Jugendliche, die schon einmal Gewalt in Beziehungen erfahren haben, seien sich dessen nicht sofort bewusst - vor allem, wenn es um emotionale Gewalt gehe. Diekmann und Labonté zeigen Jugendlichen daher Risikofaktoren, die auf Kontrolle und Manipulation hindeuten können; beispielsweise der Versuch, den Partner oder die Partnerin vom Freundeskreis zu isolieren.

Eifersucht sei ein Faktor, den Jugendliche häufig sowohl als Risikofaktor als auch als für eine Beziehung gesund und wichtig einordneten. „Wir versuchen dann, mit den Schülerinnen und Schülern herauszufinden, was sie sich eigentlich anstatt von Eifersucht von ihrem Partner wünschen“, sagt Maren Diekmann, „das kann zum Beispiel Aufmerksamkeit sein.“

Dass Jugendliche ebenso wie Erwachsene teilweise Widerstand zeigen, wenn es um das Erkennen von Gewalt in ihrem Umfeld geht, sei normal, sagt Anette Rathschlag vom Troisdorfer Frauenzentrum: „Man will nicht betroffen sein, man will nicht davon gehört haben und man will auch keinen Täter kennen.“


Mädchen und Frauen ab 14 Jahren, die von emotionaler, körperlicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, können sich an die Beratungsstelle des Troisdorfer Frauenzentrums wenden. Termine können online oder telefonisch unter 02241 722 50 vereinbart werden. Beratungen sind auch per Chat möglich. Weitere Beratungsangebote und Workshops sind ebenfalls auf der Webseite des Frauenzentrums zu finden.

Von Gewalt betroffene Jungen und Männer ab 14 Jahren können sich an den „SKM - Katholischer Verein für soziale Dienste im Rhein-Sieg-Kreis“ in der Bahnhofstraße 27 in Siegburg wenden. Alle wichtigen Informationen zur Terminvereinbarung für persönliche oder Online-Beratungen sind auf der Webseite des SKM zu finden.